In den Wirren der Finanzberater
Geschichte um die Insolvenz der Firma Erhard läßt Fragen unbeantwortet – Klagen eingereicht
ROTHENBURG – Wenn nach einer 130jährigen Firmengeschichte ein erfolgreiches Familienunternehmen Insolvenz anmeldet, dann muss dies nicht unbedingt das Aus sein. Die Entwicklung beim einstigen Rothenburger Traditionsbetrieb Sport-Erhard weist jedoch mehrere Facetten einer besonderen Tragik auf. Kurt Erhard spricht von „Enteignung eines Familienunternehmens durch die Bank“ und es sind Teil-Klagen anhängig, die bei Erfolg zu Millionenforderungen führen sollen. Die Bank weist das weit von sich.
So oder so ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen: der Privateigentümer und seine Familie haben längst nichts mehr zu sagen, ja sogar alles verloren. Kurt Erhard fühlt sich hinters Licht geführt, er habe zu blauäugig auf eine hundert Jahre dauernde Firmen-Zusammenarbeit mit der örtlichen Sparkasse vertraut und sei letztlich enttäuscht worden. Von dort wird das allerdings ganz anders gesehen: Man habe als einziges unter mehreren Geldinstituten (die teils frühzeitig bei Erhard ausgestiegen sind) bis zuletzt „alles für die Rettung des Unternehmens getan“, der Vorstand kann die massive Kritik nicht nachvollziehen. Schließlich saß auch Erhard lange genug selbst am Steuer der Unternehmensleitung und trägt große Verantwortung.
Die Kanzlei für Unternehmer, elixir Rechtsanwälte Frankfurt am Main, hat nun im Frühjahr Klagen gegen die Sparkasse Rothenburg und den Geschäftsführer Dr. Jan Clasen der Bayern Consult Unternehmensberatung GmbH München eingereicht. Anwalt Uwe Martens war bis Ende 2010 noch selbst im Erhard-Aufsichtsrat, wurde aber gekündigt und hat heute noch eigene Forderungen einzubringen. Es sind erstmal Teilklagen um lediglich mehrere tausend Euro, deren Erfolg aber dann zu Klagen um einige Millionen führen würde, außerdem gibt es eine weitere Zivilklage. Ob das alles überhaupt dazu kommen wird, kann man erst nach dem Ergebnis der Teilklage sagen.
Das 1880 gegründete Unternehmen war bis 2011 im Familienbesitz, dann mußte die Erhard Sport International GmbH & Co.KG als einer der führenden Sportgerätehersteller Insolvenz anmelden. Kurt Erhard sieht die Gründe unter anderem im zu hohen Personalstand sowie in der Bankenkrise 2008 und dem allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld. Ab 2010 stiegen die Verluste: von 74000 über eine halbe Million auf gleich 2 bis 4,6 Millionen 2012, wobei es hier laut Erhard eine Bilanzdiskrepanz gibt, die zu klären wäre. In der Spitze setzte Sport Erhard über 30 Millionen um.
Treuhandvertrag greift
Seit dem Treuhandvertrag September 2011 hatte Kurt Erhard nicht mehr das Sagen, er mußte 51 Prozent Geschäftsanteile abtreten und verließ sich, wie er betont, auf die Zusage, dass nach Abwicklung der Sanierung die Familie wieder zurückkehren könne. Sein Vorwurf: „Die Existenz der Familie Erhard wurde vernichtet, der Verkauf des Unternehmens an einen Finanzinvestor sogar vor der Insolvenzanmeldung vereinbart und vor der Eröffnung notariell besiegelt!” Den ge-samten Privatbesitz hat Erhard allerdings selbst schon vor Jahren als Sicherheit der Bank überschrieben. Heute sieht er sich mit Millionenforderungen in der Haftung konfrontiert. Der Prozess ist seine letzte, vage Hoffnung.
Dem Insolvenzverwalter Joachim Exner und dem Gläubigerausschuß ist sicher kein Vorwurf zu machen, dass aufgrund der Angebotslage die Deutsche Mittelstandsholding GmbH Frankfurt am Main, den Zuschlag erhalten hat. Sie lebt von Betriebssanierungen und investiert auch in übernommene Betriebe. Derzeit gehören zur Holding-Gruppe: die Stonner IP, die Schliesing Machinery, die Arreda Systems, die Tacco Footcare International und die Erhard Sport International GmbH.
Der neue Erhard-Eigner nahm in-nerhalb von nur acht Monaten gerade den zweiten Geschäftsführerwechsel vor und anstatt des bis vor kurzem noch in Presse-Infos gelobten Erhard Seeger (der auf Clemens Weigand folgte) ist seit 1. Juni 2015 Martin Gustenberg eingesetzt. Zu den Gründen äußert man sich nicht. Gustenberg soll als Experte für Kostenmanagement (Expense Reduction Analyst), die Ertragslage verbessern. Selbst von Gewerkschaftsseite ist heute zu hören, es wäre jede Lösung besser gewesen, bei der man den branchenerfahrenen Kaufmann Kurt Erhard in der Geschäftsführung belassen hätte.
Die Sparkasse betont, sie habe alles getan, um eine gemeinsame Lösung zu finden, aber es sei nicht möglich gewesen und Bankgeheimnisse kann man nicht preisgeben. Kurt Erhard spricht von „einem abgekarteten Spiel zur Enteignung der Unternehmerfamilie”. Man habe durch einen dummen Zufall bei einem Berater in der Gesprächsrunde sogar eine Notiz mit dem handschriftlichen Vermerk „Die Familie muß weg!” gesehen, was eidesstattlich belegt sei, empört sich Kurt Erhard.
Die dem Bankgeheimnis verpflichtete, verschwiegene Vorstandschaft der Sparkasse weist solche Absichten weit von sich. Das vorrangig mit Erhard befasste Sparkassen-Vorstandsmitglied Dieter Mai wundert sich auch deshalb darüber, weil sich Kurt Erhard anfangs mit den Beratern von Bayern Consult sehr gut verstanden und sogar selbst deren weitere Mitarbeit befürwortet hat. Kurt Erhard bestreitet das auch gar nicht, meint aber aus heutiger Sicht: „Leider hat sich meine Einschätzung schon bald als falsch erwiesen”.
Die Beraterkosten sind einer der diskutablen Kritikpunkte. Die Bayern-Consult-Beratung erreichte 2011 wöchentlich bis zu 20 000 Euro und insgesamt waren 145000 Euro plus Steuer fällig. Eine von Anwaltsseite vorgelegte Alternative eines angeblich die Kriterien auch erfüllenden Fachberaters für rund 40000 Euro habe die Sparkasse abgelehnt, wofür diese sich auf handfeste Gründe beruft. Die gesamten Restrukturierungsaufwendungen liegen bei rund drei Millionen Euro, sie beinhalten aber alles, was für Sanierung und Beratung investiert wurde.
Mitbieter-Kritik
Als zweiter Bieter außer der Mittelstandsholding trat ein Unternehmer aus Südbayern auf, der u.a. in Rothenburg bereits in mehrere Immobilien investiert hat. Sein Kaufangebot sei nicht ausreichend abgesichert gewesen, heißt es. Die Gegenseite aber meint, sie könne das eindeutig anders belegen, es seien sogar noch zusätzlich Grundstücke und weitere große Barmittel als Sicherheit eingebracht worden. Sein Konzept sah eine Sanierung der Sport-Firma unter Einbeziehung der Familie Erhard vor. Sein Eindruck war, man habe das einfach nicht gewollt, ihn nicht ausreichend in das laufende Bieterverfahren einbezogen und unzureichend informiert. Eine „Heuschrecke der Finanzwelt zusammen mit inkompetentem Management“ habe dafür den Betrieb übernommen – so die drastische Formulierung des unterlegenen Bieters. Der Nürnberger Bezirksleiter Roland Nosko von der zuständigen (im Betrieb gut organisierten) Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (BCE) hat derzeit eine Feststellungsklage der Gewerkschaft zur Gültigkeit des noch mit Geschäftsführer Weigand abgeschlossenen Haustarifvertrages laufen.
Das Verhalten der Leitung der letzten Jahre hat aus Noskos Sicht eher „nach geheimer Kommandosache als nach Firmen-Innovation“ ausgesehen. Das Sanierungskonzept von Bayern-Consult als ein zum Sparkassennetz gehörendes Unternehmen, bezeichnet er als eine „Frechheit” und meint dazu: „Den Text kann man sich im Internet runterladen, das sind Standards, da wird fast nur der Firmenname geändert!”
Für Roland Nosko ist zumindest eine Mitschuld durch das Bankhandeln am Niedergang des bundesweit renommierten Unternehmens nachvollziehbar. Man habe „Kredite gegeben ohne genau hinzuschauen und dann Panik bekommen, dass man sein Geld nicht mehr kriegt!” Schließlich sei dem finanzierenden Institut „keine bessere Idee gekommen, als Bayern Consult mit sehr teuren Gutachten einzuschalten“. Nosko: „Dann haben sie den Erhard eliminiert!” Dem Insolvenzverwalter sei nichts anderes übriggeblieben, als aufgrund der Fakten an die Mittelstandsholding GmbH zu verkaufen. Deren Kaufpreiszahlung in einer Größenordnung von rund 5,5 Millionen Euro ist nach unseren Recherchen weitgehend abgewickelt, es geht aber offenbar noch um einen Restbetrag, der im Zusammenhang mit der Klärung von Bewertungsfragen steht.
Hoher Markenwert
Der gute Ruf von Sport-Erhard drückt sich schon im Markenwert von 2,4 Millionen Euro aus, wobei die Marke an die Bank als Sicherheit verpfändet wurde. Sicher hat der Unternehmer Kurt Erhard seinen Anteil an der negativen Firmenentwicklung, das läßt sich nicht so einfach alles der Bank zuschieben. Schließlich drückt ihn persönlich die Last einer Haftung in Millionenhöhe, und schon unter seiner Führung hätte wohl manche Weiche neu gestellt werden müssen. Trotzdem bleiben etliche Ungereimtheiten in der ganzen Abwicklung. Wann das Insolvenzverfahren endet, ist im Moment noch offen.
Insolvenzverwalter Joachim Exner hat seinen Job gemacht und erstmal für den Erhalt des Unternehmens gesorgt. Dessen Fortbestand gilt es weiter zu sichern. Viel Lob gibt es von allen Seiten für den Einsatz der Belegschaft, die trotz finanzieller Einbußen und bestehender Unsicherheit immer noch hinter ihrer Firma steht. Das ist eigentlich das wichtigste Kapital, das nicht verspielt werden darf. diba
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