Klangkaskaden und Arpeggiofontänen
Ausnahmepianisten lassen beim Abschlusskonzert des Liszt-Meisterkurses jubeln
SCHILLINGSFÜRST – Zwei Ausnahmepianisten gastierten auf Schloss Schillingsfürst – beide herausragende Meister ihres Fachs, Gewinner zahlreicher internationaler Wettbewerbe, Tastenvirtuosen und Tastenzauberer. Mit ihnen arbeitete Leslie Howard, „bester Liszt-Kenner der Welt“, so Hausherr und Mitglied des Kuratoriums „Neue Liszt-Stiftung“, Constantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, im Rahmen des 4. Meisterkurses für Klavier.

Begeisternd: Leslie Howard und seine zwei Meisterschüler bei der sechshändigen Zugabe. Foto: Schwandt
Der erst 19-jährige Dominic Chamot eröffnete den Abend mit den sogenannten Eroica-Variationen op. 35 von Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) und zog das Publikum in seinen Bann. Begeisternd die klanglich bestechende, individuelle Interpretation jeder einzelnen der 15 Variationen zur schlichten lyrischen Melodie, berauschend die grandios aufgebaute, spannungsreiche Fuge, die in einer Hommage an das Ausgangsthema gipfelt.
Anerkennender Beifall, erste Bravorufe – es folgt die Opernphantasie zu Bellinis Norma. Franz Liszt (1811 – 1886) nennt seine Bearbeitung Reminiszenz, wohl ein Hinweis darauf, dass er aus Bellinis vorhandenem Opernmaterial musikalisch Neues schaffen wollte. Chamot unterstreicht dieses Ansinnen: Er schließt das Werk harmonisch auf, zelebriert es temporeich und kraftvoll mit ganzem Körpereinsatz. Klangteppiche liegen unter den klar herausgespielten Bellini-Motiven, Chamot entwickelt eine gigantische Dynamik und Virtuosität und verdeutlicht dem Publikum, es ist unverkennbar Liszt, den sie hören, nicht Bellini.
Zwei Sterne
Klangkaskaden und Arpeggiofontänen seien erklungen, so Professor Christoph Stölzl begeistert, das Publikum erlebe eine unglaubliche Kunst – „Wir schauen zu den Sternen.“ Wer zur Teilnahme am Meisterkurs eingeladen wird, habe bereits Musikpreise bei internationalen Wettbewerben gewonnen, insbesondere Auszeichnungen für „Liszt“-Interpretationen erhalten. Sie werden vom Liszt-Experten Leslie Howard herausgefordert, die Darstellung der perfekt einstudierten Werke wird „poliert“. Und an das Publikum gewandt: „Jeder Stern braucht jemanden zum Zuschauen.“
Der aus Russland stammende Pianist Vitaly Pisarenko (geb. 1987) ist auf Schloss Schillingsfürst kein Unbekannter, hat er doch schon einmal am Meisterkurs teilgenommen. Auch er eröffnet seinen Konzertpart mit Ludwig van Beethoven und seiner Interpretation der „Grande Sonate Pathétique“ in c-moll, op. 13. Im Alter von 28 Jahren komponierte Beethoven seine Pathétique, er spürt bereits erste Anzeichen seiner Ertaubung.
Die langsame Einleitung wirkt schwermütig, gewaltig lässt Pisarenko daraus das kräftige „Allegro molto“ ausbrechen, inniglich und gefühlvoll interpretiert er das „Adagio cantabile“ und gipfelt kraftvoll im Rondo.
Großer Applaus des Publikums, doch Pisarenko hat noch ein gewaltiges Werk vor sich: Neun Bilder-Etüden von Sergej Rachmaninow („Études-Tableaux“ op. 39). Bereits während des Unterrichts war Leslie Howard von der Interpretation durch Vitaly Pisarenko beeindruckt.
Im Konzert zeigte Pisarenko dann eine großartige Leistung. Technisch perfekt und leidenschaftlich beseelt zeichnete der Pianist die Stimmungen der einzelnen Klangbilder nach und ließ das gebannt lauschende Publikum die Vielseitigkeit und Virtuosität Rachmaninows erleben – spannend, grandios, einzigartig!
Der Schillingsfürster Bürgermeister, Michael Trzybinski, überreichte schließlich gemeinsam mit seiner Durchlaucht, Fürst Constantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, die Marie-zu-Hohenlohe-Medaille: Dominik Chamot erhielt diese als Auszeichnung für seine erstmalige Teilnahme am Meisterkurs auf Schloss Schillingsfürst, Leslie Howard für sein grandioses Engagement als Meisterkursleiter und Maria Haack (stellvertretend nahm ihr Mann die Medaille entgegen) als Hauptsponsorin der Kulturwoche.
Das Publikum bejubelte die Interpreten, ließ sich von den beiden vier- und sechshändige Zugaben in Form einer Dvorak- und einer Rachmaninow-Romanze, letztere mit dem Maestro Leslie Howard, zu Beifallsstürmen hinreißen.
So stellt sich die Frage, ob Steigerungen eigentlich noch möglich sind für einen solchen Abschluss eines Listz-Meisterkurses. Schloss Schillingsfürst ist ein Ort, wo die Musik von Franz Liszt authentisch aufgeführt werden kann, so Professor Dr. Christoph Stölzl, Vorsitzender des Kuratoriums „Neue Liszt-Stiftung“.
Ein Originalinstrument, vielleicht ein Fortepiano aus dem Hause Érard, könnte für noch mehr Authentizität sorgen – nicht als Alternative, sondern als faszinierende Ergänzung mit der Möglichkeit historischer Spielpraxis und damit einem ganz anderen – vielleicht auch originaleren Weg der Interpretation. -sw-
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