Die besondere Grenze

Mitten in Franken lag plötzlich preußisches Gebiet

SCHILLINGSFÜRST – Gerade mal zwei Jahre hat sie bestanden Anfang des 19. Jahrhunderts: die frisch gezogene Landesgrenze zwischen den Fürstentümern Brandenburg-Ansbach und Hohenlohe-Schillingsfürst. Dass mitten in Franken plötzlich preußisches Gebiet lag, machte sie ganz besonders. Napoleon sorgte dafür, dass links und rechts wieder alles bayerisch wurde, was die Grenze überflüssig machte.

So liest sich die Endabrechnung des Landesvergleichs von 1803 in einem Ausschnitt. Repro: Seyerlein

So liest sich die Endabrechnung des Landesvergleichs von 1803 in einem Ausschnitt. Repro: Seyerlein

Steine zeugen noch von ihr. Und „Grenzcommissaire“ wie der Leutershausener Karlheinz Seyerlein. Sie sorgen dafür, dass fehlende Steine ergänzt werden und ihr Andenken hoch gehalten wird. Am Samstag wird von der Volkshochschule Schillingsfürst eine Wanderung (14 Uhr ab Nähe Campingplatz Schillingsfürst) an dieser alten Grenze angeboten. Aus diesem Anlass blenden wir zurück und veröffentlichen in Fortsetzungen den viel beachteten Vortrag Seyerleins zum Thema.

Im Januar 1797 meldete das „Ansbacher Intelligenzblatt“ unter der ­Rubrik „Angekommene Fremde. Schloßthor“: Ihro Durchlaucht die Fü̈rstin von Hohenlohe-Schil­lings­fü̈rst, dann Se. Durchlaucht der regierende Fü̈rst von Hohenlohe-Schillingsfü̈rst, und Herr Geheime = Rat von Schaden, kommend von Nü̈rn­berg.

Noch nicht volljährig

Der genannte regierende Fü̈rst war Karl Albrecht III., erst seit einem halben Jahr an der Regierung, seit dem Tod seines Vaters Karl Albrecht II. Mit 19 Jahren noch nicht volljä̈hrig unterschreibt er am 7. Januar 1797 einen Staatsvertrag mit dem Kö̈nigreich Preußen. Nicht dabei ist sein Vormund, sein Onkel, der Prinz Franz Karl. Dabei ist aber seine Mutter, die Fü̈rstin Judith und der Geheime Rat Joseph von Schaden – auch erst seit kurzem der Chef seiner Regierung. Schaden hat den Vertrag mit Preußen ausgehandelt. Er sorgte auch dafü̈r, dass der junge Fü̈rst am 28. 7. 1797 durch Kaiser Franz II. fü̈r volljährig erklä̈rt wurde.

Wieso ein Vertrag mit Preußen? 500 Jahre war der östliche Nachbar der Markgraf von Brandenburg-Ansbach. Seit fü̈nf Jahren aber ist das Markgraftum preußisch. Warum?

Eine Frau ist schuld! – Hätte Markgraf Alexander nicht auf einer Reise Elisabeth Craven kennengelernt, sie an seinen Hof nach Ansbach eingeladen, sie dort zu seiner Mä̈tresse gemacht; hä̈tte diese englische Lady dem Markgrafen nicht das Regieren grü̈ndlich vermiest, dann wä̈re Ansbach nicht fü̈r 14 Jahre preußisch geworden und ich hä̈tte nicht zu diesem Thema sprechen können.

1417 wird Burggraf Friedrich VI. von Nü̈rnberg, der damals schon in Ansbach residierte, mit der Mark Brandenburg belehnt und nannte sich deshalb fortan „Markgraf“. Brandenburg und Franken lagen weit auseinander. Deshalb teilte er seinen Besitz unter seinen Sö̈hnen auf: Brandenburg, Ansbach und Bayreuth. Ein Hausgesetz regelte die Nachfolge, wenn eine Linie ausstarb. In Ansbach regierte Markgraf Alexander seit 1757, seit dem Tod des Bayreuther Markgrafen auch dort.

Er war ein erfolgreicher Landesvater und dachte nicht an Rü̈cktritt, obwohl er kinderlos bleiben wü̈rde und sein Fü̈rstentum mit seinem Tod an Preußen fallen wü̈rde. Da lernte er auf eine Reise Lady Graven kennen, holte sie an seinen Hof und machte sie zu seiner Mä̈tresse. Die machte ihm das Regieren grü̈ndlich madig und überredete ihn zum Verzicht. Gegen eine fü̈rstliche Leibrente von 300 000 Gulden jä̈hrlich dankte er 14 Jahre vor seinem Tod ab und verbrachte seinen Lebensabend mit seiner „Lady“ in England.

Ungleiche Vertragspartner

Anfang 1792 ü̈bernimmt Freiherr Carl August von Hardenberg für Preußen das Fürstentum Brandenburg-Ansbach. Er schließt mit einer Reihe von Nachbarn sogenannte „Purifications-Verträge“ ab, so auch mit Hohenlohe-Schillingsfü̈rst. Das Königreich Preußen und das Fü̈rstentum Hohenlohe-Schillingsfü̈rst waren zwei höchst ungleiche Vertragspartner.

Das Fürstentum Schillingsfürst war 65 Quadratkilometer groß. Brandenburg-Ansbach 55mal grö̈ßer. Preußen insgesamt gar 4 600mal. Selbst die benachbarte Freie Reichsstadt Rothenburg war 6mal so groß. Schillingsfü̈rst hatte 558 Untertanen (Familien), rund 3300 Seelen. Ansbach 40 mal, Preußen 2600 mal so viel. Schillingsfürst war politisch völlig unbedeutend, Preußen seit Friedrich dem Großen europä̈ische Großmacht.

Es gab Fraischgrenzen: Hohenlohe-Schillingsfü̈rst mit dem Markgraftum Brandenburg-Ansbach (von Speierhof ö̈stlich bis Mittelstetten) und der Freien Reichsstadt Rothenburg (von Speierhof westlich bis Mittelstetten). Zwischen Ansbach und Schillingsfürst gab es lediglich verstein- te Fraisch- (Hochgerichtsbarkeits-) Grenzen, keine feste Landesgrenzen.

Sie regelten nur die Zustä̈ndigkeit bei schweren Verbrechen wie Mord, Totschlag, Raub, Brandstiftung u.ä. Die Fraischgrenzen hatten zum Teil einen merkwü̈rdigen Verlauf. Sie teilten z.B. Gastenfelden entlang des ­Baches in eine schillingsfürstische Sü̈dhälfte und eine ansbachische Nordhä̈lfte oder die aneinander grenzenden Orte Leipoldsberg (Ansbach) und Schorndorf (Schillingsfürst). Innerhalb seiner Fraischgrenzen hatte Schillingsfürst 37 Ortsteile. Nur in 18 saßen ausschließlich eigene Untertanen, 11 waren mit fremdherrischen Untertanen vermischt und 8 ganz ohne eigene Untertanen. Dagegen gab es 9 Orte in Ansbachischer Fraisch mit schillingsfürs­tischen Untertanen. Von 558 Untertanen wohnten 58 außerhalb, dagegen 69 ansbachische, 68 rothenburgische und 2 eichstä̈ttische Untertanen innerhalb der schillingsfürstischen Fraisch.

Der Zehnt wurde an hö̈chst unterschiedliche Stellen entrichtet. Die in schillingsfürstischer Fraisch liegenden Ortschaften Schorndorf und Neureuth mit nur schillingsfürstischen Untertanen und Altengreuth mit zusätzlich einigen rothenburgischen, aber keinen markgrä̈flichen Untertanen, gaben den Zehnten zu zwei Dritteln an das ansbachische Amt in Brunst, zu einem Drittel an den Pfarrer zu Brunst.

Verschlungene Abgabepflichten

Eckartsweiler und Eichholz in Ansbachischer Fraisch mit ü̈berwiegend bzw. ausschließlich schillingsfürstischen Untertanen gaben zwei Drittel des Zehnt an das Julius-Spittal Wü̈rzburg, ein Drittel an den Deutschen Orden.

Brunst, in Brandenburg-ansbachischer Fraisch gelegen, hatte neben 4 schillingsfürstischen noch 7 brandenburgische und 10 deutschherrisch-eschenbachische Untertanen. Kirche und Schule waren brandenburgisch. Der Pfarrer wurde vom Deutschen Orden ernannt, von dessen Vogtamt Eschenbach besoldet, vom brandenburgischen Konsistorium in Ansbach examiniert und konfirmiert und vom Dekanat Leutershausen eingesetzt.

Die Kirchen in Bockenfeld und Diebach lagen in schillingsfürstischem Gebiet. Die Kirche von Gastenfelden im nö̈rdlichen, ansbachischem Ortsteil. Die Einwohner waren gemischt­herrisch (Schillingsfürst, Ansbach, Rothenburg). Die Kirchen hatte sich Ansbach vor langer Zeit „unter den Nagel gerissen“. Schillingsfürst behauptete Mitrechte in Episcopal- und Patronats- Angelegenheiten. Darü̈ber stritt man seit Jahrhunderten.

Mit Protesten

Zum Spektakel geriet die Installation des neuen Pfarrers Mack in Gastenfelden. Ein mit Ober- und Untergewö̈hr (Stich- und Hiebwaffen) bewaffnetes ansbachisches Kommando aus sechs Büchern sowie dem Amtsknecht von Colmberg besetzte die Kirchentü̈ren, um eine schillingsfürs­tische Deputation nicht einzulassen. Diese postierte sich vor den Tü̈ren so, dass die ansbachischen Herrschaften, der Dekan von Leutershausen, der neu installierte, sowie zwei benachbarte Pfarrer beim Auszug an ihnen vorbei mussten. Der schillingsfürstische Protest an die ansbachischen Herrschaften liest sich wie folgt:

Man sei auf das ä̈ußerste gekrä̈nkt durch die Missachtung ihrer bestbegrü̈ndeten Episcopal- und Compatronats-Rechte und durch die einseitige Denominier- und Installierung des neuen Pfarrers seitens Ansbachs, wogegen man feierlichst protestiere.

Aufgrund der besonderen Hochachtung ihres regierenden Fü̈rsten zu dem Markgrafen von Ansbach habe man sich aber entschlossen, den gegenwä̈rtigen Herrn Pfarrer Mack ebenfalls zu denominieren und zu installieren und auch die gesamten Pfarrkinder zu Erzeigung gebü̈hrenden Gehorsams anzuweisen.

Mehr als 100 Menschen waren im Kirchhof anwesend. Der Kastner Bachmann von Colmberg fiel in die Protestrede ein: Man habe schon oft und vielmal zu erkennen gegeben, dass man von Hohenlohe keinen Protest annehme. Auch der zweite Colmberger Beamte, der Amtsvogt Rothmund, betonte mit seinem ge­wö̈hn­lichen Eifer, dass das Recht einzig seinem gnä̈digen Herrn zustehe und Hohenlohe nichts angehe.

Von schillingsfürstischer Seite wies man die Pfarrkinder nach­drü̈cklich an, dem jetzt auch von ihnen mitinstallierten Pfarrer Mack die gebü̈hrende Ehre und Gehorsam zu erweisen. Wä̈hrenddessen befahl der Amtsvogt Rothmund den Pfarrkindern, auseinander zu gehen und nichts anzuhö̈ren.

Preußen bringt Annäherung

Von schillingsfürstischer Seite kam der gegenteilige Befehl: Alle sollen im Kirchhof versammelt bleiben bis nach ihrem Austritt aus dem Kirchhof. Das wurde von den Anwesenden grü̈ndlich befolgt. Es war ja auch hö̈chst interessant, wie sich da die hohen Herren lautstark stritten.

Es war wie immer: Einseitige Rechtshandlungen Ansbachs, Protest Schillingsfürsts, Gegenprotest Ansbachs, Protest gegen den Gegenprotest. Jede Partei beharrte auf ihrer Position. Keine Annä̈herung der Standpunkte, keine Lö̈sung in Sicht. Dazu mussten erst die Preußen kommen! Das geschah 1792. Fortsetzung folgt

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