Begehrte Einblicke
Weltgästeführertag mit guter Resonanz – Thema: Gründerzeit
ROTHENBURG – Wenn es eine gute Gelegenheit auch für Einheimische gibt, Interessantes und Unterhaltendes über die Geschichte zu erfahren, dann ist dies sicher der Gästeführertag. Auch diesmal ließen sich nicht zuletzt viele Rothenburger über zurückliegende Phasen in der Stadt informieren. So manches ist eben vielfach längst vergessen oder nicht mehr so im Bewusstsein.
Wieviele es unter den insgesamt genau 239 Teilnehmern am Sonntag waren? Dazu gibt es keine belastbare Zahl. Fest steht nur, dass auch diesmal wieder das Interesse der Rothenburger auffallend groß war. Das für alle Gästeführerveranstaltungen bundesweit ausgegebene Thema „Grün-der-Zeit“ hat der Verein Rothenburger Gästeführer genutzt, um die Aufmerksamkeit auf diese Zeitspanne ab 1850 zu lenken, in der (auch) die Tauberstadt in vieler Hinsicht den Anschluss an die Neuzeit schaffte.
Den mit Abstand größten Andrang gab es im Rathaus. Insgesamt 100 Interessierte fanden sich dort zu drei angebotenen Terminen im stündlichen Turnus am Nachmittag ein. Im Sitzungssaal ließen im unterhaltsamen Wechselspiel Gästeführervereins-Vorsitzende Karin Bierstedt und FA-Redakteur Werner Weber bei einer computergestützten Präsentation den Aufbau der gesamten technischen Infrastruktur in Rothenburg Revue passieren. Viele alte Bilder, aber auch Skizzen und Urkunden illustrierten die vielen Informationen zu den Bereichen Versiegelung der Gassen und Wege, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müll und Wertstoff, Wärmegewinnung, Elektrifizierung, Industrialisierung und Telekommunikation in Rothenburg.

Karin Bierstedt freut sich über die 571 Euro für Thilo Pohle (rechs) und seine Filmgruppe.
Wann entstand die erste Kanalisation? Wann kam fließend Wasser in die Haushalte? Seit wann kann man „einfach das Licht andrehen“? Ab wann brannten nachts die Gaslaternen? Ab wann wurde zentral geheizt und ab wann gab es so etwas wie eine zentrale Wärmeversorgung? Was war Abfall und wie ist Müll entsorgt worden? Wann kam das Telefon? Diese und viele weiteren Fragen wurden beim kurzweiligen und gleichzeitig überaus inhaltsreichen Streifzug im Rathaus-Sitzungssaal beantwortet. Begonnen hatte der Weltgästefüh-rertag in Rothenburg am Vormittag mit einem Vortrag von Daniel Weber im Rokokosaal des Wildbads. Dabei ging es besonders um die Zeit nach der Reichsgründung 1871 und die damit einhergehenden tiefgreifenden Veränderungen damals. Deutschland wandelte sich vom industriell geprägten Nationalstaat. Es kam zu einer politischen Arbeiterbewegung. Auch bei der Wahrnehmung des Menschen selbst änderte sich einiges. Freud lässt grüßen. Vor der Altstadt entstand produzierendes Gewerbe. Die Stadt wurde zwar nicht Knotenpunkt des Eisenbahnnetzes, wie es eigentlich bei den Planern gern gesehen worden wäre. Der Widerstand einiger Fabrikanten verhinderte das. Aber Rothenburg wurde ans Schienennetz angeschlossen und der Tourismus entwickelte sich zu einem wichtigen Wirtschaftszweig.
Im Anschluss an diesen Vortrag sprach Pfarrer Herbert Dersch, Leiter der evangelischen Tagungsstätte, über einen „Gründer in seiner Zeit“: Friedrich Hessing, einen Pionier der Orthopädietechnik und Vater des Rothenburger Wildbads. „Alles im grünen Bereich“ hieß es außerdem beim Vortrag im Theater am Burgtor. Dabei ging es um die Farbe grün, das Grün in Sprichwörtern oder auch das Grün in der Natur. Außerdem wurde die uralte Tradition des Räucherns getrockneter grüner Pflanzen ergründet. An ausgesuchten Kräutern wurde gezeigt, wie sie verduften. Dass ausgerechnet die einzige geplante Führung des Tages krankheitsbedingt ausfallen musste, fand der Gästeführerverein bedauerlich, aber leider nicht zu ändern. Das miese Wetter entschuldigte die kurzfristige Absage wenigstens zum Teil.
Das Thema „Touristen statt Schornsteine“ umreißt den Aufbau des Fremdenverkehrs-Gewerbes. Es wäre beim Rundgang mit Hannelore Schultze im Mittelpunkt gestanden. Die Führung gilt als nicht ersatzlos gestrichen, sondern zu gegebener Zeit nachgeholt, so Karin Bierstedt. Auch in diesem Jahr hat der Verein Rothenburger Gästeführer wieder um Spenden fü̈r einen guten Zweck gebeten. Dieses Mal wurde die filmische Arbeit der Projektgruppe um Thilo Pohle unterstü̈tzt, damit der zweite Teil der Trilogie der Kriegsjahre in Rothenburg fertig gestellt werden kann. Es kamen immerhin etwas über 571 Euro zusammen. fa/-ww-
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