Im Selbstversuch

Neue Perspektiven beim Inklusionstag der 8. Klassen

ROTHENBURG – Inklusion ist eine Aufgabe, die die Gesellschaft als Ganzes betrifft. Um dieses Thema möglichst früh ins Bewusstsein der Menschen zu bringen, fängt man am besten im Schulalter an. Der Inklusionstag der 8. Klassen, organisiert vom Inklusionsbeirat und der Stadt, soll den jungen Leuten im direkten Kontakt mit Betroffenen andere Lebenswelten näher bringen.

Gehbehinderte stoßen (noch) auf viele Hindernisse – selbst mit Elektromobil.  Fotos: Scheuenstuhl

Gehbehinderte stoßen (noch) auf viele Hindernisse – selbst mit Elektromobil. Fotos: Scheuenstuhl

Wem ist es nicht schon einmal passiert, dass er seine Mülltonne – vielleicht weil er gerade auch noch in Eile war – einfach beliebig auf den Gehweg gestellt hat, ohne groß darüber nachzudenken? Diese Unüberlegtheit wird für andere zum Hindernis, denn der Gehweg ist nicht nur zum Gehen da, sondern wird auch von Menschen benutzt, die auf Hilfsmittel zur Fortbewegung angewiesen sind.

„Es ist meist keine Boshaftigkeit, die dahinter steckt, sondern einfach Unachtsamkeit, erklärt Helmut Döppert von der Selbsthilfegruppe „Mein zweites Leben in Rothenburg“ einer Gruppe von Schülern auf dem Schul-Sportplatz. Er selbst ist auf ein sogenanntes Elektromobil angewiesen. Eine einfache Mülltonne, die im Weg steht, kann für ihn einen Umweg von ein paar hundert Metern bedeuten.

Er lässt die Schüler sein Gefährt einmal ausprobieren. Nach gut einem Meter trifft Elias auch schon auf die erste Hürde: die erhöhte Abgrenzung der Laufbahnen zu den inneren Wettkampfanlagen. Nachdem diese gemeistert ist, nimmt er die Verfolgung auf. Denn eine andere Schülerin hat sich zeitgleich mit dem Dreirad von Ralf Dürr vertraut gemacht und testet es bereits auf der Tartanbahn.

Gerade bei Problemen mit dem Gleichgewichtssinn ermöglicht ein Dreirad dem Betroffenen ein großes Stück Mobiliät. Elias kommt mit seiner Maximalgeschwindigkeit von sechs Stundenkilometern aber nicht hinterher, dreht ab und nimmt die nächste Erhöhung auf die Rasenfläche. Er hat dadurch einen recht guten Einblick gewonnen, vor welchen Herausforderungen Menschen mit einer Gehbehinderung stehen.

Auch in der Sporthalle dreht sich alles um das Thema Mobilität. Herbert Holzinger von der Reha-Vital-Sportgemeinschaft hat für die Schüler einen Parcours aufgebaut, auf dem sie selbst erfahren können, welche Anforderungen die Nutzung eines Rollstuhls an den Betroffenen stellt.

Senioren von der Wegwarte und dem betreuten Wohnen gaben den jungen Leuten Einblicke in ihre aktuelle Lebenswelt. Es wurde den Schülern aber auch bewusst, dass die Männer und Frauen, die nun im Alter mit der einen oder anderen körperlichen Einschränkung zurecht kommen müssen, einst selbst jung waren und so einiges erlebt haben. Andererseits erfuhren auch die rüstigen Rentner, was die jüngere Generation im Moment beschäftigt.

Mit den Händen sehen

In einer weiteren Gruppe erlebten die Schüler hautnah, was es heißt, auf ihre Sehfähigkeit zu verzichten. Beim „Mensch-ärgere-dich-nicht“ ging es etwa darum, die Augen des Würfels sowie die Spielfiguren nur anhand des Tastsinns zu erkennen. Harald Büchel gab den Jugendlichen einen Einblick in die Lebenssituation von Gehörlosen und stellte ihnen das Gebärdenalphabet vor.

Hand- und Lippenbewegung im Einklang: Gebärde für das Wort Kommunikation (Buchstabe „C“).

Hand- und Lippenbewegung im Einklang: Gebärde für das Wort Kommunikation (Buchstabe „C“).

Wie man auf Krisen und Notfälle reagiert, lernten die Achtklässler bei Pfarrerin Barbara Müller, die im De-kanat Rothenburg für die Notfallseelsorge zuständig ist, mit Gruppengesprächen und Kontaktspielen. Für die Klangwerkstatt zog es die Gruppen in die neue Werkstatt der Diakonie Neuendettelsau in der Erlbacher Straße.

In Vorbereitung auf den Tag wurde das Thema Inklusion bereits im Unterricht angesprochen. Die insgesamt 87 Schüler hätten sich deshalb gut an den einzelnen Stationen beteiligt, zog Irmgard Fischer vom Bereich Gemeinwesen und Soziales der Stadt Bilanz. Auch die Jugendlichen kommen zu einen positiven Schluss.

Per Fragenbogen teilten sie ihre Ansichten mit: So wünschen sie sich mehr Möglichkeiten für Rollstuhlfahrer. Außerdem wäre mehr Kontakt und ein ungezwungener Umgang miteinander schön. Menschen mit Beeinträchtigungen sollten es auch einfacher im öffentlichen Leben haben. Und wenn man mit offenen Augen durch die Welt gehe, dann sehe man auch, was sich verbessern lasse. mes

Ein Kommentar zu Im Selbstversuch

  1. Robert sagt:

    Inklusion – Ein Thema für die nächsten Generationen! Wenn Menschen mit körperlichen, aber vor allem auch geistigen Beeinträchtigungen im Alltag und der Schule gleichbehandelt werden sollen, bedarf es dort entsprechender Unterstützung und Rücksichtnahme auf die immer nur in Teilbereichen eingeschränkten Fähigkeiten. Stehen in den Regelschulen genügend Lehrmittel und Lehrkräfte für diese Unterstützung zur Verfügung? Das Beispiel mit der Mülltonne, die einen Gehweg versperrt ist gut. In der Praxis erlebe ich es viel öfter, dass ein PKW oder gar LKW auf dem Gehweg steht, der nicht schnell von einem hilfsbereiten Passanten beiseite geschoben werden kann. Also nochmal: Inklusion – Eine Aufgabe für die nächsten Generationen!

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