Große Anerkennung

Die Flüchtlinge bekommen handfeste Unterstützung

ROTHENBURG – Es gibt viele Bereiche, in denen sich Rothenburger ehrenamtlich engagieren: auf politischer, kultureller und sozialer Ebene. Viel Arbeit wird im Stillen geleistet. Diese hilfsbereite Seite hat sich noch verstärkt durch den freiwilligen Einsatz in der Flüchtlingshilfe.

Der Arbeitskreis Asyl hilft in Eigeninitiative und hat sich mit den wachsenden Aufgaben eine neue Struktur gegeben. Beeindruckend die professionelle Koordinationsarbeit: sympathisch und menschlich, gleichzeitig aber mit gebotener kritischer Distanz. Die organisatorische Zuordnung der Aufgabenbereiche schafft Klarheit innerhalb der Freiwilligengruppe mit entsprechender Kompetenz und Verantwortung, die auch in der Öffentlichkeit sichtbar ist und Transparenz schafft. Die Abläufe sind nicht starr, sondern fließend und abgestimmt mit der professionellen Begleitung und Unterstützung bestehender Organisationen in der Flüchtlingsarbeit (Stadt, Landratsamt, Jobcenter, Agentur für Arbeit, Diakonisches Werk, Arbeiterwohlfahrt).

Flüchtlingsunterkunft in der Hofbronnengasse: In den Zimmern stehen die Stockbetten dicht an dicht. Jede Etage versorgt sich selbst.

Flüchtlingsunterkunft in der Hofbronnengasse: In den Zimmern stehen die Stockbetten dicht an dicht. Jede Etage versorgt sich selbst.

In der Jugendherberge leben momentan etwa neunzig Flüchtlinge, meist aus Syrien. Sie haben dort nicht nur Unterkunft, sondern werden auch verpflegt. In einem ehemaligen Gästehaus in der Hofbronnengasse sind rund 30 Flüchtlinge aus dem Iran untergebracht. Sie leben in Wohngemeinschaften zu viert oder zu sechst in Zimmern mit Stockbetten und müssen sich selbst versorgen. Jede Etage hat eine eigene Küche mit einfacher Grundausstattung. Alle Bewohner müssen abwechselnd kochen, putzen, einkaufen, Zimmer aufräumen, Wäsche waschen und die Hausordnung einhalten.

Zehn alleinstehende Männer und vier Familien sind in Wohnungen in der Stadt verteilt. Die ersten drei Monate dürfen Flüchtlinge überhaupt nicht arbeiten. Danach nur, wenn sie eine Arbeitserlaubnis vom Ausländeramt bekommen. In der Praxis werden aus den drei Monaten schnell ein halbes Jahr oder mehr, bis der Status geklärt ist. In der Zeit dürfen sie nicht arbeiten. Solange muss der Staat (Landkreis, Kommune) zahlen, obwohl sie bereits durch einen Job für sich selbst sorgen könnten. Noch komplizierter ist es für Flüchtlinge, einen Job zu bekommen. Die Auflagen zwingen sie eher in die Arbeitslosigkeit. Unternehmer reagieren eher zurückhaltend, denn Flüchtlinge könnten jederzeit abgeschoben werden.

In der „Kleiderkammer“ des Asylarbeitskreises darf der 22-jährige Basel aus Syrien als Ein-Euro-Jobber Änderungsarbeiten durchführen. Ein Rothenburger Modegeschäft würde den fleißigen jungen Mann gern ein Praktikum als Einstieg in eine feste Stelle ermöglichen. Doch die Bürokratie funkte dazwischen und bremste das Engagement.

Der Arbeitskreis Asyl leistet tolle Arbeit: Die regelmäßigen Treffen im Hegereiterhaus schaffen Transparenz. Fotos: Schäfer

Der Arbeitskreis Asyl leistet tolle Arbeit: Die regelmäßigen Treffen im Hegereiterhaus schaffen Transparenz. Fotos: Schäfer

Ein Flüchtling erhält weniger Geld als ein Hartz IV-Empfänger. Erst wenn Asylsuchende seit mehr als 15 Monaten hier sind oder als Flüchtlinge anerkannt werden, erhalten sie den vollen Sozialhilfesatz. Die Summe wird nicht bar ausgezahlt, sondern auf ein Konto überwiesen und muss für den Lebensunterhalt verwendet werden. Die letzten Tage waren die Rothenburger Freiwilligen damit beschäftigt, Bankkonten einzurichten. Sonst bekommen Flüchtlinge keine Wohnung und keine Arbeit.

Beim jüngsten Treffen des Arbeitskreises im gut besuchten Hegereiterhaus gaben die Koordinatoren kurze Berichte zu Erfahrungen und weitere Vorgehensweise. Ein großer Teil der Arbeit besteht darin, die Neuankömmlinge zu betreuen und zu begleiten, bei Ämtern zu unterstützen, zu dolmetschen, Formulare zu erklären. Die Ehrenamtlichen geben auch Sprachunterricht, helfen bei alltäglichen Dingen des Lebens, bei Arztbesuchen, Wohnungssuche, bieten Fahrdienste und Kennenlernrunden in Sport und Freizeit an, um Flüchtlingen Gemeinschaft und Integration erleben zu lassen. Natürlich klappt es nicht immer reibungslos und auf Anhieb, aber bisher hat sich immer eine Lösung gefunden. Große Probleme gab es bisher nicht, hieß es aus den Reihen des Asyl-Arbeitskreises. Man lernt viel voneinander.

Auch das Team des Sicherheitsdienstes im Haus in der Hofbronnengasse sprach von einem respektvollen Umgang. „Man kennt sich und spricht miteinander“, sagt Klaus Stenzel, der bei einer Firma in Bruckberg angestellt ist, und in seinem Job schon viel Zeit mit Flüchtlingen verbracht hat. In Rothenburg war er bisher eher Ansprechpartner als Aufpasser und erinnert immer an die Maxime, sich gegenseitig zu tolerieren.

Hatami Morteza hatte am Donnerstag Küchendienst: Die jungen Flüchtlinge kochen jeden Tag.

Hatami Morteza hatte am Donnerstag Küchendienst: Die jungen Flüchtlinge kochen jeden Tag.

Die kulturellen und sprachlichen Unterschiede führen manchmal auch zu Missverständnissen, die großes Gelächter auslösen. Etwa beim Thema „Mülltrennung“. In den wenigsten Ländern dieser Erde ist es üblich, den Müll so zu sortieren und getrennt zu entsorgen wie in Deutschland. Die Flüchtlinge tun sich deshalb erst einmal schwer mit dem Prinzip der Mülltrennung. Deshalb wurden Infoblätter in verschiedenen Sprachen herausgegeben, auf denen erklärt wird, was es mit Biomüll, Altpapier, Restmüll und Wertstoffen auf sich hat. In der Sprache des Farsi für die Iraner stiftete die Übersetzung „Dokumente“ statt „Papier“ einige Verwirrung bis der Irrtum aufgeklärt war.

Gudrun Knoll-Schäfer, Sprecherin des Asyl-Arbeitskreises und Koordinatorin zur Schnittstelle mit dem Landratsamt, setzt sich gemeinsam mit den anderen Freiwilligen mit großer persönlicher Tatkraft in vielseitiger Weise für die Flüchtlinge ein und leistet dadurch Beeindruckendes. Ohne die engagierten Ehrenamtlichen wäre die Politik bei der Flüchtlingsarbeit aufgeschmissen. Sie verlangt, dass Flüchtlinge Deutsch lernen müssen, am besten so schnell wie möglich. Gar nicht so einfach, wenn so viele auf einmal kommen.

Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge ist jung und motiviert, viele möchten schnell wieder in ihrem Beruf arbeiten, eine Ausbildung absolvieren oder ihr Studium fortsetzen. Von offizieller Seite werden viel zu wenig Deutsch- und Integrationskurse angeboten, um die Teilnehmer in die Lage zu versetzen, sich in Alltagssituationen auf Deutsch verständigen zu können. Schließlich müssen sie sich selbst um eine Stelle kümmern, sprechen aber kein Deutsch. Einen Anspruch auf Kurse haben nur anerkannte Flüchtlinge. Also springen auch hier die Ehrenamtlichen in die Bresche und haben Strukturen für Deutschunterricht aufgebaut, teils über Lehrer, aber auch Laien, die einen guten Einstieg in die deutsche Sprache ermöglichen.

Die vierzig Ehrenamtlichen des Arbeitskreises erleben ein breites Spektrum an Reaktionen. Sie erfahren auch gesellschaftlichen Zuspruch. Etwa durch die Integrationshilfe Rothenburger Unternehmer oder spontane Aktionen. Gestern luden ein Neusitzer Fitnessstudio und der Rothenburger Schachclub die Flüchtlinge ein. Eine große Resonanz erlebte der TSV auf seine Angebote zum Fußballspielen. Der Rothenburger Rewe-Markt sponsert Getränke und Lebensmittel für das geplante Kennenlernfest im Übergangswohnheim in der Hofbronnengasse, das die Flüchtlinge für die Anwohner veranstalten wollen. Die jungen Iraner haben sich ausbedungen, die Gäste selbst zu bekochen und zu bewirten. sis

2 Kommentare zu Große Anerkennung

  1. Aufklärung und Wahrheit!!
    Diese sind jetzt wichtiger denn je! Wir müssen alle unsere Kräfte bündeln um sich gegen den Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen!
    Dieser Bericht dient zur Aufklärung und stellt viele Dinge klar!

    Danke !!

    Migrationabeirat Rothenburg

  2. Meggie Prim sagt:

    Vielen Dank für diesen Artikel, vielleicht helfen die klaren Informationen auch bei der Integration der besorgten Bürger und Bedenkenträger von Rothenburg. Nicht nur den Flüchtlingen sind die Werte unserer Demokratie und unseres Zusammenlebens erlebbar zu machen, sondern auch den Bürgern, die der Politik und den Medien mißtrauen. Wir Deutsche kreisen ja gerne um uns selbst ….jetzt geht es aber um die Not von Menschen und die Hilfe, die zu leisten ist. Dafür ein großer Dank an alle Initiatoren und Helfer in Rothenburg.

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