Den Zahn der Zeit ziehen

Spende trägt zur Restaurierung eines bedeutenden Archiv-Bandes bei

ROTHENBURG – Geburtstage sind dazu da, sich feiern zu lassen. Umso löblicher ist es, wenn man den eigenen Ehrentag zum Anlass nimmt, auch die Allgemeinheit zu beschenken. So bedachte Stadträtin Brigitte Klingler kürzlich das Stadtarchiv Rothenburg mit einer Spende, die in die Restaurierung eines ganz besonderen Archivale fließt.

Gemeinsamer Einsatz für den Erhalt eines wertvollen Schatzes für die Stadtgeschichte.  Fotos: Scheuenstuhl

Gemeinsamer Einsatz für den Erhalt eines wertvollen Schatzes für die Stadtgeschichte. Fotos: Scheuenstuhl

Manchmal ist es eine Qual das passende Geschenk für jemand zu finden. Brigitte Klingler wollte dies ihren Gästen ersparen und wünschte sich lediglich Bares. Aber nicht für sich: Bereits auf der Einladungskarte zu ihrem runden Geburtstag wurde preisgegeben, dass die Gaben an das Stadtarchiv fließen sollen. Stattliche 1000 Euro kamen so im orangenen Sparschwein zusammen, für die Archivarin Angelika Tarokic ohne groß zu überlegen gleich ein Verwendungszweck in den Sinn kam.

Brigitte Klingler weiß durch ihre Tätigkeit im Stadtrat aus erster Hand um den Zustand des Archivs. Dessen Leiterin habe dort „mit viel Herzblut darüber gesprochen, welches Kulturgut im Archiv verloren gehe“, wenn nicht oder falsch restauriert werde. In den letzten Jahren habe es keine Mittel für den Erhalt der historischen Dokumente gegeben, so Angelika Tarokic. Nun wurden wieder 10000 Euro in den Haushalt eingestellt und zusammen mit der überraschenden Finanzspritze können so weitere Archivalien erhalten werden.

Begeistert von Vorauswahl

Dementsprechend dankbar zeigte sich die Archivarin gegenüber der Spenderin für diese „verdammt hohe Summe“. Neben einer kleinen Aufmerksamkeit in Form eines prächtig blühenden Blumenstraußes sollte ihr deshalb die Ehre zuteil werden, ein Archivale auszusuchen, dem als nächstes eine fachmännische Frischzellenkur zugute kommen soll. Trotz dieses guten Vorsatzes konnte sich Angelika Tarokic dennoch nicht verkneifen, sich schon mal um eine besondere Vorauswahl zu kümmern, die bei Brigitte Klingler sofort auf Begeisterung stieß.

In trauter Übereinstimmung fiel die Wahl schließlich auf eine der wichtigsten Quellen in der Topplerforschung. Der Teilband A 778a der Aktenbände der Ehrbaren Geschlechter (Patrizierfamilien) mag vom Namen her recht unscheinbar daherkommen. Doch er zählt zu den bedeutendsten Archivalien des Stadtarchivs. Seine Laufzeit erstreckt sich von 1392 bis 1560.

Kaum eine andere Sammlung von Dokumenten wäre passender für die Spenderin gewesen. Seit 1861 ist die Familie Klingler schon auf dem Haus zum Golden Greifen, in dem Heinrich Toppler etwa um 1340 geboren wurde und auch lebte. Die Familie habe jeher einen großen Wert auf die Toppler-Tradition gelegt, erklärt Brigitte Klingler mit hörbarer Freude über die glückliche Fügung. Eine gute Wahl sei dieses Archivale, findet auch Stadtrat Peter Schaumann, der Pfleger für das Stadtarchiv ist.

Mit Handschuhen blättert die Restauratorin durch den Band, um Besonderheiten und Schäden zu zeigen.

Mit Handschuhen blättert die Restauratorin durch den Band, um Besonderheiten und Schäden zu zeigen.

Der ausgewählte Band ist eine Mischung aus verschiedenen Dokumenten und enthält eine große Anzahl von Urkunden aus Papier und Pergament. Ironischerweise, so die Archivleiterin Angelika Tarokic, wurden darin die Familien Toppler und Wern, die auf „unglückliche Weise“ miteinander verwoben waren, zusammengebunden. Heinrich Toppler sah in Großunternehmer Hans Wern einen Rivalen, den er mit Hilfe eines Ketzerprozesses aus dem Weg räumen wollte.

Durch das Eingreifen des Würzburger Bischofs kam dieser zwar mit einem Freispruch davon, war aber nicht außer Gefahr. Die umfangreichen Dokumente spiegeln Heinrich Toppler in seinen Rollen als Unternehmer, Privatmann, Diplomat und Stadtpolitiker wider. Das herausragendste Stück in dem Band ist das Salbuch Topplers von 1408. Darin werden alle Besitzungen mit Gültabgaben aus 118 Ortschaften aufgelistet. Toppler besaß 333 landwirtschaftliche Betriebe, 31 Häuser, 7 Mühlen und 990 Morgen Wald sowie 14 Seen.

Gute Papierqualität

Ein Ablassbrief von Papst Bonifacius IX. aus dem Jahr 1390 gewährte Toppler bei Todesgefahr die Vergebung all seiner Sünden durch seinen Beichtvater. Eine Vielzahl an Briefen seiner Nachkommen zeugen vom Tauziehen um sein Erbe. Zudem ist ein Büchlein mit Topplerwappen von 1501 zu frommen Stiftungen erhalten. Mit der Restaurierung wurde Fachfrau Henriette Reißmüller betraut. Die stelbstständige Diplom-Restauratorin aus Binzwangen kann sich dank der guten Papierqualität sofort an die Arbeit machen.

Es gibt keine Schimmelschäden oder zerknüllte Papiere, die einen größeren Aufwand für sie bedeuten. Aber: „Wenn man nichts an dem Band gemacht hätte, könnte man sich die 1000 Euro Spende eigentlich sparen“, spricht die Papierrestauratorin die vorhergehenden unsachkundigen Versuche der Erhaltung an. So wurden beispielsweise Seiten mit Tesafilm geklebt, der das Papier verfärbte und beschädigte.

Mit jeweils 500 Euro schlagen die Reparatur der verursachten Schäden sowie das Schließen der Risse zu Buche. Insgesamt wird die Restaurierung 2290 Euro kosten. Großen Schaden hat auch die „unglückliche Lagerung als Band“ angerichtet. Gerade die Siegel, darunter seltene Oblatensiegel mit Bienenwachs, wurden dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Ebenso hat man die historischen Dokumente irgendwie gefaltet und geknickt, um sie auf das einheitliche Format des Einbands zu bringen.

Aus diesem Grund werden die einzelnen Dokumente nach der Restaurierung nicht mehr gebunden, sondern lose in einer speziellen Mappe (etwa unbeschichtet, weichmacherfrei und säurefrei) aufbewahrt. Was einerseits gut für den Erhalt der wertvollen Dokumente ist, kann andererseits ihrer Sicherheit nachträglich sein. Lose Papiere lassen sich schnell einmal in die Tasche stecken. Und Diebstahl, so Angelika Tarokic, sei bei einigen Archiven bereits ein großes Problem. mes

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