Atmosphäre pur
Flötenklasse der Städtischen Musikschule verzauberte
ROTHENBURG – Es lassen sich doch immer noch Ent-de-ckun-gen machen. Selten erscheinen Ort und Musik so sehr als verschwisterte Phänomene des Genius Loci beziehungsweisse Horae wie an diesem Sommerfrühabend beim Serenadenkonzert der Flöten-klas-se der Städtischen Musikschule in der Arkadenhalle des Wildbads an der Tauber.
Wenn die letzten Sonnenstrahlen durch das Blattwerk des Hangwaldes schießen, sich im Tauberwasser spiegeln und auf die vom Wein berank-ten Säulen ein züngelndes Lichtspiel werfen – dann fühlt man sich wie in einem Gemälde von Monet oder Renoir.
Und auch die Musik war wie aus dieser Stunde geboren. Thomas Meyers feinsinnige, hoch konzertante Art, das Wesen der Werke zum Klingen zu bringen, kam hier einmal mehr zur Geltung. Die Klassen-Konzerte unter Regie des virtuosen Flötenlehrers sind von jeher niveauvoll, geistreich und gut moderiert. Die Flötentöne: Inspiriert und präsent artikuliert. Der Klang: transparent und sinnlich.
Auch dort, wo im-merhin elf Flöten auf den Spuren eines Sinfonie-Orchesters wandelten, blieb alles wohltuend differenziert und ausdrucksvoll. Neben den weiter unten Genannten zählten hier Jule Gundel und Julia Huprich, ver-stärkt von Carolin Leyh und Elisa Hardung (Altflöte) zum Ensemble.
Die beiden Orchesterwerke Felix Mendelssohn Bartholdys (die „Hebriden“-Ouvertüre und das Andante aus der „Italienischen“ Sinfonie) gerieten sehr eindrucksvoll. Die Musikalität des Vortrages und nicht zuletzt die präzisen Bearbeitungen verdienen Bewunderung. Ebenso die Ausschnitte aus Ludwig van Beethovens „Pastorale“, auch wenn sie womöglich ein wenig zu schnell atmeten. „Ins Ohr“ gingen nach einem schönen Allegro aus Bedrich Smetanas „Moldau“ auch die speziellen Höhepunkte des Programmes, vorgetragen von Rebekka Rank, Lea Schneider, Annika Beck, Susanne Walther, Katharina Fetz, unterstützt von Thomas Meyer an der Bassflöte. Charismatisch entfalteten sie den Zauber zweier starker Personalstile.
Den Franzosen Marc Berthomieu und seinen Landsmann und Zeitgenossen Eugène Bozza mag man als eine Art musikalische Enkel Claude Debussys sehen. Sie schufen Preziosen ganz eigener Art: bezirzend melodisch und impressionistisch frei in den Akkorden wie etwa zu Anfang von Berthomieus Quartett „Arcadie“, wo von der Septime eingefärbte g-Moll- und f-Moll-Arpeggien wech-seln. Speziell der zweite Satz, die „Zauberflöte“, mit seiner ruhig aufsteigenden Ganztonskala erinnert an die Stimmung von Debussys „L‘après midi d‘un faune“. Eugène Bozza komponierte in seinem „Sommertag in den Bergen“ indes eher klassizistisch: ein lyrisches Thema in dorischer Kir-chen-tonart, in seinem Dreier-Rhyt–hmus unterschwellig tänzerisch, mit einem elegant eingewobenen Kon-tra-punkt in der 2. Stimme.
Zur Mitte lässt der Komponist die Flöten vogelkehlenhaft trillern, was beim Konzert an der Tauber den einen und anderen echten Piepmatz zum Mitzwitschern zu animieren schien. Auch die Zuhörer waren hingerissen und bekundeten dies mit lautem, langem, jubelndem Applaus, sympathisch ergänzt von einer vollauf berechtigten Lobeshymne aus dem Munde des Rothenburger Tourismus- und Kulturdirektors Dr. Jörg Christöphler. hd
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