„Der Notruf ist immer möglich“
Erste Hilfe-Kurse des Seniorenbeirats: Wissen für Notfälle auffrischen und aktualisieren
ROTHENBURG – Einmal gelernt und dann für den Rest des Lebens im Hinterkopf abgespeichert und griffbereit: Was durchaus auf das Fahrradfahren oder das „Vater unser“ zutreffen mag, funktioniert spätestens dann nicht mehr, wenn man sich in einer Ausnahmesituation befindet. Deshalb bietet der Seniorenbeirat kostenlose Erste Hilfe-Kurse an, um das lebenswichtige Wissen um das richtige Verhalten bei einem Unfall oder einem Notfall aufzufrischen.

Wiederbelebung: Druckpunkt finden und senkrecht von oben fest den Brustkorb mit gestreckten Armen fünf bis sechs Zentimeter eindrücken. Fotos: Scheuenstuhl
„Das Schlimmste ist, nichts zu machen“, sagt Werner Holzberger und erstickt damit etwaige Ausflüchte im Keim, aus Angst Schaden anzurichten, überhaupt nicht zu helfen. Der Rettungsassistent ist seit 1991 hauptamtlich beim Bayerischen Roten Kreuz tätig und leitet die vom Seniorenbeirat initiierten Erste-Hilfe-Kurse. Mit Fachkompetenz und seinem trockenen Humor schafft er es, die Teilnehmer von der ersten Minute an für das Thema zu fesseln.
Dabei arbeitet er nicht pedantisch Zeile für Zeile das Lehrbuch ab, sondern geht – natürlich neben der Erklärung der grundlegenden Aspekte der Ersten Hilfe – auch auf die weiterführenden Fragen der Teilnehmer ein. Obwohl dieser Auffrischungskurs also von einem erfahrenen Experten geleitet wird, kann dafür keine Bescheinigung ausgestellt werden, die bei Behörden oder Einrichtungen vorgelegt werden kann. Dennoch ist dieser Kurs in jedem Fall sinnvoll, um das einstmals angeeignete Wissen über das richtige Verhalten im Notfall aufzufrischen beziehungsweise auf den neuesten Stand zu bringen.
Hilfe zu leisten ist nicht nur ein Gebot der Mitmenschlichkeit, sondern eine rechtliche Verpflichtung. So regelt Paragraph 323c des Strafgesetzbuches (StGB) den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung. Demnach muss Hilfe geleistet werden, wenn sie „den Umständen nach zuzumuten“ ist und „ohne erhebliche eigene Gefahr“ und „ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten“ durchgeführt werden kann. Andernfalls droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

An einem Skelett zeigt Werner Holzberger, wie man den Druckpunkt für die Herzmassage findet.
Notruf auch ohne Netz
Um die Ersthelfer zu schützen, ist es in gewissen Gefahrensituationen – etwa bei Elektrounfällen oder wenn eine Gasexplosion droht – angezeigt, auf die professionellen und dafür ausgebildeten Hilfskräfte zu warten. „Ein Notruf ist aber immer möglich“, betont Werner Holzberger. Auch technisch. Denn selbst wenn man beim Smartphone kein Netz haben sollte, geht der Notruf dennoch durch.
Auch ohne medizinisch speziell ausgebildet zu sein, kann man in so ziemlich jedem Fall helfen. Vom Ersthelfer verursachte Schäden haben übrigens keinerlei strafrechtliche Folgen, beruhigt Werner Holzberger. Oberstes Gebot bei einem Unfall oder Notfall: Ruhe bewahren, auch wenn es eine belastende Ausnahmesituation ist. Um weitere Gefahren abzuwenden muss – im Falle eines Unfalls – die Unfallstelle entsprechend abgesichert werden.
Sofortmaßnahmen sind all jene Maßnahmen, die – etwa bei einer starken Blutung oder Bewusstlosigkeit – unverzüglich durchgeführt werden müssen, um eine drohende oder akute Lebensgefahr abzuwenden. Der Notruf, also die Alarmierung der Hilfskräfte, sollte so bald wie möglich erfolgen, damit der Laie schnellstmöglich Unterstützung erhält. Denn: „Zehn Minuten Wiederbelebung sind schon heftig“, weiß Rettungsassistent Werner Holzberger aus eigener Erfahrung.
Genaue Ortsangabe
„Schnell schnell nach Tauberzell“, meldete sich einmal ein Ersthelfer telefonisch bei der Rothenburger Rettungswache – und legte auf. Mit dieser Information allein können die Sanitäter natürlich nichts anfangen. Und auch bei einem Notfall mitten in der Nacht ist die Ortsangabe, „da, wo Licht brennt“ keine große Hilfe, denn: „Wenn wir kommen brennt überall Licht“, sagt Werner Holzberger mit einem Augenzwinkern. Doch selbst wenn die Adresse ausführlich angegeben wurde, ist mancher Einsatzort nicht leicht zu finden. Es sollte deshalb darauf geachtet werden, dass die Hausnummer gut sichtbar am Gebäude angebracht ist.
Bei einem Notruf sind die Abarbeitung der fünf „Ws“ unerlässlich: Wo genau ist es passiert? Was ist passiert? Wie viele Betroffene? Welche Verletzungen? Warten auf Rückfragen. „Die Leitstelle wird das Gespräch führen“, sagt der Rettungsassistent. Deshalb: Telefon auf Lautsprecher stellen, zuhören und nicht auflegen. Die Experten am anderen Ende der Leitung fragen unter anderem auch die Atmung des Notfallopfers ab, um gegebenenfalls eine Telefonreanimation anzuleiten.
Bei der Wiederbelebung ist die Beatmung nicht das Allerwichtigste, da noch ein Rest Sauerstoff im Körper ist, erklärt Werner Holzberger. Vielmehr muss der Kreislauf mittels der Herzdruckmassage, die im Idealfall auf einem harten Untergrund durchgeführt wird, in Bewegung bleiben. Wenn die lebenswichtigen Funktionen nicht direkt gefährdet sind, der Patient aber dennoch bewusstlos ist, muss er in die stabile Seitenlage gebracht werden, um ein Ersticken zu verhindern. Dabei ist es wichtig, die Atemwege durch Überstrecken des Halses in Richtung Nacken frei zu machen.
Ist der Patient ansprechbar, sollte man ihn ermutigen und trösten. Ebenso ist es ratsam, ihn zuzudecken. Auf dem Boden liegend kann er auch im Sommer, vor allem wenn er bewusstlos ist, schnell auskühlen. Starke Blutungen können zu einem lebensbedrohlichen Schockzustand führen und sollten vorrangig versorgt, also wenn möglich die Blutung gestoppt werden – im Notfall „egal womit“. Aber auch kleinere Wunden sollten abgedeckt werden.
Nicht nur im Straßenverkehr, sondern vor allem auch Zuhause kann es zu einem Notfall kommen. Deshalb ging Werner Holzberger auch darauf ein, was etwa im Falle eines Schlag-anfalls zu tun ist. Gerade hier sei die Zeit entscheidend. Auch wenn nur der Verdacht auf einen Schlaganfall besteht, solle man sich nicht genieren und den Notruf wählen. „Wir kommen lieber umsonst – ganz egal um welche Uhrzeit“, versichert er.
Nicht selbst fahren
Nicht nur aus medizinischer, sondern auch aus rechtlicher Sicht, sollte man den Betroffenen nicht selbst ins Krankenhaus fahren. Wenn ihm nämlich auf dem Weg etwas zustößt, er womöglich währenddessen verstirbt, kann der Vorwurf des Totschlags im Raum stehen.
Der erfahrene Rettungsassistent hat aber auch den einen oder anderen Tipp für kleinere „Notfälle“ parat. Bei Nasenbluten solle man sich nach vorne beugen und einen kalten Umschlag in den Nacken legen, um die Blutstillung zu unterstützen. Auf keinen Fall solle man das Blut schlucken, weil man nicht sicher sein kann, wieviel der Magen davon aufnehmen kann.
Es sind nur wenige Stunden, die man auf der Rothenburger Wache des Bayerischen Roten Kreuzes für die Auffrischung der Erste Hilfe-Maßnahmen verbringt, doch sie können im Ernstfall durchaus den Unterschied zwischen Leben und Tod machen. Im Februar plant der Seniorenbeirat weitere kostenlose Erste-Hilfe-Kurse mit Rettungsassistent Werner Holzberger. Die Termine dafür werden noch bekannt gegeben. mes
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