Getrübte Stimmung
Traditionelle Ansprachen in der Weihnachtssitzung
ROTHENBURG – Unter dem Eindruck des Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt waren die traditionellen Ansprachen der Fraktionsvorsitzenden in der Weihnachssitzung des Stadtrats geprägt von einer eher gedämpften Stimmung. Umso eindringlicher schwor man sich deshalb gegenseitig auf ein respektvolles Miteinander im Stadtparlament im kommenden Jahr ein.

Plätzchen, Gestecke und in festlichem Gewand – richtig weihnachtlich war dennoch den wenigsten Anwesenden im Sitzungssaal zumute.
Kerzengestecke und Plätzchen von der Bäckerei Striffler hatten ihre liebe Mühe ungetrübten weihnachtlichen Zauber zu versprühen. Zu einschneidend und verstörend waren in den vergangenen zwölf Monaten die Ereignisse auf nationaler und internationaler Ebene. „Mich gruselt’s“, bekannte etwa SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Günther Strobl. Den „Frieden der Zeit“ könne er angesichts der vielen „furchtbaren Umstände“ in sich nicht finden.
Finanzkrise, Terrorismus und ein sich „immer weiter ausbreitender Egoismus in unserer Gesellschaft“ machen ihm Angst. Die Migration und die damit zusammenhängenden Probleme seien nicht gelöst. „Obwohl es uns von den äußeren Bedingungen her so gut geht wie schon lange nicht mehr, ist die Stimmung im Lande schlecht“, so Dr. Günther Strobl.
Er finde es „nicht schlimm“, wenn zu den 30 Millionen Afghanen in Afghanistan nochmals 35 hinzu kommen, die hier in Deutschland straffällig geworden sind: „Darüber sollten wir nicht streiten.“ Aber auch die städtischen Schulden sprach der SPD-Fraktionsvorsitzende an. Er bekenne sich ausdrücklich zu jedem Cent Schuldenaufnahme, „weil uns die Investitionen in die Zukunft führen“. Die noch zu schulternden Investitionen machen ihn allerdings „nicht fröhlich“.
„Die Zukunft war früher auch besser“, zitierte Dr. Günther Strobl zum Abschluss seiner Ausführungen Karl Valentin. Für die anstehende zweite Hälfte der Legislaturperiode wünsche er sich im Stadtrat „gegenseitiges Vertrauen, bei strittigen Fragen Verständnis für die andere Seite und den guten Willen zur sachlichen Zusammenarbeit“.
Dr. Wolfgang Scheurer, Fraktionsvorsitzender der CSU, legte bei seiner Ansprache einen deutlichen Fokus auf die stadtpolitischen Projekte des vergangenen Jahres. So seien für die CSU die vorherrschenden Gefühle „Zufriedenheit und Dankbarkeit für die überaus positive Entwicklung“ der Stadt. Mit den getätigten Infrastrukturmaßnahmen habe man „einen großen Schritt nach vorne gemacht“.
Elan der Beiräte gelobt
Den Beiräten sprach er ein Lob für ihren Elan aus, mit dem sie an ihre Arbeit herangehen. Hinsichtlich der Mehrzweckhalle ist sich die CSU sicher, dass „ihre Nutzung eine Erfolgsgeschichte werden wird“. Das Nein des Stadtrats dort Veranstaltungen von politischen Parteien zuzulassen, halte man für einen „groben Fehler“.
In Bezug auf die Hochschul-Außenstelle rechnete Dr. Wolfgang Scheurer den Skeptikern im Gremium vor, welche Auslastung der Campus mit der Zeit aufweisen werde. So erwarte man „beim 7- bis 8-semestrigen Bachelor-Studium 350 bis 400 Studenten“ in Rothenburg. Aus der fünfstündigen Kreistagssitzung brachte er die Botschaft mit in die Tauberstadt, dass sich das Gremium einig sei, alle vier Standorte von ANregiomed in kommunaler Trägerschaft zu erhalten, dass aber das erwartete Defizit „unter keinen Umständen hinnehmbar“ sei.

In der Weihnachtssitzung ziehen traditionell die Fraktionsvorsitzenden Bilanz über das vergangene politische Jahr. Fotos: Scheuenstuhl
Die Freie Rothenburger Vereinigung verliert mit dem Jahreswechsel ein „zur lieben Gewohnheit“ gewordenes Thema, denn die Mehrzweckhalle steht vor ihrer Fertigstellung. Fraktionsvorsitzender Dr. Karl-Heinz Schneider führte auch den zu Ende gehenden Umbau der Toppler-Schule an, den er als „entscheidenden Schritt zur Verbesserung des Schulwesens“ wertet.
Noch in vollem Gange sind die Sanierungsmaßnahmen in der Burggasse. Bei vielen Bürgern habe die lange Dauer der Gesamtmaßnahme für Unmut gesorgt. Die FRV freue sich auf die abschließende Dokumentation durch die Bodendenkmalpflege und die „zu erwartende Erhellung der frühen Stadtgeschichte“.
Neidisch schaue man hingegen nach Dinkelsbühl, wo in Kürze eine Finanzhochschule eröffnet werden soll. Dr. Karl-Heinz Schneider bezeichnet es dabei als „noble Geste“, dass das dafür notwendige Gebäude „selbstverständlich auf Kosten des Freistaats errichtet“ werde.
Der Fraktionsvorsitzende der FRV dankte auch allen ehrenamtlichen Helfern in den Vereinen, Zusammenschlüssen und Gruppierungen, die „durch ihren selbstlosen Einsatz wesentlich zur Weiterentwicklung des funktionierenden Gemeinwesens in Rothenburg beigetragen haben.“ Paris,
Nizza, Ansbach, Würzburg, Freiburg und jetzt Berlin: „Weih-nachtliche Gedanken können da nicht aufkommen“, betont UR-Fraktionsvorsitzender Hermann Schönborn. Die politischen Reaktionen fallen von links bis rechts sehr unterschiedlich aus. „Fest steht deshalb auch, dass die politische Diskussion über Konsequenzen den Schutz unserer Mitbürger in den Mittelpunkt stellen muss“, so Herrmann Schönborn weiter.
Fehler der Vergangenheit
Fehler der Vergangenheit müssen im Rahmen einer „besonnenen Politik“ korrigiert werden. Allerdings müsse man sich vor einer „pauschalen Vorverurteilung der tatsächlich Schutzbedürftigen hüten“. Die Aufnahme und Integration von so vielen Menschen sei eine „große Aufgabe“. Deshalb dankte der UR-Fraktionsvorsitzende den Ehrenamtlichen des Arbeitskreis Asyls, die sich „in ihrer Freizeit aufopferungsvoll um die in Rothenburg lebenden Asylbewerber kümmern“.
„Wenn die Aussagen von Mitarbeitern der Sparkasse stimmen, dann sollen in den nächsten Wochen bis zu 70 Arbeitsplätze nach Ansbach verlegt werden“, stellte Hermann Schönborn in den Raum. Oberbürgermeister Hartl ist einer der stellvertretenden Verwaltungsratsvorsitzenden der Sparkasse Ansbach und widersprach dieser Behauptung. Es werden keine Arbeitsplätze aus Rothenburg abgezogen, so das Stadtoberhaupt.
„Wir können froh und dankbar sein, die Entwicklungen hier in unserer kleinen Stadt steuern zu dürfen“, erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzender Dieter Seiferlein. Auch wenn es dabei nicht möglich sei, jedem gerecht zu werden, kritische Stimme gelte es ernst zu nehmen.
Unter einen Hut bringen
Ausländische Gäste und Besucher aus der Stadt und dem Umland profitieren, laut Dieter Seiferlein, von der gesteigerten Aufenthaltsqualität Rothenburgs. Der Stadtmarketingverein „sollte und wollte hier einige Verbesserungen auf den Weg bringen“, sei aber an der konservativen Haltung gegenüber Veränderungen und der unglücklichen Personalbesetzung gescheitert. Es bleibe eine „anstrengende Herausforderung“ die verschiedenen Interessen der Akteure unter einen Hut zu bringen: „Wir rufen deshalb alle Beteiligten auf, an einem Strang zu ziehen und das bitte in die gleiche Richtung.“
In Rothenburg seien dringend qualifizierte Arbeitsplätze nötig, so Dieter Seiferlein weiter. Mit Sorge sehen die Grünen deshalb die sich „endlos hinziehende Entwicklung eines Gewerbegebiets an der Ansbacher Straße. Bisher sei dort nur ein „fachmännisch bepflanzter Lärmschutzwall zu bewundern“.
Bestätigt sehen sich die Grünen beim Thema barrierefreier Zugang zu den Ämtern der Stadtverwaltung. Was lange Zeit als „aussichtsloses Unterfangen“ galt, wird nun angegangen. Für Dieter Seiferlein zeigt sich einmal mehr damit: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“
Auch Oberbürgermeister Walter Hartl zeigte sich bedrückt von den Entwicklungen der vergangenen Monate. Er zitierte eine kürzlich in den Nürnberger Nachrichten erschienene Überschrift, die da lautete „der Hass wächst“. Das Stadtoberhaupt bezog sich aber nicht nur auf den jüngsten Anschlag in Berlin. Die Aussage treffe mindestens genauso auf den Umgang in sozialen Medien zu, wo Hass-tiraden veröffentlicht werden und Drohungen ausgesprochen werden. Als Gesellschaft müsse man sich ganz intensiv damit auseinadersetzen, wie man dies wieder ins Gegenteil verkehren könne.
Respektvolle Diskussionskultur
Es freue ihn, dass man im Stadtrat dagegen „ein gutes Klima pflege“ und eine respektvolle Diskussionskultur lebe. Angesichts der zahlreichen Projekte lägen „anstrengende, intensive Monate“ hinter den Stadtratsmitgliedern und den Mitarbeitern der Stadtverwaltung. Walter Hartl versprach, dass das kommende Jahr „nicht viel besser“ werde. Die Ergebnisse, die erzielt werden, tragen seiner Ansicht nach aber dazu bei, dass sich die Stadt weiterentwickelt.
Bei aller Sorge dabei um die Verschuldung sei er der Überzeugung, dass das Geld nicht aus dem Fenster geworfen, sondern gezielt eingesetzt werde. Der angespannte Wohnungsmarkt ist momentan eines der drängendsten Probleme in der Rothenburger Stadtpolitik. mes
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