Wunsch nach Entlastung
Haupt- und Ehrenamtliche der Kirche klagen über hohe Belastung
ROTHENBURG – Ein Pfarrer muss immer erreichbar sein. Dieser Anspruch stammt aus einem veralteten Gesellschaftsbild und ist nicht mehr erfüllbar. Dass sich die Bedingungen in und für die Kirche geändert haben, liegt vor allem am demografischen Wandel, an der seit Jahren sinkenden Zahl von Kirchenmitgliedern. Es fehlt am Geld und am Nachwuchs. Es müssen neue Strukturen geschaffen werden, weil es so wie bisher nicht mehr funktioniert oder nur auf Kosten der Mitarbeiter.
Pfarrer zu sein ist ein Fulltime-Job. Ein Gottesdienst benötigt einiges an Vorbereitung, vom Schreiben der Predigt über die Formulierung verschiedener Gebete bis hin zur Auswahl der zum Thema passenden Lieder. Das gilt natürlich auch für die Tauf-, Konfirmations- und Kommuniongottesdienste. Neben Seelsorge und Gottesdiensten warten noch weitere Amtshandlungen: Trauungen, Beerdigungen, Taufgespräche, Sterbebegleitung, Besuche runder Geburtstage von Gemeindegliedern. Etliche Wochenstunden müssen zudem für Unterrichtseinheiten in Schulen eingerechnet werden, aber auch in der Gemeinde in Form des Konfirmanden- beziehungsweise Kommunionunterrichts.
Fülle an Aufgaben
Der Pfarrer begleitet trostsuchende Menschen durch schwierige Lebenssituationen, bringt schon Kindern die christliche Botschaft näher und gestaltet Beerdigungen. Die Seelsorge lässt sich nicht vorausplanen. Da der Pfarrer in den meisten Fällen sozusagen der Geschäftsführer der Kirchengemeinde ist, bleiben auch verwaltungstechnische Aufgaben wie die allgemeine Organisation der Pfarrei, die Personalverwaltung, die Planung und Umsetzung von Gemeindeveranstaltungen sowie die Haushaltsplanung nicht aus.
Gebäude sind zu unterhalten, Kirchen zu restaurieren. Ehrenamtliche Mitarbeiter sind zu begleiten. In der Gemeinde arbeiten Menschen auch hauptamtlich: im Pfarrsekretariat, in der Raumpflege, als Kirchendiener, in Kindergärten oder Sozialstationen. Da ist die Fähigkeit gefragt, Personalverantwortung zu übernehmen.
Die Aufgaben werden immer umfänglicher und verästelter. Seit es Handys gibt hat der Stress für die Seelsorger noch zugenommen. Das Belastende sind oft die äußeren Umstände. Ein Seelsorger lebt in einer ständigen inneren Alarmbereitschaft. Dazu kommt der Erwartungsdruck, der durch die vielen unterschiedlichen Rollen entsteht, die er ausfüllen muss. Vormittags ist er Religionslehrer. Danach muss er eventuell Schul-Ärger schnell hinunterschlucken, um eine Beerdigung halten zu können. Dann sind da ein paar Jubilare, die an ihrem Geburtstag besucht werden wollen. Vielleicht ist abends noch eine Sitzung. Und der Konfirmandenunterricht für den nächsten Tag muss vorbereitet werden.
Stets präsent sein
Pfarrer sind dafür verantwortlich, Gottesdienste mit Herz und theologischem Verstand zu gestalten. Diese leben von Traditionen, die über zwei Jahrtausende in der Kirche gewachsen sind. Zugleich unterliegen sie Veränderung, um den verschiedenen Generationen, Interessen und Anlässen zu entsprechen. Neue Formen entstehen neben dem „normalen“ Gottesdienst: Meditation, Friedensgebet, Krabbel-, Schul- und Gospelgottesdienst. Mal eben zwischendurch einen Tag frei nehmen, ist im Pfarrerberuf kaum möglich.
Die Erwartungen an Kirche und die, die sie vor Ort repräsentieren sind hoch, nicht erst in Notlagen. Wo Ungerechtigkeit herrscht, erwarten viele, dass der Pfarrer oder die Pfarrerin hilft, etwas zu unternehmen und sich mit der Gemeinde diakonisch und politisch zu engagieren. Nah bei den Menschen vor Ort und ihren konkrekten Fragen sollen Seelsorger sein und zugleich einen weiten Horizont haben, um Gespräche zu führen, zu beraten, zu trösten. Sei es nach der Geburt eines Kindes, bei der Heirat, während einer Krankheit, bei einem Todesfall oder in Lebenskrisen.
In den nächsten Jahren ist durch eine Welle von Pensionierungen mit deutlich weniger Theologen zu rechnen. Im Dekanat Rothenburg gehen zwischen 2017 und 2019 vier Pfarrer in den Ruhestand, erläuterte Dekan Hans-Gerhard Gross bei der Dekanatssynode im Wildbad. Wenn eine Gemeindestelle länger nicht besetzt werden kann, ist das für die Nachbarkollegen eine große Belastung durch die zusätzliche Aufgabe der Vertretung. Es gibt Überlegungen, die Vertretung durch Angehörige anderer Berufsgruppen möglich zu machen. Dazu bedarf es personeller Kapazitäten. Künftig wird man noch stärker auf Ehrenamtliche setzen müssen. Doch auch diese stoßen an ihre Belastungsgrenze.
Früher war ein evangelischer Pfarrhaushalt ein Familienmodell. Diese Situation hat sich geändert. Nicht selten sind beide Eheleute berufstätig und durch die Betreuung und Versorgung von Kindern zusätzlich gefordert. Pfarrer aber auch Kirchenvorsteher und andere Ehrenamtliche in der Kirche wünschen sich eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Bei der Umsetzung hakt es am fehlenden Personal und der fehlenden Zeit.
Seit etwa drei Jahren wird an einem Prozess zum Pfarrerbild in der Evangelischen Landeskirche gearbeitet, damit der Beruf des Pfarrers wieder attraktiv ist und dem Auftrag der Kirche dienen kann. Der Nürnberger Regionalbischof Dr. Stefan Ark Nitsche begleitet den Prozess und erläuterte gemeinsam mit Pfarrer Benjamin Schimmel, welche Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen sich aus der Befragung von 1500 Pfarrern und 500 Kirchenvorstehern ergeben haben.
In einer bunten Gesellschaft mit verschiedenen Frömmigkeitsstilen und Meinungen eine Kirchengemeinde innerlich und äußerlich beisammenzuhalten und die Botschaft des Evangeliums möglichst überzeugend zu Gehör zu bringen, ist nicht einfach. Würden nicht Kirchenvorstände einiges abnehmen, kämen die Pfarrer noch weniger rum. Um für die Seelsorge die nötige Zeit zu haben, verzichten nicht wenige Pfarrer auf ihre Freizeit. Auf der Suche nach neuen Wegen wird man nicht umhin kommen, neue Strukturen zu schaffen. Dabei geht es nicht nur ums Geld und ums Sparen. Es muss auch inhaltlich bestimmt werden, wie Kirche in Zukunft aussehen soll.
Konstruktiv delegieren
Von Seiten der Kirchenleitung müsse es ein erkennbares Bemühen geben, das bereitzustellen, was nötig ist, um gut leben und arbeiten zu können, hieß es. Wenn dies gelingt, könne die Bereitschaft wachsen, auch Unangenehmes zu akzeptieren. Die Delegierten der Dekanatssynode reflektierten in einer kurzen Gruppenarbeit die Situation vor Ort. In der Zusammenfassung wurde Kritik laut: Der Ausblick sei wenig konkret. Die Kirche müsse verbindliche Rahmen setzen und manche Dinge regeln. Viel Schreibkram, staatliche Rechenschaftspflichten oder die Arbeit im Kitaverband binde Kapazitäten der Pfarrer. Die Vertreter des Kirchenparlaments wollten konkret wissen, ob die personelle Aufstockung der Pfarrsekretärin oder eines Pfarrassistenten aus dem eigenen Budget finanziert werden muss.
Die Kirchengemeinden sind an der Finanzierung beteiligt und wollen keine Mehrbelastung schultern. Die Kirchengemeinden wünschen sich eine stärkere Entlastung durch die zentrale Verwaltungsstelle der Bayerischen Landeskirche als denkbare Option der Aufsplitterung von Leitungsaufgaben. In jedem Fall müssten Leitungsaufgaben klar benannt werden – einschließlich der Verantwortung, die sie mit sich brächten. Viele Fragen sind noch offen. Welche Stellen werden wie bisher belassen und welche werden eingespart? Wenn die Kirche beim Personal den Rotstift ansetzt, geht das auch mit einem Neuzuschnitt der Pfarrbereiche einher? Für die Profilierung und Weiterentwicklung des Pfarrberufsbildes sind eine Reihe von Klärungen und Entscheidungen notwendig. Es wird sich weisen, ob sie die Arbeit vor Ort motiviert und beflügelt. sis
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