Märchenhafte Zeit
Die Veranstaltungsreihe hat noch einiges in petto
ROTHENBURG – Ein vielfältiges und abwechslungsreiches Programm bietet der „Rothenburger Märchenzauber“ mit Märchenführungen, Lesungen, Bastelstunde, Theaterspiel, Melodien, Konzerten und Erzähltheater. Veranstaltungen gibt es noch bis kommenden Sonntag. Den schönen Schlusspunkt setzt die Rothenbuger Musikschule.

Der Schauspieler Markus Grimm, ein Nachfahre der berühmten Märchenautoren. Foto: sis
Der „Märchenzauber“ beinhaltet Angebote für Kinder und Erwachsene, das macht die Veranstaltungsreihe auch in diesem Jahr auf eindrucksvolle Weise deutlich. In ihr bündeln sich Unterhaltung, Charme und Fantasie, Sprache und Literatur. Am heutigen Mittwoch um 15.30 Uhr lädt die Stadtbücherei zum Erzähltheater „Der Froschkönig“ ein.
In der Bäckerei Striffler werden am Donnerstag um 17 Uhr Sterntaler gebacken zum gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm. Am Freitag um 19 Uhr spielt die Russische Kammerphilharmonie um 19 Uhr in der Korn-Halle märchenhafte Musik und die Hans-Sachser gastieren um 20 Uhr im Theater am Burgtor mit dem Schwank „Der Bauer im Fegfeuer“.
Am Samstag beginnt die „Märchenverführung“ um 17.30 Uhr am Marktplatz zum Theaterspiel „Frau Holle“ mit Gymnasiasten im Musiksaal. Um „Missmut und Wohlgemut“ geht es bei der Märchen- und Bastelstunde am Sonntag um 11 Uhr im Hegereiterhaus. Um 15 Uhr beginnt die märchenhafte Familienführung am Georgsbrunnen und um 16 Uhr das Konzert der städtischen Musikschule im Musiksaal, die das Märchen „Der Teufel mit den goldenen Haaren“ der Gebrüder Grimm zu einem besonderen Erlebnis macht. Peter Noack, Ruth Baum und Judith Overmans lassen das Schicksal eines „Glücksknaben“, der eine Reihe von Prüfungen zu bestehen hat, lebendig werden in einer szenischen Dramaturgie. Bei Einbruch der Dunkelheit um 17.30 Uhr (am Mittwoch, Donnerstag und Samstag) kommt ein „Märchenverführer“ auf den Marktplatz und entführt Einheimische und Touristen an einen geheimnisvollen oder selten aufgesuchten Ort in Rothenburg.
Schauspieler Dr. Markus Grimm, ein promovierter Theologe, brachte bei seinem gut besuchten Gastspiel im städtischen Musiksaal einem fast 80-köpfigen Publikum die Lebensgeschichte der Gebrüder Grimm durch bildhafte Sprache und Erzählkunst nahe. Auch ohne theatralische Inszenierung entstand Bild für Bild von Jakob, dem älteren, hageren, mit den Locken. Und Wilhelm, dem jüngeren, stattlichen mit den glatten Haaren. Sie stammten aus einer hessischen Beamten- und Pastorenfamilie. Die Kinder wuchsen die ersten Jahre ihrer Jugend in Steinau auf und machten das Abitur in Kassel.
Der Vater war Jurist, starb früh, so dass Jakob bereits mit elf Jahren die Stellung des Familienoberhauptes einnehmen musste. Eine Tante, die in Kassel Hofdame der hessischen Kurfürstin war, unterstützte die Familie finanziell. Beide Brüder studierten in Marburg Jura, aber nur Wilhelm machte den Abschluss. Der Einfluss ihres Lehrers, Prof. Friedrich Carl von Savigny und seine Bibliothek wies den Brüdern den weiteren Weg. Ihr Lebenswerk war die Erforschung der Wurzeln der deutschen Sprache. Sie gelten als Begründer der Germanistik. Weltberühmt wurden sie jedoch durch zwei Märchensammlungen. Sie sahen ihre Arbeit als Dienst am deutschen Kulturerbe.
In einer von großen politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägten Zeit, in der Napoleon fast ganz Europa unter seine Herrschaft brachte und das hessische Kassel zur Residenz eines „Westfälischen Königreiches“ machte, begannen Jakob und Wilhelm Grimm mit ihren „altdeutschen Studien“. Sie wollten die „schlafende Schrift“ der alten deutschen Literatur wieder zum Leben erwecken. Das in Kassel 1838 begonnene große „Deutsche Wörterbuch“, das den gesamten neuhochdeutschen Wortschatz von Luther bis Goethe erfassen sollte, krönte die einmalige wissenschaftliche Leistung der Brüder Grimm. Das Grimmsche Wörterbuch, von dem zu Lebzeiten der beiden Brüder nur die Stichwörter „A“ bis „F“ und dem Stichwort „Frucht“ vollendet wurden, umfasste 1960 nach seiner Fertigstellung 16 Bände. Bis heute stellt dieses Werk eine der großartigsten Leistungen der europäischen Sprachwissenschaft überhaupt dar.
Markus Grimm spielte die Grimms, schlüpfte abwechselnd in die Figuren von Jacob und Wilhelm und „babbelte“ im hessischen Dialekt. Auch die Teilnahme der Brüder am Protest der „Göttinger Sieben“ wegen Spannungen mit dem hessischen Kurfürsten, weshalb sie des Landes verwiesen wurden, brachte er zur Sprache. 1840 wurden beide Brüder vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. als Mitglieder der „Akadamie der Wissenschaften“ mit einem Sondergehalt nach Berlin gerufen. Berührend die Szenen, in denen Jakob seinem verstorbenen Bruder nachtrauert und eine Rede auf ihn hält – in tiefer Verbundenheit.
Am Märchen „Der Froschkönig“ machte der Schauspieler die unterschiedlichen Charaktere der beiden Brüdern deutlich. In der allerersten Ausgabe, die vor über zweihundert Jahren erschienen ist, war die Geschichte eine spröde, trockene Angelegenheit. Die Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“ wollte niemand lesen. Für Jakob Grimm zählten Textkritik und konservativer Zweck. Wilhelm machte die Märchen mit der Sprache der Poesie lebendig und schuf damit eine neuartige Literaturgattung mit einer Erzählweise, die den berühmten Märchenton der Brüder Grimm ausmacht. sis
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