Ein tierisches Vergnügen: Wie man sich bei den Langohren beliebt macht
ROTHENBURG LAND – Verwunderte Blicke ist Stephan Berger gewohnt, wenn er mit seinen beiden Eseln „Günther“ und „Düsel“ wandern geht und abseits von Hektik die Natur genießt. Der Rothenburger Hotelier und Bierbrauer bietet auch seinen Gästen Eselwanderungen an. Vor allem Familien ziehen gern mit den grauen Langohren los. Aus dem Trott rauskommen hat sogar Manager schon veranlasst, sich auf das gemeinsame Erleben des Eselwesens einzulassen.
Zufällige Begegnung in Oberbreitenau mit Bürgermeister Richard Strauß (re) im Dienst. Fotos: Schäfer
Wer noch nie mit einem Esel gewandert ist, kann sich wahrscheinlich anfangs nichts darunter vorstellen. Man reitet nicht auf den Eseln, sondern man führt sie am Seil. Die beiden Wallache leben mit einem weiteren Esel und zwei betagten Pferden, die bei Friedrich Wolff in Kirnberg liebevoll ihr Gnadenbrot bekommen, gemeinsam in einem Stall und auf der Weide, wo sie Auslauf haben, ein Lager aus Stroh und eine Tränke mit frischem Wasser. Hier fühlen sich die Tiere richtig wohl.
Mit Eseln über den Ural
Schon als Dreikäsehoch wollte Stephan Berger einen kleinen Esel haben. Ein Pferdefan, wie seine Schwester, war er nie. Sie hatte ihn in den 60er Jahren mit in den Rothenburger Reitstall genommen. Doch der Bub fand keinen Zugang zu den Pferden. Mit dem Gedanken an einen Esel konnte er sich mehr anfreunden. Aber erst Jahrzehnte später setzte er seinen Wunsch in die Tat um. Vor etwa drei Jahren kaufte er zwei Esel aus einem Gestüt in Thüringen. Der Gebsattler Hartmut Braun, ein guter Freund und Esel-Experte, half beim Tiertransport. Die beiden Jungtiere bekamen den Namen von Erwachsenen, mit denen Stephan Berger schöne Erinnerungen verbindet. „Natürlich ist es spleenig, wenn ein Erwachsener mit zwei Eseln durch die Gegend läuft“, sagt der Rothenburer. Er lässt sich nicht gern in ein Schema pressen und steht zu sich selbst. „Die einen kraxeln auf den Killimandscharo. Die anderen fahren mit der Harley auf dem Highway der aufgehenden Sonne entgegen.“
Stephan Berger möchte eines Tages mit seinen Eseln, die bei guter Gesundheit über 40 Jahre alt werden können, über den Ural wandern rein nach Sibirien: „Es muss nicht gleich nach Novosibirsk sein“, sagt er, „dann wäre das in drei Wochen zu schaffen.“ Es besteht die Aussicht, dieses Vorhaben umzusetzen, wenn Tochter Lissy, die bereits auf dem Gebiet der Gastronomie neue und erfolgreiche Wege eingeschlagen hat, soweit ist, den traditionsreichen Familienbetrieb weiterzuführen.
Mit trockenem Humor erzählt Stephan Berger, dass ihn seine Frau Lilo mit Begeisterung zu den Eseln lässt: „Da bin ich gut aufgehoben und komme dann immer sehr entspannt zurück.“ Stallgeruch und Eselsdüfte wäscht er unter der Dusche oder in der heißen Badewanne ab. Die Gattin hat eine feine Nase und reagiert empfindlich auf tierische Ausdünstungen.
Vorsichtig tastet sich der Esel den Hang hinunter.
Die erste Begegnung mit Günther und Düsel ist spannend. Wie werden Mensch und Esel miteinander auskommen? Sie gelten als Inbegriff des Störrischen und Verbockten. Wenn Stephan Berger seinen Günther (9 Jahre alt) und Düsel (5) das Führseil umlegt, klappt das mal schneller, mal langsamer. Schnell merken die wuscheligen Gesellen, dass etwas anders ist. Mit der großen Nase voraus beschnuppern sie neue Besucher zwar noch ein wenig zurückhaltend, aber neugierig. Stephan Berger geht immer mit beiden Eseln wandern. So motivieren sie sich gegenseitig. Geht Düsel voran, tappt Günther hinterher. Manchmal bleiben sie auch einfach stehen.
Wandern mit Eseln bedeutet: gemächliches Tempo. Wenn man offen dafür ist, lernt man auch noch ein paar neue Dinge über sich selbst und seine Führungsqualitäten. Am Anfang ist die Eselwanderung mühsam und anstrengend. Doch nach einiger Zeit lernen sich Mensch und Tier besser kennen. Am besten ist es, sich als Begleiter durch nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. Wer hier wen führt, das wird sich noch zeigen. Einen Esel zum Laufen zu bringen ist nicht so schwer. Die Kunst ist, ihn am Laufen zu halten. Wenn man von einer weichen Nase angestupst wird und in die dunklen Augen blickt, hebt sich sofort die Stimmung und es kann losgehen. Und wenn man nicht ungeduldig wird, dann geht es immer irgendwann weiter. Das Loben darf man nie vergessen.
Bei jedem Neuling probieren Gün-ther und Düsel erst einmal aus, was ihnen erlaubt wird und was nicht. Da muss der Eselwanderer durch. Irgendwann merkt man, wie der Takt sich verändert, wie es nach Stopps schneller wieder weitergeht Wie man ein Gefühl für das Führseil bekommt und schon vorher ahnen kann, wenn der Esel gleich stehen bleibt. Man darf nicht zuviel erwarten. Wenn die Esel stehen bleiben, erhöht man langsam den Druck auf dem Seil.
Sobald sie nur die kleinste Regung machen weiterzugehen, belohnt man sie mit Streicheleinheiten. Es geht nicht darum, schnell ans Ziel zu kommen, sondern darum, den Rhythmus zu finden, die Kommunikation zwischen Mensch und Tier, das gute Gefühl zu zweit oder zu mehreren in der Natur einvernehmlich zu gehen. Ist der Draht zwischen Esel und Mensch hergestellt, dann sind auch Pausen drin, steile Aufstiege werden mit Freizeit und Grasen belohnt.
Günther und Düsel sind verwöhnt und knabbern beim Gehen gern links und rechts und bleiben dann auch oft stehen. Dann heißt es beobachten und überlegen, woran das liegt: Lockt Leckeres am Wegesrand? Ist der Weg anstrengend? Nicht nur der Mensch, auch der Esel hat dann weniger Lust zu laufen. Ist Gefahr in der Nähe? Esel haben feine Sinne und wittern vieles, was uns Menschen nicht auffällt. Oder ist der Eselsgefährte außer Sicht? Dann möchte Düsel gerne auf Günther warten. Wenn die Esel knabbern wollen, dann ist in diesem Moment Führung gefragt. Nicht zu sehr dem Esel nachgeben.
Unterschätzte Talente
An der Kirche in Kirnberg vorbei führt der Weg steil bergauf. Es geht durch den Wald, über Feldwege und auf der Straße nach Oberbreitenau. Bürgermeister Richard Strauß ist gerade mit Dorfbewohnern im Gespräch. Die besondere Art der Begegnung löst zwangsläufig Staunen und Neugier aus. Das Eselwandern ist sehr kommunikativ. Ein Mann auf dem Trecker grüßt freundlich. Spaziergänger bleiben auf ein Schwätzchen stehen. In Kirnberg und Umgebung ist das Trio schon gut bekannt. Manchmal gehen die Esel gut voran, manchmal werden sie immer langsamer, bleiben alle zwei Meter stehen und fressen. Dann ignorieren sie erst einmal das Ziehen an der Leine. Schließlich geben sie dem Drängen der menschlichen Begleiter doch nach. Zurück geht es am Förlesbergbrunnen vorbei, wo Stephan Berger an der Treppe demonstriert, wie Düsel zögerlich und tastend seine Hufe auf dem abfallenden Steig in den rutschigen Untergrund setzt.
Düsel und Günther sind auf Wanderungen auch schon ausgebüxt und nach einigen Umwegen dann schnell gefunden worden. Zur Reiterlesmarktzeit tauchten sie plötzlich mitten in der Altstadt auf. An offenen Vorgärten heißt es, auf der Hut zu sein. Das Grün am Wegesrand zieht die Esel magisch an. Sie sollen aber nicht zuviel Nahrung auf einmal fressen und nicht zuviel frisches, grünes Gras. Sonst bekommen sie eine Stoffwechselkrankheit, die sich auf die Hufe auswirkt und schlimme Qualen verursacht.
In der Kulturgeschichte tritt der Esel immer wieder auf den Plan: Im Neuen Testament etwa, demzufolge Jesus auf einem Esel in Jerusalem einzog. Der Esel stammt von einem afrikanischen Wildesel ab, und der war durch die Evolution darauf getrimmt, bei Gefahr stehenzubleiben. Das war in der steinigen hügeligen Landschaft für ihn überlebenswichtig.
Im Volksmund gilt der Esel als stur, faul und dumm. Das wird ihm nicht gerecht. Er ist ausdauernder als ein Pferd, Und wenn es darum geht, wo man Futter findet, wie man eine Türe aufmacht oder wie man sich das Leben etwas einfacher macht, ist der Esel dem Pferd überlegen. Esel sind im Umgang eigentlich gar nicht kompliziert, sondern sehr bedächtig und vorsichtig. Wenn Mensch und Tier sich vertrauen, sind sie ein richtig gutes Team. sis
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