Sternstunde unterm Sterndach
Konzertkritik: „Graceland“ begeistern mit ihrem Simon-and-Garfunkel-Retro
ROTHENBURG – So darf’s weitergehen im neuen musikalischen Programm bei Kunst Kultur Korn. „Graceland“ haben am Freitagabend zum Auftakt der Bühnenreihe 2016/17 mit ihren einfühlsamen und doch eigenständigen Interpretationen von Simon-and-Garfunkel-Hits das Auditorium begeistert und die Halle gerockt.
Dabei entfalten die Songs des weltbekannten US-amerikanischen Folk-Rock-Duos überraschend neue Reize. Was nicht nur daran liegt, dass Thomas Wacker und Thorsten Gary den großen Vorbildern stimmlich sehr nahe kommen.
Ihr Anspruch, die Welthits hochwertig und in neuer Verpackung zu präsentieren, erweist sich bei dem Konzert schnell als ein Versprechen, das in vieler Hinsicht gehalten wird. Auch wenn man zur Gewichtung der Bestandteile verschiedener Meinung sein kann. Die beiden Frontleute haben ein ambitioniertes klassisches Streicherensemble hinter und um sich. Die Stimmen und Gitarrenklänge des sympathischen Duos verschmelzen, verhalten und doch bestimmt angetrieben vom Schlagzeug, mit den Geigen, mit der Bratsche und mit dem Cello zu einer perfekt abgemischten, gut balancierten Einheit.

Stehender und begeisterter Applaus für „Graceland“ beim Konzert unterm Sterndach. Foto: Weber
Thomas Wacker, die Stimme von Paul Simon, ist studierter Konzertgitarrist, kann sich in vieler Hinsicht an seinem Vorbild messen. Thomas Gary, die Stimme von Art Garfunkel, wird ein ums andere Mal zum tragenden Element und vollzieht den für sein Vorbild so typischen Register-Wechsel von der Bruststimme in die Kopfstimme mit bemerkenswerter Perfektion. Aus dem fernen und kühlen Itzehoe im hohen Norden kommt „Graceland“ samt seinem klassischen Quartett in das „sonnige Vorgebirge“ nach Rothenburg gereist. Das schönste an diesem schrillen Ortswechsel, so geben Tommy und Thorsten augenzwinkernd zu verstehen, ist die Fahrt in den warmen Klangsommer und zu Freunden.
Verbal ist damit die Brücke geschlagen zum Publikum und das wird mit spontanen Sympathiebekundungen erwidert. Gewisse Erkältungserscheinungen im Ensemble, die vom Aufenthalt im Norden mitgebracht schienen, spielen keine Rolle. Wenn man einmal davon absieht, dass sich nach der Pause zu Füßen des in vieler Hinsicht ständig präsenten Cellisten plötzlich eine Dose Bonbons findet, die mit ein paar kleinen Hustenstillern auf die Bühne geschoben worden war.
Musikalisch geht es Schlag auf Schlag bei „Graceland“, manchmal fließend und ohne jeden Übergang. Da klingen sie wie ganz frisch mitten in unsere Tage hinein geschrieben herüber aus der großen Pop-Pionierzeit zwischen den 60er und den 80er Jahren, mit ihrer Botschaft von Liebe, Melancholie, Aufbruch und Ausbruch – all die Hits von Simon & Garfunkel.
„Mrs. Robinson“, „America“, „Sound of Silence“, „Bright Eyes“, „Homeward bound“, „Cecilia“, „Heart in New York“, „Bridge Over Troubled Water“, „Scarborough Fair“, „The Boxer“, natürlich auch dieses schier unverzichtbare „El Condor Pasa“ und viele, viele andere. Ein bisschen wird es für das in bester Spiellaune agierende und sich bis auf Soloeinlagen und Darstellungskünste in der ersten Reihe weitgehend dem Gesang unterordnende Ensemble zur Abschiedsvorstellung an diesem Abend in Rothenburg. Bratschistin Anja aus Kiew hat zum 1. Oktober eine Festanstellung als Geigerin an der Münchner Oper bekommen. Ersatz gesucht.
Die anderen in der Instrumentalriege stehen zusammen mit den beiden Stimmen für Kontinuität. Das sind an erster Stelle auf den beiden Flügeln Cellist Vasily aus St. Petersburg und erster Geiger Andrea (Italien) sowie dahinter zweite Geigerin Hiroko (Japan), Martina aus Freiburg an der Bassgitarre und Daniel aus Freiburg am Schlagzeug. Mitsingen und Mitklatschen ist Programm unterm Sterndach. Das Gastspiel wird zur Sternstunde. Nur nach Zugaben und dem Versprechen wiederzukommen wird „Graceland“ entlassen. -ww-
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