Und ewig lockt das Süße
Laura Gärtner zog es nach Wien, um die hohe Kunst der Patisserie zu erlernen
BUCH AM WALD/WIEN – Ein Stückchen saftiger Sachertorte, dazu eine Melange: Denkt man an Wien, hat man sofort den typischen Duft der Kaffeehäuser in der Nase – oder auch den Geschmack eines echten Wiener Schnitzels im Mund. Laura Gärtner aus Buch am Wald zog es wegen der süßen Versuchungen in die österreichische Hauptstadt. Sie ließ sich dort zur Patissière und Wiener Zuckerbäckerin ausbilden und zwar „mit ausgezeichnetem Erfolg“, wie ihr Diplom verrät.

Dreierlei von der Zwetschge – Parfait im Baumkuchenmantel, Knödel und Eis. Geprüftes Kaffee-Walnuss Stück-Dessert. Ob kochen oder backen: Laura Gärtner hat für beide Küchen-Disziplinen ein Händchen.
Unzählige Sterneköche und Großmeister des Feingebäcks hat die Welt bereits hervorgebracht. Doch für Laura Gärtner gibt es nur ein Vorbild in der Küche: ihre Mutter Elke. „Bei Mama schmeckt es am besten, von ihr habe ich unwahrscheinlich viel gelernt“, betont die 20-Jährige und fügt hinzu: „Soweit wie sie bin ich noch lange nicht, dass ich einfach den Kühlschrank aufmache und aus dem, was da ist etwas zaubere, das dann auch schmeckt.“ Dies ist eine vergleichsweise bescheidene Einschätzung von jemandem, der bereits fundiertes Wissen in der Gastronomie vorweisen kann. Ihre kulinarische Karriere begann Laura nämlich mit einer Ausbildung zur Köchin auf Burg Colmberg. Eigentlich hatte sie auch mit dem Gedanken gespielt, Konditorin zu werden, doch da hätte sie noch weniger verdient. Also widmete sie sich drei Jahre lang dem Tranchieren, Passieren, Abschmecken und Blanchieren. „Die süße Schiene hatte ich aber immer im Hinterkopf“, gibt sie zu. Mit dem Abschlusszeugnis in der Tasche stand sie dann erneut vor der Wahl: eine neue Ausbildung anfangen oder erst einmal Geld verdienen? Da bei der Industrie- und Handelskammer nur einzelne Kurse für eine Weiterbildung angeboten wurden, erweiterte Laura Gärtner ihren Suchradius. Per Zufall entdeckte sie die Gastgewerbefachschule der Wiener Gastwirte im Internet. Diese bot eine achtmonatige Ausbildung zur Patissière (für Desserts) und Wiener Zuckerbäckerin (eine österreichische Umschreibung für Konditorin) an. Auf ihre Bewerbung bekam sie einfach eine Aufforderung, den ersten Teil der Ausbildungskosten zu überweisen. Alle ihrer Mitschüler mussten zu einem Vorstellungsgespräch anrücken, erfuhr die 20-Jährige im Nachhinein. Bei manchen war es sogar schon der zweite Versuch, an der Schule angenommen zu werden. Und auch in Lauras Jahrgang wurden von den über 100 Bewerbern nur 18 ausgewählt. „Die Vorbildung war ausschlaggebend“, ist sich Laura sicher.

Handwerk und Kreativität vereint: Von den Schülern gemeinsam hergestellte „Petits Fouls“. Fotos: mes/privat
Was andere Konditorlehrlinge in drei Jahren lernen, musste sich Laura in nicht einmal einem Jahr aneignen und dennoch dieselben hohen Ansprüche in der Konditor-Gesellenprüfung meistern. Hinzu kam, dass die Privatschule auch ihren Preis hatte. „Das Geld war es aber wirklich wert“, betont Laura. Auch wenn sie so manche Ausgabe nicht unbedingt für sinnvoll erachtete, etwa was die Kleiderordnung betraf. Die Privatschule im ersten Wiener Bezirk legt nämlich großen Wert darauf, dass ihre Schüler sowohl für den Theorie- als auch den Praxisunterricht entsprechende Schuluniformen tragen. Zu der erwünschten Garderobe gehören unter anderem wollene Söckchen, Krawatte, Pullunder, Bluse, Pullover, Sakko, Kochjacke mit „österreichischem Kragen“ und eingestickten Namen plus Schullogo sowie Schuhe mit einem Absatz von höchstens 2,5 Zentimeter. Hinzu kamen weitere Ausgaben für das Schulmaterial und das Werkzeug. Denn wie jeder Koch, der etwas auf sich hält, nur seine eigenen Messer benutzt, so arbeiten auch seine „süßen Kollegen“ am liebsten mit den eigenen Gerätschaften. Laura ist deswegen oft auf Einkaufs-Tour im Baumarkt. „Dort gibt es die besten und günstigsten Konditorei-Werkzeuge“, verrät sie. Das Resultat: Ein nicht ganz unerheblicher Teil ihres Kleiderschranks, nämlich drei der insgesamt fünf Fächer, war mit Spachteln, Schüsseln, Formen, Ausstecher und dergleichen gefüllt. Diese fast schon Großküchen-Menge an Backzubehör hatte durchaus ihre Berechtigung. In der Schule wurde die Herstellung der verschiedenen Feingebäcke nämlich nur einmal gezeigt. Die praktische Festigung des Lehrstoffes musste deshalb in Eigenregie erfolgen. „Anfangs probierte ich viel zuhause aus“, erinnert sich Laura. Von September bis Weihnachten habe sie sich an ihren Übungsstücken bereits satt gegessen, danach habe sie sie nur noch gekostet. So kamen dann auch Mitbewohner, Nachbarn und die Klassenkameraden in den Genuss ihrer Werke. Nach den ersten drei Monaten an der Schule haben die Lehrer das Tempo „ganz schön angezogen“, um ihre Schüler für die Abschlussprüfungen fit zu machen. Im theoretischen Teil mussten unter anderem die vier Facharbeiten, die jeder Schüler bis dahin angefertigt hatte, vorgestellt werden. Hinzu kamen jeweils drei weitere Fragen zu den Fächern „spezielle Fachkunde“, Warenkunde“, Ernährung“ sowie „Betriebspsychologie- und -pädagogik“ (Lauras Wahlfach).
Bei der praktischen Prüfung durften sich die Schüler bereits am Vortag um das „Mise en place“, also die Vorbereitung kümmern. Von 8 bis 15 Uhr wirbelten sie dann in der Schulküche, um die vier geforderten Desserts für die Patisserie-Prüfung herzustellen. Als neu interpretiertes Dessert wählte Laura Pfirsich Melba. In der Kategorie „Bankett“ zauberte sie eine Brombeer-Creme auf Basis einer Bayrisch Creme und als gesulzte Creme präsentierte sie eine Joghurtterrine. Als klassisches Dessert setzte Laura den 30 „Testessern“ von der Industrie- und Handelskammer einen Mohnstrudel vor. Ein Schaustück, das die Schüler bereits zuvor angefertigt hatten, floss ebenfalls in die Abschlussnote mit ein. Lauras Leistung überzeugte die Prüfer und die Jury und so bestand sie diese umfassende Leistungsabfrage „mit ausgezeichnetem Erfolg“. Daneben machte sie auch ihren Ausbilderschein. Der Schritt, sich beruflich im Ausland weiterzubilden hat die 20-Jährige auch persönlich reifen lassen. Denn der Start in Wien lief alles andere als glatt.
Zum einen war schon die Anreise recht hektisch, da es gleich vom Wochenend-Trip nach Madrid mit kurzem Zwischenstopp in der Heimat nach Wien ging. Zum anderen bekam Laura nach der 600 Kilometer-Fahrt in die österreichische Hauptstadt auch noch den allerersten Strafzettel ihres Lebens: 40 Euro Bußgeld wegen eines Parkvergehens. Auch die Wohnungssuche gestaltete sich schwierig, bis sie letztlich doch noch eine passende Wohngemeinschaft im dritten Bezirk fand. „Die erste Zeit allein in Wien war schwer“, gesteht die 20-Jährige. Gerade beim Abschied von daheim wurde deshalb die eine oder andere Träne vergossen und Lauras Stimmung besserte sich auch nicht wirklich, als sie auf der Autofahrt die von ihrer Schwester zusammengestellte CD anhörte. Aber auch der Mutter in Buch am Wald „fehlte die Unterstütztung“ durch Laura, die immer sehr viel Arbeit im Haushalt aus eigenem Antrieb übernommen hatte. „Die kommt von der Landwirtschaft – die weiß, wie man anpackt“, hieß es auch bald über sie in der Gastgewerbeschule. Backneulinge ermutigt Laura einfach am Ball zu bleiben. „Es gibt zwar viele, die sagen, dass sie kein Talent zum Backen haben, doch das stimmt oft nicht“, ist sich die Zuckerbäckerin sicher. Es gehöre auch viel Wille dazu. Letztlich genüge es, die verschiedenen Grundrezepte zu beherrschen und dann nach Lust und Laune zu experimentieren und sie weiterzuentwickeln. Ihre Mutter kreierte so ihre ganz eigenen Nussecken, hinter deren schmackhaftes Geheimnis Laura bis heute nicht gekommen ist. Nach ihrem Abschluss im vergangenen Mai bleibt Laura der Alpenrepublik vorerst treu. Sie verwöhnt nun die Gäste eines Vier-Sterne-Hotels in Großarl im Salzburger Land mit ihren süßen Köstlichkeiten. Doch für immer wird sie wohl nicht in Österreich bleiben. „Jetzt fange ich mit Erfahrung sammeln an“, betont sie, „denn in diesem Berufszweig lernt man nie aus.“ Rein vom Bauchgefühl ziehe es sie aber weniger nach Frankreich, dem Mutterland von Macarons, Éclairs und Petits-Fours. Die Schweiz könnte sie sich da schon eher vorstellen. Für eine gewisse Zeit auf einem Kreuzfahrtschiff anzuheuern steht fest auf ihrer Berufs-Wunschliste. Und dann gibt es da ja noch ihren heimlichen Traum: In gut vier Jahren möchte Laura ein kleines Café in der Heimat eröffnen und dort ihre zuckersüße kreative Handwerkskunst anbieten. mes
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