Köhler-Meiler auf dem Wildbadareal
Bei „Art Residency Wildbad“ 2018 arbeitet Künstlerin Ulrike Mohr mit zu Kohle verwandeltem Holz
ROTHENBURG – Das Geheimnis ist gestern Nachmittag gelüftet worden: Die in Berlin lebende und arbeitende Bildhauerin Ulrike Mohr (Jahrgang 1970) wird im Rahmen der Reihe „Art Residency Wildbad“ als nächste auf dem Gelände der ehemals Hessingschen Kuranstalt ihre Zelte aufschlagen.
Ab dem Frü̈hsommer und voraussichtlich insgesamt rund drei Monate lang wird sie – nach kurzen Phasen der Recherche und des Einschwingens auf die Gegebenheiten an Ort und Stellen – sich dort an einem Kunstwerk zu schaffen machen, das sie zum Ende ihres Aufenthalts hinterlässt. Zu diesem Arbeitsbesuch eingeladen worden ist sie von der Evangelischen Tagungsstätte im Rahmen des Projektes „Art ResidencyWildbad“.
Die Bildende Kü̈nstlerin Ulrike Mohr hat Freie Kunst/Bildhauerei an der Weißensee Kunsthochschule Berlin studiert. Ihr kü̈nstlerisches Inte-resse gilt den Transformationsprozessen von Materialien. Und gerade in diese Sparte wird auch das fallen, was sie bei ihrem Werk für das Wildbad-Gelände im Auge hat.
Sie hat eine Vorliebe für das Verwandeln von Holz zu Kohle. Sie köhlert selbst und hat die Vorrichtung – einen Tonnenofen – dafür auch selbst entwickelt. Auf dem Wildbad-Gelände wird ihr der allerdings nicht ausreichen, denn die großen Holzstämme, die sie nach einer Parkpflegeaktion zum Freischneiden von Sichtachsen ausgesucht hat, sollen beim Köhlern am Stück bleiben. Es handelt sich um lange Stamm-Partien von Thuja und Esche. „Diesmal müssen wir den Ofen um das Holz herum bauen,“ kündigt sie an und lädt schon jetzt dazu ein, sie bei diesem Prozess zu begleiten und auch zu unterstützen.
Ulrike Mohrs Arbeiten nehmen den öffentlichen Raum als Ausgangspunkt und basieren auf kritischer Beobachtung, prozesshafter Aufzeichnung, strukturierenden Vermessungen oder auch der Einfü̈hrung anderer Ordnungssysteme. Sie hat beispielsweise eine Gruppe wild gewachsener Bäume auf dem Dach des Palastes der Republik in Berlin befanden, auf innerstädtisches Brachland umgepflanzt („Aktion Restgrü̈n“, 2006).
Markante Signalkugel
Zu weiteren markanten Projekten der Kü̈nstlerin in Berlin zählt u.a. die „Signalkugel“ in Kreuzberg. An der Stelle eines ehemaligen Leuchtturmes als bewegliche Leuchtkugel errichtet, reagiert sie ü̈ber einen Bewegungsmelder auf den Schiffsverkehr auf der Spree. Fährt ein Schiff an der Signalkugel vorbei, fällt die Kugel nach unten und wird anschließend ü̈ber Druckluft in ihre Ausgangsposition nach oben gefahren.
Seit 2008 beschäftigt sich Ulrike Mohr mit dem Prozess des Köhlerns. Jü̈ngstes Beispiel dafü̈r ist „Wechselraum“, ein kollaboratives Projekt und kuratorisches Experiment von Ulrike Mohr Anfang Januar an der Zü̈rcher Hochschule der Kü̈nste, in dessen Mittelpunkt eine Raumzeichnung aus Holzkohle steht.
Für die 6. Internationale Kunstbiennale in Sinop (Türkei, 2017) gestaltete Ulrike Mohr unter dem Titel „Black Sea Resonance“ eine Raumzeichnung aus hängender Holzkohle, gefunden im Schwarzen Meer. Asche, Ruß, Ton, Glas, Metall, Stoff, Licht, Farbe und Wasser sind weitere Materialien, mit denen Ulrike Mohr gern arbeitet.
Das Wildbad Rothenburg hat sein Programm „art residency wildbad“ 2017 ins Leben gerufen. Es ist auf zehn Jahre angelegt. Eine Fachjury schlägt dafü̈r jährlich neue Kü̈nstler oder Kü̈nstlergemeinschaften mit professioneller Ausbildung, entsprechenden Referenzen und nationaler bzw. internationaler Ausstellungs- oder Projekterfahrung vor, Kunstwerke vor Ort zu entwickeln. Die sollen auf Dauer im öffentlichen Park des Wildbads verbleiben.
Projektbegleitend gibt es öffentliche Veranstaltungen, darunter Einladungen ins Atelier, zu Kü̈nstler-Stammtischen, Gespräche ü̈ber Kunst und anderes. Das insgesamt rund sechs Hektar große, malerische Areal des Wildbads umschließt das 1900 in den Hang hineingebaute Kurhausensemble im Stil des Historismus. Seit 40 Jahren ist das Wildbad im Besitz der evangelischen Kirche und es ist – nach den Turbulenzen im vergangenen Jahr – zum Glück auch in deren Händen geblieben.
Das erste landschaftsgebundene Kunstwerk im Wildbad Rothenburg realisierte 2017 das Künstlerduo Böhler & Orendt aus Nü̈rnberg. Matthias Böhler und Christian Ohrendt haben eine mehrteilige figurative Skulpturengruppe entwickelt (wir berichteten) und platzierten sie im Bereich der Treppenanlage, die das Wildbad ü̈ber das Spitaltor direkt mit der Rothenburger Altstadt verbindet.
Für 2019 gibt es schon die ersten Überlegungen, allerdings bisher ohne Ergebnis. Es gilt als nicht ausgeschlossen, dass erstmals Künstler aus anderen Kulturkreisen und aus ande-ren Religionen zum Zug kommen könnten. Das jährliches Budget „art residency wildbad“ beträgt insgesamt rund 30000 Euro. Hinzu kommen Mittel aus dem Kunstfonds der Evangelischen Landeskirche in Bayern sowie weitere Fördermittel, Spenden oder Sponsorengelder. Das Projekt 2018 wird gefördert vom Kunstfonds der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern (ELKB), vom Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V. und vom Kunstfonds Bayern.
Der Wildbad-Kunstjury gehören an: Heike Baranowsky, Professorin fü̈r Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Kü̈nste Nü̈rnberg, Helmut Braun, Kunstreferent der evangelischen Landeskirche in Bayern und Kurator, Bärbel Faschingbauer, Diplom-Ingenieurin fü̈r Gartenkultur und Landespflege, Bezirksheimatpflegerin Andrea Kluxen und Dr. Georg Winter, Professor fü̈r Bildhauerei/Public Art an der Hochschule der Bildenden Kü̈nste Saar (Jury-Vorsitz). Mitglieder des Kuratoriums „art residency wildbad“ sind Pfarrer Herbert Dersch, Leiter der Tagungsstätte Wildbad, und Stephan Michels, der stellvertretende Leiter. -ww-
Schreibe einen Kommentar