„Fleximaus“ vereint Artenschutz mit wirtschaftlichem Betrieb von Windkraftanlagen
FAULENBERG – Ein Durchmesser von mehr als 100 Metern gegen eine Flügelspannweite von maximal 40 Zentimetern: Bei diesem Vergleich zwischen Windrad und Fledermaus zieht der „Jäger der Nacht“ eindeutig den Kürzeren. Auch in der Natur ist das gefährdete Tier meist im Nachteil. Doch es geht auch anders. Denn mit der Erfindung von Jochen Rößler aus Faulenberg lässt sich Artenschutz mit einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Auslastung von Windparks optimal vereinbaren.
Die Gründer (v.l.): Christian Freiman und Jochen Rößler (Reinhard Kirchner fehlt auf dem Bild). Foto: privat
Gestatten: „Fleximaus“. Auf einer Zugfahrt von Hamburg nach Würzburg sei er auf diesen einprägsamen Namen für seine Erfindung gekommen, erzählt Jochen Rößler. Die Bezeichnung beinhaltet bereits die zwei maßgeblichen Aspekte dieses Nachrüstungs- und Optimierungstools: den maximalen Schutz der Fledermäuse und die intelligente, weil flexible Anpassung an die individuellen Kenngrößen des jeweiligen Windparks, um eine optimale Betriebszeit zu realisieren.
Bislang verloren Windparkbetreiber durch die pauschalen Abschaltungen fünf bis sechs Prozent ihres Jahresertrags. Mit „Fleximaus“ sind es nur noch bis zu zwei Prozent, wobei der Artenschutz damit noch besser eingehalten werden kann.
Bei der Firma Bosch in Ansbach machte Jochen Rößler zunächst eine Ausbildung zum Elektrotechniker. Danach setzte er noch ein Studium der physikalischen Elektrotechnik drauf. Bei der Firma Areva hat er sich anschließend mit Kerntechnik beschäftigt. „Und dann habe ich meine eigene Energiewende vollzogen“, sagt der 35-Jährige. Der Bereich Windenergie faszinierte ihn bereits während des Studiums. Und so wechselte er 2012 zu der Firma „Wust-Wind&Sonne“ nach Markt Erlbach, die Bürgerenergiegesellschaften betreut. Dort war er als technischer Betriebsführer für Windkraftanlagen tätig. 2014 machte er sich im Nebenerwerb selbstständig und übernahm Aufträge für Windparkbetreiber. Seine Firma „EE-TechService“ kümmerte sich dabei um den technischen Service für Übergabestationen sowie den Entstördienst zur Vermeidung von langen Stillständen der Wind- und Solarparks. Doch schon bald wurde ihm bewusst: „Da fehlt etwas“. Und so entstand die Idee für „Fleximaus“.
Der gebürtige Schillingsfürster ist so überzeugt von seinem Produkt – und die Nachfrage bestätigt ihn auch darin –, dass er den Sprung in die komplette Selbstständigkeit gewagt hat. Seit Februar ist er nun sein eigener Chef und neben Christian Freiman und Reinhard Kirchner Gesellschafter bei der „Fleximaus GmbH & Co. KG“ mit Sitz in Faulenberg. Ein festangestellter ITler ist der erste personelle Zuwachs in dem „Start-up“, demnächst soll eine Bürokraft folgen.
Der Heimat verbunden
Für Jochen Rößler, der im Schillingsfürster Stadtrat sitzt und in Geslau eine Volleyball-Mannschaft trainiert, ist Heimatverbundenheit besonders wichtig. Und so wird eine eventuelle Vergrößerung des Unternehmens – bislang befindet sich das Übergangsbüro noch im Wohnhaus der Familie – sehr wahrscheinlich in der Region erfolgen.
Eine gesetzliche Auflage hält Windanlagenbetreiber dazu an, sich um den Fledermausschutz zu kümmern. Hierfür werden in einem ersten Schritt Mikrofone vom Betreiber eingebaut, die erfassen, unter welchen Bedingungen Fledermäuse sich in unmittelbarer Nähe der Rotorblätter dieser Windräder tummeln. Da sie in unseren Breiten im Winter nicht unterwegs sind, betrifft die fleder-mausbedingte Abschaltung vor allem den Zeitraum von April bis Oktober.
Sensor am Windrad, mit dem Temperatur (links) und Regen (rechts) gemessen wird.
An Standort angepasst
Die Uhrzeit ist einer der Parameter, die erfasst werden. Denn in der Regel fliegen Fledermäuse erst nach Einbruch der Dunkelheit. Es gibt aber durchaus Gegenden, da muss schon vor Sonneruntergang ein Windrad abgeschaltet werden – und genau auf diese für jeden Windpark standortspezifischen Bedingungen kann „Fleximaus“ problemlos eingehen. Ebenfalls erfasst wird die Temperatur. Meist sind Fledermäuse erst bei über 10 Grad unterwegs. Man muss aber bedenken, dass sich auch Turm und Gondel des Windrads erwärmen und dadurch Insekten anziehen, die wiederum die Fledermäuse auf den Plan rufen.
Den Niederschlag darf man ebenfalls nicht außer Acht lassen. Be- obachtungen zeigen, dass Fledermäuse bei Regen gezielt über Seen und Weiher nach Nahrung suchen, weil die auf der Wasseroberfläche auftreffenden Regentropfen Insekten aufschrecken, die dadurch zu leichter Beute werden. Fledermäuse sind dann – und ab einer bestimmten Windstärke – eher seltener im direkten Umfeld von Windrädern anzutreffen.
Diese für die Windräder gemessenen Daten werden von externen Gutachtern ausgewertet und in einen Algorithmus umgewandelt. Und hier kommt „Fleximaus“ ins Spiel. Das Optimierungstool läuft auf einem Industrie-PC, der sich zusammen mit einer Baugruppe zum Auslesen der Sensoren am Windrad, in einem Schaltschrank befindet. Dieser graue Kasten wird per Kabel mit der Windkraftanlage verbunden.
Zuhause am PC-Bildschirm lassen sich dann in Echtzeit die am Windrad vorherrschenden Bedingungen verfolgen. Sie werden mit der Tabelle, die auf Basis des Algorithmus erstellt wird, permanent abgeglichen. Sobald alle vier Parameter im roten Bereich sind – also wenn es wahrscheinlich ist, dass Fledermäuse in der Nähe des jeweiligen Windrads sind und zu Schaden kommen könnten – wird es sofort automatisch abgeschaltet.
Innerhalb von 40 Sekunden kommen die Rotorblätter dann nahezu komplett zum Stillstand. Doch schon bereits wenn der Abschaltvorgang mit dem Herausdrehen der Rotorblätter aus dem Wind eingeleitet wird, ist das Gefahrenpotenzial für die Fledermäuse deutlich reduziert. Denn die Tiere kommen durch den von den Rotorblättern erzeugten Unterdruck, ums Leben.
Innerhalb von sechs Minuten
Wechselt ein Parameter wieder auf Grün wird zunächst ein Systemcheck durchgeführt, ob technisch alles in Ordnung ist. Nach maximal sechs Minuten ist das Windrad dann wieder voll in Betrieb. Schlägt „Fleximaus“ wegen einer technischen Störung Alarm, wird das Team der „Fleximaus“ sofort per SMS darüber informiert. Datensicherheit wird bei dem Start-up groß geschrieben. Deshalb haben die Betreiber der Windparks keinen direkten Zugriff auf „Fleximaus“, die zudem per Firewall geschützt ist. Ihnen werden lediglich die Daten zur Verfügung gestellt, um zu sehen, wann welches Windrad zum Schutz der Fledermäuse abgeschaltet werden musste.
Die Einhaltung der Abschaltbedingungen kann somit unkompliziert und schnell nachgewiesen werden und dem Windparkbetreiber wird Rechtssicherheit garantiert, da alle Vorgaben des Genehmigungsbescheids nachweisbar umgesetzt werden. Ein weiterer Vorteil: Das System ist herstellerunabhängig und kann jederzeit in bestehenden Windparks nachgerüstet werden.
Ziel: 1000 Windräder
Mit einer „Fleximaus“ lassen sich mehrere Windräder steuern. Aktuell ist „Fleximaus“ in 50 Windparks in ganz Deutschland zur Steuerung von 149 Windrädern im Einsatz, etwa in Bettenfeld, aber auch im restlichen Bayern sowie in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das nächste Ziel, das sich das junge, aber umso ambitioniertere Unternehmen gesteckt hat: An 1000 Windrädern den Fledermausschutz mit „Fleximaus“ umzusetzen. Hierfür waren Jochen Rößler und Christian Freiman im vergangenen Jahr auf der „WindEnergy Hamburg“, der Weltleitmesse zum Thema Windenergie, um sich und „Fleximaus“ potentiellen Kunden vorzustellen. Dies war nur möglich, weil man durch einen Zuschuss des Bundes einen günstigen Messestand erhielt.
Die Eroberung des europäischen Auslandsmarktes und eine noch größere Präsenz auf dem deutschen Markt sind durchaus realisierbare Ziele. Lediglich ganz im Norden könnte es etwas schwierig werden, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Denn bei den dort erzielten hohen Erträgen, „tun die Abschaltungen noch nicht so weh“, erklärt Jochen Rößler. Mit anderen Worten: Der Druck zur Optimierung der Abschaltzeiten mit Hilfe von „Fleximaus“ ist noch nicht groß genug.
Verbesserte Mahdabschaltung
„Wir sind extrem froh, dass es so gut klappt“, zieht der Geschäftsführer eine erste Bilanz des Erreichten. Und die nächsten Schritte werden bereits in Angriff genommen. So tüftelt man mit vier jungen externen ITlern aus Rothenburg, Kempten und Würzburg schon an „Fleximaus 2.0“, die unter anderem eine verbesserte Mahdabschaltung verspricht. Manche Windanlagen müssen nämlich laut Auflage abgeschaltet werden, wenn in einem bestimmten Umkreis gemäht wird. Denn die dabei aufgeschreckten Wiesen- und Feldbewohner locken Fressfeinde an – etwa den Rotmilan –, denen die Rotorblätter ebenfalls zum Verhängnis werden könnten.
Darüber hinaus begibt man sich mit einem eigenen Forschungsvorhaben auf wissenschaftliches Terrain, um die bisherigen Erkenntnisse zu ergänzen. So möchte man selbst untersuchen, wie sich Fledermäuse im Windpark verhalten. Bislang werden Daten dazu nur an einzelnen ausgewählten Windrädern eines Windparks erhoben. Das Team um „Fleximaus“ plant hingegen den kompletten Windpark mit Monitoringgeräten auszustatten. Dadurch kann auch das Verhalten von einzelnen Windrädern zueinander analysiert werden. mes
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