Raus aus der Schublade

Fähigkeiten und nicht das Geschlecht entscheiden über Erfolg im Beruf

ROTHENBURG – Männer mauern, Frauen frisieren: Dieses über viele Jahrzehnte gut gepflegte Schubladendenken hat sich in letzter Zeit zum Glück ein ganzes Stück weit gewandelt – bei einer Vielzahl von Tätigkeiten. Eine Kfz-Mechatronikerin aus Kirnberg sowie ein Bäckereifachverkäufer und eine Taxifahrerin aus Rothenburg haben festgefahrene berufliche Rollenvorstellungen für sich in den Wind geschossen und diese Entscheidung noch keine Sekunde lang bereut. Ihr Rat: Einfach machen!

Hannes Ströbel und Antonia Langer folgen ihrer Leidenschaft und lassen sich zum Bäckereifachverkäufer und zur Kfz-Mechatronikerin ausbilden.

Hannes Ströbel und Antonia Langer folgen ihrer Leidenschaft und lassen sich zum Bäckereifachverkäufer und zur Kfz-Mechatronikerin ausbilden.

Mit dem heutigen „Girls’ und Boys’ Day“ soll jungen Menschen gezielt die Scheu vor Berufen genommen werden, die bislang von der Gesellschaft eher dem jeweils anderen Geschlecht zugeordnet wurden. Dass Mädchen ebenfalls technisches und handwerkliches Geschick haben und dass auch Jungen zwischenmenschliche Fähigkeiten in sozialen Berufen wirkungsvoll einbringen, kann heutzutage niemand mehr ernsthaft anzweifeln. Vorbilder in der Familie und im Freundeskreis sowie ein gesundes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind das Zünglein an der Waage, um selbstbewusst seinen eigenen beruflichen Weg zu gehen.

„Ach Antonia, du und deine Autos“ – diesen Kommentar bekam Antonia Langer aus Kirnberg oft von ihren Freundinnen zu hören, wenn sie wieder einmal unter Beweis stellte, dass sie Autos allein an ihren Lichtern erkennen kann. Unter ihren damaligen Klassenkameradinnen auf der Mädchenrealschule Schillingsfürst war dieses spezielle Wissen wohl einzigartig.

Anstatt sich ihnen anzuschließen und nach dem Abschluss ebenfalls die kaufmännische oder kinderpflegerische Richtung einzuschlagen, folgte Antonia ihrer Leidenschaft. „Im Büro sitzen wollte ich nie“, sagt die heute 20-Jährige. Nach einem Praktikum bei der Bundeswehr und in einer Autowerkstatt, stand ihr Entschluss fest: Sie wird Kfz-Mechatronikerin. Mittlerweile ist sie im dritten Lehrjahr bei der Firma Raab-Automobile in Linden.

„Benzin im Blut“

Ihr, wie sie sagt, „autoverrückter Vater“ ist mit dieser Berufswahl vollauf zufrieden. Dank ihm kennt sich Antonia seit kleinauf bestens mit den technischen Rafinessen von Kraftfahrzeugen aus. Aber auch ihre Mutter steht voll und ganz hinter ihr. „Sie hat einfach Benzin im Blut und muss sich bewegen und etwas handwerkliches machen“, beschreibt sie ihre Tochter. Antonias ältere Schwester tritt als Pharmazeutisch-Technische Assistentin dafür eher in die beruflichen Fußstapfen der Mutter.

Die Entscheidung für einen Beruf ist die eine Sache. Eine ganz andere ist es, in einer vermeintlichen Männerdomäne auch zu bestehen. Antonia hat dazu eine ganz klare Einstellung: „Ich habe mich für diesen Beruf entschieden und muss da auch durch, selbst wenn es schwer oder unangenehm wird.“ So etwas wie einen Frauenbonus wollte sie nie und den gebe es hier sowieso nicht, sagt ihr Chef Heinz Raab, auch wenn die männlichen Mitarbeiter in Ausnahmefällen bei gewissen Dingen doch mal helfend mitanpacken.

Mit ihren Kollegen und den Kunden gab es nie Probleme wegen ihres Geschlechts. „Wenn man was drauf hat, wird man auch akzeptiert“, ist Antonia überzeugt. Man müsse einfach nur den Mund aufmachen und zeigen, dass man selbstbewusst ist. An ihrem Beruf reizt sie besonders die Vielfältigkeit: das selbstständige Arbeiten, um herauszufinden, was unter der Motorhaube steckt, der Kundenkontakt sowie das Schrauben – es mache Spaß, sei aber auch anstrengend.

In einem vermeintlichen Männerberuf zu arbeiten, bedeutet für die junge Frau nicht, dass man ein „Mannweib“ sein muss, auch wenn sie keine Scheu hat, sich die Hände schmutzig zu machen. Arbeit ist Arbeit, aber privat achtet sie schon darauf wie sie aussieht. „Manche sagen sogar, dass sie mich gar nicht erkannt haben, weil ich so schick angezogen bin“, schmunzelt die 20-Jährige.

Noch steht das Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik bei weiblichen Auszubildenden noch nicht sonderlich hoch im Kurs. So ist Antonia die einzige Frau in ihrer Berufsschulklasse. Ähnlich geht es Hannes Ströbel, jedoch unter anderen Vorzeichen: Auch er ist der Hahn im Korb im Klassenzimmer – allerdings bei den Bäckereifachverkäuferinnen. Der 21-jährige Rothenburger absolviert derzeit sein zweites Ausbildungsjahr beim Brothaus.

Die Beratung und den Verkauf von Brot, Brötchen und süßem Gebäck habe er nie als Frauenberuf wahrgenommen, sagt er. Seitdem er selbst hinter der Theke steht, merkt er aber, dass Männer in diesem Beruf „noch nicht so gängig“ sind. „Die Kunden sprechen einen schon darauf an“, lacht er – allerdings nie mit negativem Tenor. Doch zumindest in der Filiale am Markusturm haben sich die Stammkunden wohl schon an den Anblick gewöhnt. „In manchen Schichten arbeiten hier nur Männer im Laden“, erklärt Hannes.

Mit einem dieser Kollegen hatte sich Hannes unterhalten, als er sich nach einem beruflichen Ausflug in den Metallbau und das Kochgewerbe umorientieren wollte. Durch den Verkauf von Lebensmitteln auf dem Reiterlesmarkt hatte er bereits entdeckt, dass ihm dieser Dienstleistungsberuf Freude bereitet. Das persönliche Gespräch überzeugte ihn, die Ausbildung zum Bäckereifachverkäufer in Angriff zu nehmen.

„Es macht Spaß, den Kunden zu erklären, was in dem Brot drin ist und ihnen dann das ,richtige’ zu verkaufen“, beschreibt der 21-Jährige, was ihn an dem Beruf gefällt. Auch die Vielfalt der Waren, die sich im Jahresverlauf immer wieder ändern sowie der Einsatzbereiche – etwa als Barista oder in der Frühstückszubereitung – machen die Arbeit interessant für einen größeren Bewerberkreis.

Die Persönlichkeit zählt

Heutzutage ist das Berufsbild nicht mehr auf den klassischen Verkauf begrenzt, wo dieselbe Auswahl an Backwaren über Jahre hinweg an den Kunden gebracht werden müssen, erklärt Sabine Detsch, die beim Brothaus seit 2015 für die Ausbildung zuständig ist. Sie beschreibt Hannes als offenen Menschen, der auf die Leute zugeht. „Er ist der richtige Typ für den Verkauf“, sagt sie, denn gerade beim direkten Kontakt mit den Kunden zähle die Persönlichkeit des Verkäufers mehr als sein Geschlecht.

Für Alexandra Kersten ist Taxifahren alles andere als eine Männerdomäne. Fotos: Scheuenstuhl

Für Alexandra Kersten ist Taxifahren alles andere als eine Männerdomäne. Fotos: Scheuenstuhl

Dies kann auch Alexandra Kersten nur unterschreiben. Auch in ihrem Beruf kommt es vor allem darauf an, den Dienstleistungsgedanken zu leben – egal welches Geschlecht man hat. Sie sei schon immer „verhältnismäßig viel auf der Straße unterwegs gewesen“, erinnert sie sich, etwa als sie während ihrer Ausbildung zur Hotelfachfrau zwischen Lichtenau, Nürnberg und Rothenburg gependelt ist. Aber erst durch ihren Mann Ralf Kersten kam sie vor etwa 15 Jahren zum Taxifahren.

Seitdem hat sie nie erlebt, dass sie als Frau am Steuer nicht akzeptiert wurde. „Oh, schön, eine Frau“, habe Alexandra schon das eine oder andere Mal von ihren Geschlechtsgenossinen gehört. Aber auch ein LKW-Fahrer lobte sie einst, dass sie „richtig gut“ fahre. Auch wenn dies für ihn wohl bei einem männlichen Taxifahrer nicht erwähnenswert gewesen wäre, freute sich die heute 42-Jährige über diesen Zuspruch.

Dass vor allem Männer über das Taxameter herrschen, mag vielleicht noch für Großstädte gelten. In Rothenburg hingegen sitzen schon länger eine ganze Reihe von Frauen hinter den Lenkrädern der hellelfenbeinfarbenen Fahrzeuge. Dies liegt vor allem daran, dass die hiesigen Taxiunternehmen in der Regel Familienbetriebe sind und dort alle mitanpacken müssen – sowie auch Alexandra Kerstens Schwiegermutter.

Das fahrerische Können ist nur ein Teil des Jobs. „Man bekommt bei dieser Arbeit auch sehr viel mit und ist manchmal Seelentröster“, erklärt Ralf Kersten. Man müsse sich schon auf die Leute einstellen können, die man befördert. Das einzige Zugeständnis an den Status als Frau ist, dass Alexandra Kersten aus Sicherheitsgründen nicht nachts fährt – außer es handelt sich um Stammkunden.

Taxi zu fahren ist für sie eine Selbstverständlicheit. Aber kürzlich kam sie doch ins Grübeln über Geschlechterrollen, als vier verschleierte Malaysierinnen zu ihr ins Taxi stiegen. Da hätte sie sich schon gefragt, was diese wohl davon halten, von einer Frau gefahren zu werden. mes

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