Ein Anfang ist gemacht
Miteinander im Gespräch bleiben – Voneinander lernen
ROTHENBURG – Das Schülercoaching-Projekt an der Mittelschule ist aus den Startlöchern gekommen. Noch in den Sommerferien konnten zehn Tandems (jeweils ein Schüler und ein Coach) ihre Tätigkeit aufnehmen. Kürzlich fand die mittlerweile achte Team-Sitzung statt – diesmal mit Gästen.

Fähigkeiten zum Entfalten bringen und Kompetenzen entwickeln: Freiwilligkeit ist „Kitt“, der die Gesellschaft zusammenhält. Collage: priv
OB Walter Hartl war gekommen, um die ehrenamtlichen Lernbegleiter kennenzulernen. In seinem Grußwort hob er die Nachhaltigkeit des Projekts hervor: in der Regel dauert ein Tandem zwei bis drei Jahre. Dazu gehöre nicht nur ein großes Engagement sondern auch ein langer Atem und auch die Fähigkeit, die eigenen Erwartungen an schnellen Erfolg in Zaum zu halten. Besonderer Dank gelte den Initiatoren dieses Projekts, welches an den Mittelschulen in Burgbernheim und Bad Windsheim und in ganz Mittelfranken schon seit mehreren Jahren eingeführt ist.
Angefangen hatte die Planung des Projekts, angestoßen durch Irmgard Fischer von der Stelle für Gemeinwesen und Soziales, im Februar 2014. Damals trafen sich erstmals Rektor Markus Heindl und der „Geburtshelfer“ des Rothenburger Projekts Dr. Andreas Pauldrach zu einem ausführlichen Gespräch. Schnell war Einigkeit über die Sinnhaftigkeit und den Nutzen dieser Präventionsarbeit erzielt, die ab der 7. Klasse Schüler unterstützt, die ohne Hilfe wohl Schwierigkeiten mit Schulabschluss und Berufsfindung haben würden.
Elf Schüler meldeten sich für Tandems. Da dieses Präventionsprojekt nur funktioniert, wenn auf die „normalen“, institutionellen Autoritätsstrukturen von Elternhaus und Schule verzichtet wird, war die entscheidende Frage am Ende der Einzelinterviews die nach der Freiwilligkeit: „Möchtest Du am Schülercoaching in einem Tandem teilnehmen“. Ebenso war aus rechtlichen Gründen die Einwilligung der Erziehungsberechtigten von Nöten.
Sinnvolle Ergänzung
14 Interviews wurden geführt. Und immerhin elf Schüler konnten sich vorstellen, dieses für sie zunächst unbekannte Unterstützungsangebot wahrzunehmen. Und diese Tandems treffen sich nun seit August regelmäßig wöchentlich oder vierzehntägig. Die meisten Treffen dauern zwei Stunden, manche auch länger – je nach vereinbarter Aktivität. Ein Tandem hat schon ein Vogelhaus für den Winter gebastelt, ein anderes kocht gern zusammen am Beginn des Treffens, andere widmen sich hauptsächlich dem Ausbau der deutschen Sprachkenntnisse, das betrifft nicht nur Schüler mit Immigrationshintergrund.
In manchen Tandems geht es auch um Mathematik oder ums Spielen – nicht am PC, sondern mit realen Karten oder Spielsteinen. Wieder ein anderes versucht, Gegenstrategien zum Mobbing zu entwickeln. Das allerwichtigste dabei ist aber, dass man redet, ins Gespräch kommt. Und das ist vor allem anfangs, wo sich beide Tandempartner noch nicht kennen – gar nicht so leicht. Auch die Coaches lernen dabei vor allem eins: ihre Tandempartner ernst zu nehmen, mit eigenen Erwartungen nicht zu überfordern und vor allem lernen ihnen zuzuhören.
Auf diese Weise bemüht sich Schülercoaching darum, verschüttete Interessen wieder auszugraben und neue Motivation zu schaffen. Das Ziel heißt: Entwicklung von Selbstwertgefühl und Persönlichkeit im „schwierigen“ Alter der Pubertät. Falls dies gelingt, ergeben sich im Laufe der zwei- bis dreijährigen Begleitung fast zwangsläufig auch positive Auswirkungen auf Schulerfolg (Quali) und den Übergang in Ausbildung und Beruf. Das bringt die Jugendlichen voran und bereitet den Coaches Freude und Spaß.
Die Tandemplätze für die nächsten Jahre sind somit besetzt. Schon jetzt existiert eine kleine Warteliste. Also braucht das Projekt kurz nach dem Start bereits neuen Nachwuchs an Coaches. Hier sind nicht nur Ruheständler gefragt, sondern auch Berufstätige aller Altersgruppen. Freilich entsteht durch die Flüchtlings- und Asylproblematik eine Nachfrage nach ehrenamtlichen Engagement, die kaum noch Platz für andere Projekte zu lassen scheint. Hier gilt, das betont Andreas Pauldrach ausdrücklich: „Schülercoaching und Flüchtlingshilfe sind kein Gegensatz, im Gegenteil, sie sollen und können sich vielmehr ergänzen“. Denn die Kinder und Heranwachsenden, die ihre Heimat wegen Krieg und Verfolgung verlassen mussten, unterliegen in der Regel der Schulpflicht.
Als Schüler, die zum größten Teil auch dringend der außerschulischen Betreuung und Unterstützung bedürfen, gelangen sie als 12- bis 16-Jährige schnell in den Fokus des Schülercoaching. Neue Tandems können erst dann wieder gebildet werden, wenn es neue Coaches gibt. Und dafür muss die Werbetrommel weiter kräftig gerührt werden. An materieller und finanzieller Unterstützung durch Mittelschule und Stadt bei der Werbung mangelt es nicht, so Andreas Pauldrach. Was jetzt noch fehlt sind mehr engagierte Bürger, Frauen wie Männer, die jungen Leuten in einem schwierigen Lebensabschnitt helfen wollen. eb
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