„Positives zeigen“
Werkeschau dreier Künstler aus dem Donbass
ROTHENBURG – „Eine Brücke braucht zwei Pfeiler um stabil zu sein, aber eine Doppelbrücke ist noch sicherer“, findet Nikolai Schischkin. Deshalb – und auch als Referenz an die Tauberstadt – benannte er seine Firma, die den künstlerischen Austausch zwischen Ost und West fördern möchte, nach diesem soliden Bauwerk. Mit einer Ausstellung in den Torwärterhäuschen am Burggarten legt man für dieses völkerverbindende Projekt gerade das Fundament.
Die drei Künstler, deren Werke noch bis zum 4. September in den zwei kleinen Galerien mit dem ganz eigenen Charme zu sehen sind, tragen nicht zufällig denselben Nachnamen. Die Telitschkos sind eine Künstlerfamilie aus dem Donbass, der umkämpften Region an der ukrainisch-russischen Grenze. Sowohl das Ehepaar Walentina und Wladimir Telitschko wie auch ihr Sohn Wassilij Telitschko-Ewert haben einen akademischen Hintergrund und konnten sich in ihrer Heimat bereits einen Namen machen. Die Eltern lernten ihr künstlerisches Handwerk an der Kunstschule in Lugansk, der Sohn studierte an der Kunstakademie in Kiew.

Künstlerische Brückenbauer: Nikolai Schischkin und Walentina Telitschko. Foto: Müller
In Rothenburg sind die Werke von Mutter und Sohn zu sehen, doch persönlich vertreten werden sie vor Ort nur von Walentina Telitschko. Denn die Männer müssen gerade ihrem Haupterwerb nachgehen: Sie führen an einer Kirche in Lublin (Polen) Wandmalereien aus. Bei einem früheren Auftrag haben sie etwa auch fünf Jahre lang die größte orthodoxe Kirche in Polen von innen malerisch auf Vordermann gebracht.
Aber in gewisser Weise ist auch Vater Telitschko künstlerisch präsent. „Einige meiner Bilder sind vierhändig gemalt“, schmunzelt Walentina Telitschko. Bei dem einen oder anderen Werk kann es durchaus sein, dass ihr Mann kleinere „Korrekturen“ vorgenommen hat. Ihre Gemälde sind in dem größeren Torwärterhäuschen ausgestellt. Das vorherrschende Motiv bei ihr sind Blumensträuße. „Das Leben hat viele Seiten, auch schwere, und Künstler sollen deshalb Positives zeigen“, ist sie überzeugt.
Mit ihren strahlenden und abwechlsungsreichen Blumenarrangements in Öl möchte sie den Menschen Freude bringen. „Walentina Telitschko schafft es ihre Gefühle in den buntesten Farben auszudrücken und damit ein neutrales Idealbild zu erschaffen“, sagt Karin Bierstedt, die zusammen mit Nikolai Schischkin für die Organisation bei der „Doppelbrücke“ zuständig ist.
Die Künstlerin aus dem Donbass erschafft ihre Werke mal in der freien Natur, mal im heimischen Atelier. Aber egal wo sie malt, sie treibt immer die Neugierde an, wie sich die Farben am besten miteinander verbinden lassen und wie Licht und Hintergrund das Motiv am besten zur Geltung kommen lassen. Wassilij Telitschko-Ewert war als kleines Kind immer im Atelier seiner Eltern. Mittlerweile hat er sich in künstlerischer Hinsicht von seinen Eltern emanzipiert und möchte als eigenständiger Maler wahrgenommen werden. Was für seine Mutter Blumenbouquets sind, sind für ihn Landschaften. Im zweiten Torwärterhäuschen sind seine Gemälde zu sehen, überwiegend Eindrücke von der Krim. Die Bilder zeigen aber weniger den touristisch erschlossenen, sondern den noch ursprünglichen Teil der Halbinsel mit rauer See und unberührter Naturküste.

Walentina Telitschko legt viel Wert auf das richtige Licht und den passenden Hintergrund.
Alle in der Ausstellung gezeigten Werke stehen auch zum Verkauf. Inmitten der Unruhen im Donbass schaffte es Familie Telitschko, den Großteil ihrer Bilder ins sichere Kiew zu bringen, wo sie mittlerweile lebt. Täglich von 11 bis 17 Uhr besteht nun die Möglichkeit, einige dieser Gemälde in Rothenburg zu bestaunen. An schönen Tagen werden die Räumlichkeiten, die den Künstlern kostenlos von Heinz Ruhl zur Verfügung gestellt werden, länger geöffnet sein. Martin Sinn gab Tipps für die wirkungsvollste Präsentation.
Die „Doppelbrücke“ hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Bandbreite der Kunst zu zeigen, Kunst zu entwickeln, vorzustellen und mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen. Schon im Oktober möchte man deshalb mit einer zweiten Ausstellung in die Tauberstadt zurückkommen. Zudem soll im November, in den Räumlichkeiten der hiesigen Berufsschule, eine Malschule mit Walentina und Wladimir Telitschko für Kinder, Anfänger und Fortgeschrittene stattfinden. Inspiriert von der Idee der russischen Malschulen vor 100 Jahren scheint Rothenburg ideal dafür zu sein, so Nikolai Schischkin. mes
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