Nun auch „Luther-Stätte“
Rothenburg schließt sich europäischem Reformationsverbund an
ROTHENBURG – „Der Papst war hier, Martin Luther nie.“ So eröffnete Annika Keller, im Quartiersbüro zuständig für Kultur, ihre Rede bei der Jahrestagung des europäischen Tourismusverbundes „Stätten der Reformation“. Der Verein ist Initiator der „Luther-Tour“, die in der Reformationsdekade von 2008 bis 2017 auf─ Städte und Stätten mit Reformationsbezug verweist. Rothenburg ist neuestes Mitglied im Bund.

Verbands-Vertreter mit Annika Keller (2. von links) und Tourismus-Direktor Jörg Christöphler (3.von links).
Tourismusdirektor Jörg Christöphler präsentierte auf der Terrasse des Hotels Eisenhut Zahlen und Fakten zur Stadt und zur Darstellung Rothenburgs im Kontext der Reformation. Was die Tauberstadt von den meisten anderen Städten auf der „Luther-Tour“ unterscheidet: Es gibt keine Verbindung zu Martin Luther. Er hat weder in Rothenburg gelebt noch gewirkt und das gilt auch für fast alle anderen bedeutenden Reformatoren, einzig mit Ausnahme von Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, der auf seiner Flucht 1524 für einige Wochen in der Stadt Unterschlupf fand. Auch waren die Rothenburger keine Vorreiter in Sachen Reformation: Erst 1544, 27 Jahre nach Luthers berühmtem Thesenanschlag in Wittenberg, wurde sie endgültig vom Rat der Stadt eingeführt. Ein Nachteil?
Ganz und gar nicht, glauben Annika Keller und Jörg Christöphler: „Die Reformationsgeschichte lässt sich in Rothenburg nicht anhand einer Person, eines Ortes oder ausgehend von einem bestimmten Zeitpunkt erzählen. Das macht es natürlich komplex, aber dem stellen wir uns und erklären die ganze Stadt zur Entdeckerzone in Sachen Reformation“, so Christöphler.
Museen machen mit
Unterstützt werden sie vom Reichsstadtmuseum und vom Kriminalmuseum, die sich beide mit Ausstellungen an der Reformationsdekade beteiligen. Sie wollen die Reformation über Medialität und Kommunikation erschließen und dabei den Bezug zur heutigen Zeit aufzeigen.
Wie kam die Reformation zu den Menschen? Das ist die Leitfrage für eine geplante Ausstellung im Reichsstadtmuseum in 2016/17. Heute verbreiten sich neue Ideen in Windeseile über Internet, Fernsehen, Rundfunk und Printmedien. Im 16. Jahrhundert übernahmen, in anderem Ausmaße, Flugblätter und Flugschriften diese Rolle. Im Rothenburger Stadtarchiv liegt eine Sammlung von über 900 dieser Flugschriften. An ihrem Beispiel lassen sich „soziale Netzwerke“ der Reformationszeit aus Verfassern, Lesern, Predigern und Zuhörern rekonstruieren.
Passions-Szenen übermalt
Die Sammlung wird im Zentrum der Ausstellung des Reichsstadtmuseums stehen, während eine Ausstellung im Kriminalmuseum im gleichen Zeitraum eines der in den Flugschriften behandelten Themen herausgreift und diskutiert: die Hexenfrage. Nicht nur die katholische, sondern auch die protestantische Kirche führte Hexenprozesse und verbrannte Hexen.
Zum weiteren Anlaufpunkt in der Stadt wird die Kirche Sankt Jakob. Wie konnte der Heilig-Blut-Altar von Tilman Riemenschneider dem Bildersturm der Reformation entgehen? Die Bürger der Stadt sollen sich schützend vor die Kirchentüren gestellt haben.
Die Jakobus-Darstellungen auf dem „Zwölf-Boten-Altar“ von Friedrich Herlin 1582 wurden mit Passions-Szenen übermalt und erst 1922 wieder freigelegt. Die Bedeutung und Rezeption von Bildern als Kommunikationsmittel soll in diesem Zusammenhang geklärt und hinterfragt werden.
Neben den Ausstellungsvorhaben gibt es Kirchenmusik in Sankt Jakob, sowie einen Vortrag zum Thema „Martin Luther und die Juden“ im Rahmen der „Woche jüdischer Kultur“ im Oktober. So wird Martin Luther doch zum Thema, obwohl er nie da war.
Neben Rothenburg sind noch Coburg, Nürnberg, Schweinfurt sowie Augsburg bayerische Mitglieder im Europäischen Tourismusverbund „Stätten der Reformation“, der die meisten Mitglieder im mitteldeutschen Raum aufweist.
Der 1995 in der Lutherstadt Eisleben gegründete Verein besteht aus einem europaweiten, touristischen Städtenetzwerk mit über sechzig Mitgliedern und Partnern. Er dient als Plattform zum Austausch über die Reformation und deren kulturgeschichtlichen Auswirkungen.
Die vom Tourismusverbund initiierte „Luther-Tour“ führt durch Deutschlands schönste Landschaften zu Städten und Stätten mit reformationsgeschichtlichem Hintergrund. Rothenburg ist nun Teil davon und somit ein weiterer Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt. ak/clk
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