Nach vielen erfolglosen Anläufen
Dreißigjährige fiel selbst bei Hartz 4 durch das Raster – „Projektschmiede“ als Anker
ROTHENBURG – Xenia Henkel (30) ist glücklich. Sie hat nach vielen erfolglosen Anläufen und Jahren, in denen sie durch alle Raster fiel (selbst bei Hartz 4), endlich eine Stelle gefunden, bei der sie sich beweisen und ihre Stärken einbringen kann. Sie ist bei der Beschäftigungsinitiative „Projektschmiede“ untergekommen, ordnet dort die Bücherei und arbeitet sich in die Verwaltung ein. Ihr gefällt es dort gut.

Xenia Henkel ordnet bei der „Projektschmiede“ mit Begeisterung den Bestand an Gebrauchtbüchern. Foto: Weber
Ab 1. September kann sie in den Bundesfreiwilligendienst übernommen werden und erwirbt auf diesem Weg Sozialversicherungsansprüche. Die „Projektschmiede“ zahlt 1000 Euro im Monat und bekommt 350 Euro davon über das Diakonische Werk als Zuschuss. In ihren eigenen Worten erzählt sie ihren bisherigen Weg. Er zeigt exemplarisch, wie wichtig solche Beschäftigungsinitiativen für Menschen sind, die bisher auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht angekommen sind und für die der zweiten Arbeitsmarkt die Chance bietet, doch noch dort eine Stelle zu finden:
„Die Schule habe ich im Jahr 2000 zunächst mit dem Hauptschulabschluss beendet. Danach habe ich eine Ausbildung zur Kinderpflegerin/ Erzieherin begonnen. Im zweiten Lehrjahr habe ich mich aufgrund schlechterer Noten und Probleme mit den Kindern und auch mit meinen Mitschülern in der Berufsschule dazu entschlossen, diese Lehre zu beenden. Nun war ich auf der Suche, nach einer neuen Ausbildung. Und war mehrmals zur Beratung beim Jobcenter (damals noch Arbeitsamt). Ich sollte mich einfach bewerben, dabei musste ich mich erst mal neu orientieren. Es gab keine vernünftigen Angebote vom Jobcenter und auch sonst keine Hilfe.
Gar nicht auf die Idee gekommen
Bis eine Bekannte meiner Eltern vom Kolping-Bildungswerk erzählt hat. Als wir beim nächsten Termin nach dieser Möglichkeit gefragt haben, hat der Berater gemeint, „das wäre schon eine Möglichkeit!” Wir mussten das herausfinden. Er war gar nicht auf die Idee gekommen, uns das vorzuschlagen.
Dann hat der Berater bei der Kolpingstelle in Bad Windsheim angerufen und mich dort angemeldet. Von 2003 an habe ich dort ein Berufsvorbereitendes Jahr gemacht – mit allgemeinem Unterricht, Bewerbungstraining und mehreren Praktika, unter anderem auch im Wildbad Rothenburg. Meine Tante hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Für diese Zeit fiel ich wieder aus der Statistik. Als das Jahr zu Ende ging, habe ich mich dazu entschlossen, ab September 2005 eine weitere Ausbildung als Hauswirtschaftshelferin zu beginnen.
Von September 2005 bis einschließlich März 2007 ging die Ausbildung, die ich mit der „Mittleren Reife” abschließen konnte. Ich versuchte auch noch den Abschluss als staatlich geprüfte Hauswirtschafterin zu machen. Die theoretische Prüfung habe ich bestanden, die praktische Prüfung nicht, weil ich die Aufgaben in der vorgegebenen Zeit nicht beenden konnte. Durch meine Behinderung kann ich manche Arbeiten nicht so schnell erledigen.
Danach wurde ich aus „personellen Gründen“ gekündigt. Auch mein Schwerbehindertenausweis konnte daran nichts ändern. Bei späteren Bewerbungen war dieser Ausweis auch mehr hinderlich als nützlich. Daraufhin wendete sich mein Stiefvater an den Landesbischof in München und erklärte unsere Situation. Ich konnte dadurch noch ein halbes Jahr Teilzeit im Wildbad arbeiten. Ich war immer bemüht, meine mir aufgetragene Arbeit gut zu machen, habe auch keine Wochenendarbeit gescheut, war immer da, wenn ich gebraucht wurde. Die Arbeit hat mir sehr großen Spaß gemacht und auch im Kollegenkreis hab ich mich sehr wohl gefühlt.
Keinen Anspruch
Nach diesem halben Jahr wurde ich im September 2008 endgültig entlassen. Danach bewarb ich mich in diversen Hotels in Rothenburg und Umgebung als Zimmermädchen oder für die Küche. Ich musste aber beim Probearbeiten feststellen, dass mich das Arbeitspensum überfordert. Den Anforderungen in der freien Wirtschaft war ich also nicht gewachsen. Meine Eltern und ich erkundigten sich bei der Lebenshilfe. Wir hatten ein Gespräch mit dem Leiter der Lebenshilfe in Brodswinden. Er machte uns Mut und Hoffnung auf einen Arbeitsplatz in den Werkstätten oder in der Kantine.
Daraufhin gingen wir wieder zum Arbeitsamt, wo man uns mitgeteilt hat, dass ich keinen Anspruch auf einen Platz bei der Lebenshilfe habe. Begründung: Ich hätte schon meine Ausbildung in der Lebenshilfe absolvieren müssen. Da ich aber eine Ausbildung in einem Betrieb der freien Wirtschaft machte, habe ich bewiesen, das ich durchaus in der Lage bin einen regulären Arbeitsplatz zu finden. Dies wurde durch die Untersuchung eines Psychologen bestätigt.
Bei einem weiteren Gespräch mit dem Arbeitsamt habe ich mich nach einer Umschulung zur Bürokauffrau erkundigt. Es wurde mir gesagt, das hätte keinen Sinn, es gebe ohnehin schon zuviele Bewerber. Dann wurden mir Stellen angeboten vom Arbeitsamt, Ich sollte z.B. für drei Stunden am Tag nach Nürnberg fahren. Oder ich sollte für einen Monat als Bürobote arbeiten. Beim Vorstellungsgespräch stellt sich heraus, dass man eigentlich einen Mann für Hausmeistertätigkeiten suchte. Wieder war ich umsonst nach Ansbach gefahren.
Nach einem Jahr wurden alle Zahlungen eingestellt. Auch meine Krankenversicherung musste ich selbst bezahlen. Dann hat mich das Arbeitsamt zu einem sechsmonatigen Berufseingliederungskurs nach Ansbach geschickt. Diese Maßnahme wurde mir vergütet und bestand aus Computerkurs, Bewerbungstraining und Praktika. So kam ich für drei Monate das erste Mal in die Projektschmiede. Dort gefiel es mir gleich sehr gut. Während des Kurses habe ich sehr viele Bewerbungen geschrieben und entweder negative oder gar keine Antwort erhalten. So ging es auch anderen Kursteilnehmern. Es war eine frustrierende Erfahrung.
Ich habe versucht bei der Projektschmiede einen Arbeitsplatz zu bekommen. Voraussetzung war, dass man Sozialhilfe bezog. Ich war aber nicht Sozialhilfeberechtigt, da ich bei meinen Eltern wohnte und auch nicht ausziehen konnte. Auch über diese Möglichkeit hatten wir uns schon erkundigt. Das Arbeitsamt interessierte sich für meinen Fall überhaupt nicht mehr. Warum auch? Ich verursachte nun ja keine Kosten mehr und mutierte zur Karteileiche.
Aus lauter Verzweiflung
Ich verfolgte weiter die Stellenangebote in der Zeitung und im Internet. Ich bewarb mich immer wieder auf Stellenangebote, bekam aber nur selten Antwort. Dann habe ich in Creglingen eine Firma gefunden, die Heimarbeit vergibt, um wenigsten ein bisschen Geld zu verdienen. Auf Dauer rechnete sich das aber auch nicht. Der Weg war zu weit.
Aus lauter Verzweiflung haben wir es noch einmal bei der Lebenshilfe probiert. Trotz ständiger Bemühungen war ich jetzt seit vier Jahren arbeitslos. Meine Situation war inzwischen hoffnungslos. Vom Arbeitsamt wurde ich wieder zum Psychologen geschickt, der stellte diesmal innerhalb einer halben Stunde fest, dass die Lebenshilfe für mich nicht in Frage kommt. Ich kam mir vor wie ein Idiot!
Während dieser Zeit lag ich meinen Eltern auf der Tasche. Um sie, die beide voll berufstätig sind, wenigstens etwas zu entlasten, kümmerte ich mich daheim um den Haushalt und um meine Großeltern, denn sie haben mich immer unterstützt. So konnte ich wenigstens ein bisschen zurückgeben und kam mir nicht ganz so unnütz vor. Es war eine sehr schwere Zeit für mich.
Dann starb mein leiblicher Vater und hinterließ mir etwas Geld. Ich entschloss mich, einen Lehrgang bei einer Fernschule als Bürokauffrau zu belegen, um meine berufliche Qualifikation zu verbessern. Durch mein Erbe hatte ich nun die finanzielle Möglichkeit. Körperlich schwer arbeiten kann ich durch meine Behinderung nicht. Also musste ich eine andere Möglichkeit finden.
Wie ein Sechser im Lotto
Dann hat mein Stiefvater durch Zufall eine Anzeige der Projektschmiede entdeckt und sich entschlossen, da anzurufen und nachzufragen, ob sich vielleicht etwas geändert habe. Und das hatte es. Wir hatten einen Termin bei Karl Dehm. Er sagte mir, dass ich wieder in der Projektschmiede arbeiten könne. Es hätte sich viel geändert. Zuerst ging es nur ehrenamtlich und nach ein paar Monaten dann über den Bundesfreiwilligendienst. Ich habe alles dankbar angenommen, Und meine Ausbildung zur Bürokauffrau kann ich nun bestens einsetzen.
Ich war so glücklich, endlich wieder eine Arbeit zu haben. Das war wie ein Sechser im Lotto! Ich hab mich gleich sehr wohl und auch angenommen gefühlt. Die Menschen, die in der „Projektschmiede“ wieder einen Arbeitsplatz finden, haben alle eine schwere Zeit durchgemacht und sie können mich wohl deshalb gut verstehen. Solche Kollegen kann man sich nur wünschen.
Gut, dass es solche Einrichtungen gibt. Wir können jegliche Unterstützung gebrauchen. Was mich diese schweren Jahre gelehrt haben: Egal was im Leben auch kommen mag, irgendwie gibt es immer eine Lösung, man muss nur daran glauben. Auch meine Familie hat immer zu mir gehalten und an mich geglaubt, dafür bin ich sehr dankbar!“ -ww-
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