Malerische Winkelzüge
Russischer Jurist verfiel dem „mittelalterlichen Charme“ der Tauberstadt
ROTHENBURG / ST. PETERSBURG – Tagsüber Paragraphen und Schriftsätze, in der Nacht Pinsel und Staffelei: Dmitry Svistelnik aus St. Petersburg jongliert tagtäglich mit zwei Gegensätzen. Der Anwalt in ihm orientiert sich an Rationalität. Als Maler lässt er vielmehr seinen Emotionen und seiner Kreativität freien Lauf. So rückte er Rothenburg mit warmen Farben in ein schmeichelhaftes Licht, obwohl er die Stadt nie zuvor besucht hatte.

Ein wahrer Sommertagstraum: Rothenburg mit warmen Farben in vorteilhaftes Licht gerückt. Fotos: Svistelnik
Was nicht alles daraus entstehen kann, wenn man seinen Kindern bei den Hausaufgaben hilft. Als Dmitry Svistelnik vor etwas mehr als zwei Jahren seine Tochter bei einem künstlerischen Schulprojekt unterstützte, hatte er mit Malen überhaupt nichts am Hut. Erst dank dieser Gemeinschaftsarbeit fragte er sich: „Warum habe ich bislang nicht selbst gemalt?“
Versuch und Irrtum
Er hatte zwar bis dato nie das Gefühl, ein besonderes Talent für die Kunst zu haben. Doch ein Versuch schadet ja nicht. Also kaufte er sich einfach ein paar Bücher übers Malen und legte los. „Ich bringe mir viel über die Versuch-und-Irrtum-Methode bei und mache meine eigenen Mal-Experimente“, sagt der 39-jährige St. Petersburger. Innerhalb der ersten zwei Jahre hat er schon eine bemerkenswerte Zahl an Werken vollendet, etwa um die 50 Stück nach eigener Schätzung. Und das auch noch in einer äußerst beachtlichen Qualität.
Die Malerei ist so etwas wie ein „emotionales Ventil“ für ihn. „Wenn ich male, vergesse ich alle negativen Dinge, die so passieren. Ich versinke in dem Bild und kann nicht einschlafen, bevor ich es nicht vollendet habe“, erklärt er seine Bindung zu seinen Werken. Meistens ist er nachts oder am Wochenende künstlerisch aktiv. Denn den Großteil seiner Zeit verbringt er mit Gesetzestexten, weil er als Anwalt für die gesetzgebende Versammlung von St. Petersburg tätig ist. Daneben versucht er noch in seiner Freizeit so viel wie möglich mit seiner Frau und den drei Kindern zu unternehmen. Zeit für anderweitige künstlerische Richtungen bleibe ihm da nicht.
Neue Mal-Motive findet der 39-Jährige entweder, wenn ihm ein besonderes Foto unter die Nase kommt, das er nachmalen möchte. Oder aber ihn fordert sein Ehrgeiz auf, sich an neuen Stilen und Gattungen zu versuchen. Die (noch) größte zeichnerische Herausforderung sei für ihn das Portrait. Bislang habe er nur seine Frau und seine Tochter auf diese Weise zu Papier gebracht. „Ich möchte meine Fähigkeiten hierin verbessern“, sagt er.
Rothenburg wählte er als Motiv aus, weil es sich seinen „mittelalterlichen Charme bewahrt“ habe und somit eine der schönsten Städte Bayerns sei. „Ich liebe Fachwerkhäuser, sie machen das Farbenspiel der Altstadt noch malerischer“, erklärt der Jurist begeistert. Leider kenne er Rothenburg nur von Fotos. Aber es sei bei seinen Freunden und innerhalb seiner Familie sehr bekannt.
Farben als Herausforderung
Dmitry Svistelnik saß eine Woche an dem Rothenburg-Bild, zirka vier Stunden pro Tag. Es misst 35 auf 50 Zentimeter. Die größte Herausforderung, so sagt er, seien die Farben gewesen. Zwar hatte er verschiedene Fotos, doch für eine halbwegs realitätgetreue Darstellung gehe eben nichts über den eigenen Eindruck an Ort und Stelle. Das Auto hat er übrigens aus seiner fotografischen Vorlage übernommen.

Malt erst seit zwei Jahren: Dmitry Svistelnik.
Zum Malen verwendete er Ölfarben, eine seiner liebsten Mittel, weil dabei Korrekturen möglich sind. So war etwa sein Werk „Nacht über Paris“ zunächst „Sonnenaufgang über Paris“. Die orange-gelbe Stimmung gefiel ihm nicht und so legte er einen nachtblauen Himmel über die Seine-Metropole. „Das Bild wurde dadurch viel interessanter“, ist er sich sicher.
Viele seiner Werke sind auch auf seinem Instagram-Profil unter dem Namen „dimonstrr“ zu sehen. Hauptsächlich um seinen Freunden seine Bilder zu zeigen, aber auch um mögliche Käufer auf sich aufmerksam zu machen. Allerdings würde es ihm bei einigen seiner Werke leid tun, sich von ihnen zu trennen. Auf eine Ausstellung hätte er dagegen sehr große Lust. „Meine Hände malen von Tag zu Tag sicherer und ich bin erst 39“, sagt er. „Ich hoffe, ich habe eine strahlende Zukunft als Maler.“
Manchmal nimmt er auch Aufträge für bestimmte Bilder entgegen, obwohl es für ihn zeitlich schwierig sei, dem nachzukommen. Zudem seien dies dann „nicht die besten Werke“, wie er zugibt. Freude an der Malerei hängt für ihn eben stark von der kreativen Freiheit ab.
Auch wenn sich bei ihm selbst die künstlerische Ader erst etwas später im Leben bemerkbar machte, seine Kinder beweisen jetzt schon, was sie in diesem Bereich von ihrem Vater geerbt haben. Die Tochter ist in einer russischen Tanzgruppe. Und der Sohn singt für sein Leben gern und möchte später einmal auf den großen Bühnen dieser Welt stehen. Aber am liebsten malen sie alle zusammen. Und laut dem stolzen Vater seien seine Kinder dabei noch talentierter als er selbst. mes
Bewegung, Transparenz, Spontanität – dies macht für eine 33-jährige Moldauerin die Aquarell-Malerei aus. Obwohl sie in einer digitalen Welt arbeitet, hält sie ihre Gedanken – und wie bald zu sehen sein wird, auch die Tauberstadt – ausschließlich auf Papier fest.
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