Emojis inszeniert
Mit Kommunikationsphänomen experimentiert
ROTHENBURG – In der neuen Kunstausstellung im Rathausgewölbe, die am Freitagabend eröffnet wurde, haben die Festspiel-Kontrahenten Magdalena und Tilly in der Abbildung ein ungewöhnlich gelbes Gesicht. Sie keift. Er schaut ratlos. Der Mensch als Emoji. Eine schlichte Verhohnepipelung der „Meistertrunk-“-Szene. Aber auch eine originelle Kreation. Das Ganze wirkt wie eine Persiflage auf Kunst.

Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe macht mühelos gemeinsame Sache. Foto: Schäfer
Wer Whatsapp, Facebook oder iMessage nutzt, hat den Gag schnell erkannt. Anstelle von Gesichtern haben diese Figuren kleine bunte Symbole. Wie kleine Abziehbildchen kleben die falschen Emoji-Gesichter auf Festspiel-Szenen oder tauchen auf überraschende Art und Weise im Stadtgebiet auf. In der Kombination der Zeichen- und Maltechnik mit Tusche und Aquarell.
Den Machern der Kunstausstellung im Rathausgewölbe geht es darum, Dinge, die uns umgeben, in einen anderen Kontext zu setzen und dadurch anders beobachtbar zu machen: das bekannte Motiv der Pechmaske vom Burgtor als „Kotz-Moji“ aus Gips. Rothenburger Schneeballen in Techniken der bildenden Kunst als „Schnee-Moji“.
Das Toppler-Schlösschen in Acrylfarben aquarelliert mit einem zu einem lachenden Halbmond verbogenen Mund oder Straßenpflaster mit „Emoji-Blitz“ wegen der Gefahr für Stöckelschuh-Absätze. Daneben handgemachte skulpturale Arbeiten aus verschiedenen Hölzern, deren Farben, Strukturen und Maserungen zusammen mit Gefühlsbildern in Kunst transformiert werden.
Die bunten Bildchen lassen sich auch als Stimmungs-Statement für den Veranstaltungskalender verwenden. In der Regel sind die Piktogramme selbsterklärend und eine Art Universalsprache. Interessant die stilistische Reduzierung des Rothenburger Stadtplans. Mit Hilfe der Kunst bekommt er eine menschliche Note, indem ein Herz oder ein „Daumen hoch“ hineinkondensiert werden.
Bei den Künstlerinnen und Künstlern handelt es sich um eine zusammengewürfelte Gruppe aus Grafikdesignern, angehender Mediengestalterin und Tischlerin. Die Idee zu der Ausstellung entstand aus einer Laune heraus und wurde von Carmen Hiller in die Tat umgesetzt. Die Rothenburgerin konnte mit Maximilian Ohr, Pauline Pehl (ebenfalls Rothenburg), Sabine Boas aus Finsterlohr, Bettina Löhr-Hentz aus Reinsbronn und Veronika Herberger aus Bad Waldsee weitere künstlerisch Tätige aus ihrem Arbeitsumfeld und Bekanntenkreis gewinnen. Unterstützt wurde das Projekt von Robert Nehr vom Rothenburg Tourismus Service. Als Vertreter der Stadt gab Bürgermeister Kurt Förster der Gruppe mit seinem Besuch die Ehre, denn die Kreativität in der Stadt will gepflegt werden. Musikalisch untermalt wurde die Vernissage von den beiden Posaunisten Michael Kamleiter (Mitglied der Blaskapelle Gattenhofen) und Walter Melcher (Musiker im Landesblasorchester Baden–Württemberg). Ein gutes Kontakte-Netzwerk zahlt sich eben aus, um gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.

Digitale Symbole für Gefühlsausdrücke und Situationen: Lachende Gesichter auf Holz, Mimik bei Festspiel-Darstellern und ein stark stilisierter Blick – zu sehen in der Ausstellung im Rathausgewölbe. Foto: Schäfer
Emojis und Emoticons, diese mittlerweile jede Lebenslage illustrierenden Bildchen und Zeichenfolgen, sind fester Bestandteil der Online-Welt, Die kleinen Bildchen nutzen viele, die über Apps wie WhatsApp, iMessage, Instagram oder Twitter Nachrichten verschicken. Mittlerweile sind die kleinen Symbole so präsent, dass große Unternehmen auf den Trend aufspringen. Die Beherrschung von Emojis gehört heute zur digitalen Alphabetisierung.
Auch in der Popkultur haben sie Einzug gehalten. Disney erzählt auf seinem You-Tube-Kanal Filme im Emoji-Stil, ganze Songtexte werden mit den Bildchen nachgespielt. Die Automarke Chevrolet verschickte sogar eine Pressemitteilung in Emoji. Selbst der Literaturklassiker „Moby Dick“ wurde als „Emoji Dick“ in die Bildsprache übersetzt. Eine Sicherheitsfirma überlegt, statt Zahlen Emojis für Passwörter zu verwenden. Das New Yorker Museum of Modern Art hat Original-Emojis in seine Sammlung aufgenommen.
Man kann das natürlich leicht als „Digitalunfug“ abtun. Was auf dem Handy getippt wird, soll Kunst sein? Immerhin sind die Emojis mittlerweile so relevant und präsent, dass man sich sogar Gedanken um ihre politische Korrektheit macht.
Grundsätzlich sagt ein Bild sprichtwörtlich mehr als tausend Worte. Das Kommunikationsphänomen Emoji inspiriert zum Experimentieren. Das zeigt die Ausstellung im Rathausgewölbe. Sie ist noch bis zum kommenden Freitag zu sehen: täglich von 14 bis 19 Uhr. sis
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