Ärztehaus: Qualität bei der Architektur gefragt

Stellungnahme des Vereins Alt-Rothenburg hinterfragt kritisch

ROTHENBURG – In einer grundlegenden Stellungnahme, die thematisch über das geplante umstrittene Ärztehaus hinausgeht, äußert sich jetzt der Verein Alt-Rothenburg. Man fragt, was „blumig formulierte Leitbilder noch wert sind“, wenn eine solche Bebauung möglich werden sollte. Der Verein fordert „architektonische Qualität“ und empfiehlt sich dafür Zeit zu lassen.

Im Hinblick auf die Bedeutung für Stadtentwicklung und Denkmalpflege veröffentlichen wir die Stellungnahme nachstehend im Wortlaut als Diskussionsbeitrag und Meinung der Vorstandschaft des Vereins Alt-Rothenburg, die betont, sie lehne den Neubau eines im Garten des ehemaligen Amtsgerichts geplanten Ärztehauses in der beantragten Größe und Gestalt ab. Weiter heißt es: Es rächt sich nun, dass man in der jüngeren Vergangenheit trotz verschiedener Vorstöße und Anregungen des Vereins Alt-Rothenburg weder eine befriedigende Lösung für den Umgang mit der Bausubstanz des Wiederaufbaus nach 1945 noch für die historistischen Gebäude im und am Grüngürtel unmittelbar vor der Stadtmauer gefunden hat.

Ist das für den Wiederaufbau paradigmatische „Florin-Haus“ (Ecke Milchmarkt/Stollengasse) inzwischen in die Denkmalliste aufgenommen worden? Besteht für das unmittelbare Vorfeld der Stadtbefestigung ein verbindliches Konzept? Den Rat des Vereins sucht man seitens der Stadt seit längerem nicht mehr ernsthaft. Folglich sind die Gesamtkomplexe „Wiederaufbau“ und „Grüngürtel“ noch immer schutzlos. Das geplante „Ärztehaus“ beeinträchtigt durch sein Volumen und seine Höhe sowohl sein unmittelbares Umfeld, das eine historische Entwicklungsphase unserer Stadtgeschichte ziemlich ungestört dokumentiert, ebenso wie die Stadtansicht als Ganzes. Wie bei der geplanten Mehrzweckhalle am Friedrich-Hörner-Weg (fast so groß wie ein halber Sportplatz!) sollte man auch an den berühmten Blick auf die Stadt – „fränkisches Jerusalem“ – vom Gegenhang des Taubertals (Leuzenbronner Steige usw.) denken.

Der Turmblick zeigt den noch grünen Park, der bebaut werden soll. Selbst die Wohnblockdimension rechts fügt sich ein.  Fotos: diba

Der Turmblick zeigt den noch grünen Park, der bebaut werden soll. Selbst die Wohnblockdimension rechts fügt sich ein. Fotos: diba

Die reizvolle Silhouette der Stadtmauer mit ihren vielfältig ausgeprägten Türmen würde durch das „Ärztehaus“ ebenso wie durch die Mehrzweckhalle teilweise vernichtet. Dies zeigt sich etwa am Beispiel der Topplerschule, die als störendes Element aber keineswegs neuerliche Fehler rechtfertigen kann – nach dem Motto: Im Grüngürtel gibt es ja schon sehr wuchtige und hohe Gebäude, da kommt es auf eines mehr oder weniger nicht an. Wir schreiben 2013 und nicht 1913, und unse-re Auffassungen von Denkmalschutz sollten sich inzwischen wei­terentwickelt haben. Uns stellen sich folgende Fragen: Gibt es vom Landesamt für Denkmalpflege eine gültige, schriftliche Stellungnahme zu dem Bauvorhaben „Ärztehaus“, die eigentlich Voraussetzung für jegliche seriöse Planung sein sollte – zumal in einer Stadt wie Rothenburg, die mit ihren Denkmälern in der Tourismuswerbung ungeniert hausieren geht?

War bei der seinerzeitigen Umnutzung des Amtsgerichts nicht vorgesehen, dass der Garten mit seinem alten Baumbestand erhalten bleiben sollte? Wo sind großen Bäume geblieben, wer hat sie wann gefällt? Wird ein Neubau, der in Größe und Form keinerlei Rücksicht auf die Umgebungsbebauung nimmt, nicht als Präzedenzfall weitere Begehrlichkeiten erzeugen? Kann die Stadt dann solche Vorhaben noch ablehnen? Bedeutet ein möglicher Abzug von Arztpraxen aus der Altstadt nicht auch einen weiteren Verlust ihrer Zentralität, schadet er nicht auch dem Einzelhandel – und damit den Zielen des Vereins Alt-Rothenburg, der sich seit langem Sorgen macht um den Erhalt von Handel und Dienstleistungen in der Altstadt? Was sind die blumigen Formulierungen im neuesten „Leitbild“ der Stadt wert, in denen von einer „einmaligen“ Verbindung von Altstadt und Grüngürtel schwadroniert wird?

Wir fordern deshalb: Eine Bebauung im Amtsgerichtsgarten sollte unterbleiben! Wenn doch gebaut werden muss, sollte sich der Neubau in seinen Dimensionen, insbesonders der Bauhöhe, an der historischen Umgebung orientieren (mittlere Bauhöhe usw.) Ein Flachdach mit einem „Pent­house“ – der Spießertraum schlechthin – kommt überhaupt nicht in Frage. Ein merklich niedrigeres Haus mit Satteldach, korrespondierend mit den baulichen Gegebenheiten in der Nachbarschaft, müsste sich in der Qualität seiner Architektur deutlich abheben von dem ästhetisch völlig unbefriedigenden Entwurf, der im „Fränkischen Anzeiger“ zu sehen war. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir sprechen hier nicht vom Neubaugebiet im Heckenacker am Herterichweg, sondern von einer der wichtigsten und in ihrem Erscheinungsbild noch weitgehend unzerstörten Einfahrt in die Altstadt, die Tag für Tag von Tausenden von Menschen passiert wird. Gerade an diesem äußerst sensiblen Punkt im unmittelbaren Vorfeld der Röderbastei sollte man nichts übers Knie brechen, sondern sich Zeit lassen, unterschiedliche Meinungen einholen und diese auch ernst nehmen.

(Für den Vorstand hat Schriftführer Dr. Richard Schmitt diese Stellungnahme unterzeichnet).

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