17.04.2025

An der Seite der Opfer

Mitgliederversammlung des „Weissen Rings“ in Rothenburg

ROTHENBURG – Niemand ist davor gefeit, Opfer einer Straftat zu werden. Der Verein „Weisser Ring“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen in einer derartigen Ausnahmesituation persönlichen Beistand zu leisten und ihnen bei der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen zu helfen. Im Wildbad traf sich am Wochenende der Landesverband Bayern-Nord zu seiner Mitgliederversammlung.

Ehrengäste und Funktionäre (v.l.): Peter Meyer, Dr. Jürgen Ludwig, Dieter Kölle, Dr. Burkard Rappl, Bianca Biwer und Josef Wittmann. Foto: Scheuenstuhl

Es gebe Einrichtungen, so Landtags-Vizepräsident Peter Meyer in seinem Grußwort, von denen man sich wünscht, dass es sie nicht geben müsste. Der „Weisse Ring“ – „bei aller Wertschätzung“ – gehöre da dazu. Doch nur sehr wenige und Gutgläubige könnten ernsthaft der Überzeugung sein, dass sich die Arbeit des Vereins eines Tages erübrigen werde. Verbrechen seien, laut Peter Meyer, einfach eine „Grundkonstante des menschlichen Zusammenlebens“.

Opfer wurden lange Zeit meist nur als Zeugen einer Straftat behandelt. Mittlerweile sei man aber zu der Erkenntnis gelangt, dass man den Blick weg vom Täter und auf die „Belange der Opfer“ richten müsse. Der „Weisse Ring“ habe einen „sehr großen Anteil“ an der Verbreitung dieser Überzeugung, betonte der studierte Jurist. Die ehrenamtlichen Helfer nehmen sich der Opfer ohne jeden Vorbehalt an. Sie sorgen unter anderem auch  dafür, dass sie nicht „ein zweites Mal zu Opfern“ werden, etwa wenn ihre Geschichte von den Medien „ausgeschlachtet“ werde.
Expertise einbringen
Forderungen an die Politik zu stellen gehöre zum wesentlichen Aufgabenbereich des Vereins. Peter Meyer ermutigte die Mitglieder weiterhin ihre „Expertise beharrlich einzubringen“. Vor ihrer ehrenamtlichen Leistung könne man nur „den Hut ziehen“. Bürgermeister Dieter Kölle schloss sich mit seinem Dank für den „großen Einsatz“ für diese „wichtige soziale Aufgabe“, den wertschätzenden Worten der Ehrengäste an.
Die Arbeit der Mitglieder des „Weissen Rings“ geschehe meist „im Stillen“. Damit sie zumindest im hiesigen Bereich ein Gesicht bekommt, nutzte Dieter Kölle die Gelegenheit und stellte den Anwesenden Karl Herrscher vor. Der gebürtige Rothenburger ist seit 2010 Außenstellenleiter im Landkreis Ansbach.
Dort lasse es sich „unterm Strich“ gut leben, wie Landrat Dr. Jürgen Ludwig anhand von Zahlen belegte. So lag etwa im Jahr 2016 die Kriminalitätsbelastung des Landkreises (Anzahl der Straftaten bezogen auf 100000 Einwohner) bei 3300, für Mittelfranken bei 5400 und für ganz Bayern bei 6800 Straftaten. Wie geht es aber dann dem Einzelnen „über dem Strich“, der Opfer einer dieser Taten wird?, fragte Dr. Ludwig. Der „Weisse Ring“, so seine Antwort, sei in diesen Fällen „ganz wichtig“.
„Leistungskräftig, stark, präsent“
Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des „Weissen Rings“, stellte die „wertvolle Zusammenarbeit“ mit dem Landesverband heraus, der „sehr leistungskräftig, stark und präsent“ sei. Als eingeführt wurde, dass man ein Führungszeugnis vorlegen muss, um als Opferhelfer tätig sein zu dürfen, erfüllte man in Bayern-Nord diesen Standard als einer der ersten Landesverbände zu 100 Prozent.
Sie sind das „Herzstück unseres Vereins“, würdigte sie die knapp 100 anwesenden Außenstellenleiter und Mitglieder. Ein Einzelfall dürfe nicht  dazu führen, so Bianca Biwer weiter, dass „ihre wertvolle Arbeit“ in den Hintergrund rücke. Damit sprach sie die jüngsten Schlagzeilen aus Lübeck an. Dem dortigen Außenstellenleiter werden, laut Medienberichten, „Belästigung“ und „unprofessionelles Verhalten“ vorgeworfen.
„Es tut gut, auch mal ein bisschen Lob zu hören“, dankte Josef Wittmann, Landesvorsitzender Bayern-Nord, den Vorrednern für ihre Würdigungen. Nicht nur mit dem Landesverband, sondern auch zum 2005 geschaffenen Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) bestehe eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, so Josef Wittmann. Dahinter verbirgt sich die Landesbehörde für soziale Leistungen im Ressort des Bayerischen Sozialministeriums. Über das ZBFS entschädigte der Freistaat Menschen, die Opfer von Gewalttaten geworden sind, im vergangenen Jahr mit insgesamt 30 Millionen Euro – der höchste Betrag der letzten fünf Jahre.
Gesetzliche Ansprüche auf Schadensersatz gegenüber dem Täter sind oft nicht zu realisieren. Deshalb wurden mit dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) die Voraussetzungen für Entschädigung bei Gewalttaten geregelt. Als Gewalttat gilt ein „vorsätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff gegen die Person“. Leistungen sind möglich bei Gewalttaten seit 1976, seit 2009 auch bei jenen im Ausland.
Ministerialdirigent Dr. Burkard Rappl gab einen kurzen Überblick über die verschiedenen „Töpfe“, aus denen Betroffene eine Entschädigung erhalten können. Die vor fünf Jahren gegründete Stiftung „Opferhilfe Bayern“ etwa habe im vergangenen Jahr 129 Zuwendungen in einer Gesamt-höhe von 720000 Euro bewilligt. Von Gerichten und Staatsanwaltschaften seien 824000 Euro dort eingegangen.
Viele Opfer von Gewalttaten nehmen ihnen nach dem OEG zustehende Hilfen nicht in Anspruch, so der Ministerialdirigent, weil sie schlicht nicht darüber Bescheid wissen oder Angst vor den bürokratischen Hürden haben. Es sei deshalb Aufgabe des ZBFS „proaktiv auf Betroffene zuzugehen“, um ihnen zu erklären, was geleistet werden kann“. mes

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