Spontane Meinung verteidigen
Etwas Gewöhnliches wird erst durch das Können zu Kunst – Zwei neue Ausstellungen
ROTHENBURG – Es mangelt in Rothenburg wahrlich nicht an Kunst. Auf die Ausstellungseröffnung des Künstlerbundes folgte die nächste Vernissage im Wildbad. Auch die Ludwig-Doerfler-Galerie in Schillingsfürst präsentierte an Ostern ihre neue Werkeschau. Es braucht also Zeit für die Auseinandersetzung mit der Kunst.
Der Betrachter ist als selbstständiger Mensch gefragt. Wieviel Zeit investiere ich, wieviel geistige Kapazität? Denn Kunst ist oft das Ergebnis einer langen Reihe von künstlerischen Experimenten. Es gibt keine Regeln mehr, was gute Kunst ist, was banal oder schäbig. Früher war klar: Marmor, Gold, Ölfarben waren edle Materialien. Heute werden Sperrmüll und in internationalen Ausstellungen Leichenteile und Fäkalien verwendet. Kunst kennt keine Grenzen, kein Alter und keine Hemmungen, keine Religion. Um ein Kunstwerk zu erschaffen, sind der Freiheit keine Grenzen gesetzt. Heute ist alles frei. Moderne Kunst verlangt oft einen speziellen Hintergrund zum Verständnis, die dem Betrachter aber oft verschlossen ist. Auch die alte gegenständliche Kunst, die scheinbar so leicht verständlich ist, ist mit einer gewissen Bildungsanstrengung verbunden.
Manchmal fragt man sich: Bringt das Kunstwerk neue Ideen, Gedanken, Diskussionen? Was Kunst eigentlich ist, darüber hat sich schon so mancher den Kopf zerbrochen. Kunst ist relativ. Kunst liegt im Auge des Betrachters. Zur Freiheit des Ausstellungsbesuchers gehört: Er muss sich nicht zur Kunst zwingen. Er darf auch „nein“ sagen. Am besten, man geht nicht allein in eine Ausstellung, denn Kunstbetrachtung ist etwas Kommunikatives.
Den Künstlern von heute stehen viele unterschiedliche Methoden und Materialien zur Verfügung. Neben den klassischen Mitteln der Kunst wie Malerei und Zeichnung, andere mit Fotografie, Bildhauerei, Film, den Neuen Medien, Performance, Licht, Klang und Installation. Bei der Gegenwartskunst rücken oft mehr die Konzepte, Gedanken und Fragestellungen in den Vordergrund. Gegenwartskunst ist häufig politisch motiviert oder nimmt kritisch Stellung zur Zeitgeschichte. Das zeigt sich auch in den zwölf Arbeiten von sechs Studierenden der Akademie für Bildende Künste Nürnberg. Der künstlerische Titel der Schau „Transcendental Mediation“ geht haarscharf vorbei an jener Organisation, die im Wildbad gerne ihr Europazentrum errichtet hätte.

Julia Liedel (Mitte) erläutert Besuchern ihre Installation „Ode an den Mond“. Fotos: Schäfer
Jonas Johnke hat sich in einer Rauminstallation, angestoßen durch Wildbad-Erbauer Friedrich von Hessing, mit der Fragestellung auseinandergesetzt, welche Prothesen der Gegenwart gerecht erscheinen: „Filter für das, was ich sehe, was ich höre und wie ich mich äußere, scheinen mir da als angebracht.“ Als Örtlichkeit für diese ungewöhnliche Zusammenstellung hat er das Kellergewölbe zwischen Kurhaus und Mittelbau gewählt. Mit einer Performance zur Vernissage im Theatersaal stellte Julia Liedel ihre „Ode an den Mond“ vor – eine Installation aus Stahl, Gips und Holz. Sie und die anderen Studierenden haben sich für ein Projekt von den Dozenten Matthias Böhler und Christian Orendt gewinnen lassen, die als „Artists in Residence“ über den Sommer im Wildbad leben und arbeiten. Der Kunstbeirat der Tagungsstätte hat dafür grünes Licht gegeben.
Mit der Vernissage startete das Haus seine neue Kulturreihe als Zusatzangebot zum Sonntagscafé. Es hat an allen Sonn- sowie zusätzlich an ausgewählten Feiertagen bis Anfang Oktober geöffnet. Dazu finden Konzerte, Kabarett, Sonderführungen, Lesungen oder andere kulturelle Angebote statt. Die Ausstellungseröffnung wurde begleitet von Musik und Gesang durch das Rothenburger Künstlerduo Bettina Hirschberg und Harry Düll. Mit den beiden Stücken „Sommer“ und „Venedig“ weckten die beiden so manche Sehnsucht nach Liebe und Freiheit.
In seiner Einführungsrede erinnerte Pfarrer und „Hausherr“ Herbert Dersch daran, dass das Wildbad schon in der Vergangenheit ein Ort für Kunst und Künstler war. Es befand sich einst im Besitz der „Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger“ und war Erholungsheim für Schauspielerfamilien, Künstlerhaus und Hotel.
Den Rundgang durchs belebte Haus mit Kunstvermittlung im Pulk brachen etliche Besucher ab. Was nicht an der Kunst lag, sondern an den Beteiligten, die stellenweise schwer zu verstehen waren. Führung ist die höchste Form des Dienens. Also das Gegenteil davon, Kunstinteressierten körperliche Anstrengung abzuverlangen. Wenn man nicht imstande ist, mit seinem gesunden Menschenverstand den Deutungen der Kunstspezialisten zu folgen. ziehen sich Besucher zurück.

Hielt sich kurz: Künstlerbund-Vorsitzender René Bissbort (re) eröffnet die neue Werkeschau.
Die neue Werkeschau des Künstlerbundes im ehemaligen Fleischhaus am Marktplatz zeigt die schöpferische Tätigkeit von 19 Aktiven. Bekannte Gesichter, die in der zeitgenössischen Kunstszene ihren Weg gefunden haben und gehen, der ihre bisherige Entwicklung wesentlich bestimmt. Sie setzen sich bewusst Grenzen und beziehen Stellung, indem sie Profil zeigen, statt zu „re-agieren“. Andere neigen zur bewussten Stilrichtung oder wollen einfach experimentieren und etwas anderes machen, wie Sylvia Krieg mit ihren Graphikarbeiten zeigt.
Es gibt auch Neuzugänge beim Künstlerbund. Annelie Markmann (33) kommt aus der Nähe von Berlin und arbeitet bei Käthe Wohlfahrt in der Entwicklungs-Abteilung. Nach ihrer Ausbildung zur Glasmalerin hat sie Kunst studiert – ebenfalls Schwerpunkt Glas. Ihre künstlerischen Ausdrucksmedien sind hauptsächlich Grafik und Glas. Thematisch beschäftigt sie sich viel mit menschlicher Identität. wobei sie eher konkret und realistisch als abstrakt arbeitet. Seit Anfang des Jahres ist sie Mitglied im Künstlerbund, weil sie sowohl an kunsttheoretischem als auch am praktischen Austausch interessiert ist“, wie sie sagt.
Auch Hermann Wolf hat sich entschieden, dem Künstlerbund beizutreten, nachdem er sich den Verein erstmal genau angeschaut hat. Seit 2008 betreibt er eine Schmuckgalerie in der Altstadt. Außerhalb seiner goldschmiedischen Arbeiten fertigt er eigenwillige Metallbilder. Collagen aus kleinen und großen Metallflächen, Reste einerseits, Abfallstücke anderseits. Mit dem Auge des Künstlers neu gesehen und zusammengefügt.
Maler Volker Hitz hat Putins Gesicht angezogen. Er hat ihn als undurchdringliche Person mit ernstem Ausdruck und Stirnfalten gemalt. Der gelernte Koch hat im Ruhestand seine kreative Ader entdeckt, inspiriert von seinem Großvater, der Kunstmaler war. Dem Künstlerbund leistet Volker Hitz auch wichtige Dienste als kompetente Aufsichtsperson in der Galerie. sis
Schreibe einen Kommentar