Traurige Wahrheit
Ein Buch über spektakuläre Kriminalfälle
ROTHENBURG LAND – Zu Mittelfrankens spektakulärsten Kriminalfällen gehört die „Pump-Gun-Bande“, die im Landkreis Ansbach über Jahre hinweg Banküberfälle begangen hat, darunter in Dombühl. Polizeihauptkommissar Bert Rauenbusch, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Mittelfranken, hat außergewöhnliche Straftaten, die aus dem Rahmen der „normalen“ Kriminalität herausfallen, in einem Buch zusammengestellt.

Polizeihauptkommissar Bert Rauenbusch: Aus seinen Recherchen ist ein Buch geworden. Foto: priv
Die Sammlung „100 Jahre Kriminalgeschichte in Mittelfranken – aufgeschrieben in 80 Fällen“ gibt eindrucksvolle Einblicke in akribische Polizeiarbeit. Ihr ist es zu verdanken, dass brutale Verbrecher hinter Schloss und Riegel kamen oder schwere Unglücksfälle aufgeklärt werden konnten. Die Schilderungen richten den Blick auch auf die Opfer, die größtenteils völlig arglos, hinterhältig oder auch brutal angegangen wurde, sogar grausam zu Tode kamen. Mancher Fall ist noch immer ungeklärt. Ein Doppelmord in Fürth gehört dazu und der Fall von zwei Toten, die verbrannt auf einem Autobahnparkplatz aufgefunden worden waren.
Parallelen entdeckt
Der Pump-Gun-Bande wurde mit dem Urteil des Landgerichts Anbach vom 25. Oktober 2005 das Handwerk gelegt. Damit fand eine seit 1996 andauernde Serie von Banküberfällen ihr Ende. Die drei Angeklagten wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Nahezu 100 richterliche Beschlüsse waren bundesweit notwendig, um am Ende diesen Erfolg verbuchen zu können.
Am 13. Dezember 2000 gegen 9.40 Uhr hatte ein Mann mit einer Latexmaske „Alter Mann“ die Sparkassenfiliale Dombühl betreten. Mit einem schussbereiten Gewehr im Anschlag drohte er, zwei Kundinnen als Geiseln zu nehmen und forderte vom Filialeiter die Herausgabe des Geldes. Dieser händigte ihm den gesamten Barbestand des Tresors aus. Es handelte sich um eine hohe Summe.
Mit der Drohung zu schießen, forderte der Räuber die Anwesenden auf, sich auf den Boden zu legen und ruhig zu verhalten. Vor der Tür wartete ein Komplize im Fluchtauto mit bereits laufendem Motor. Hinterher stellte sich heraus, dass die Kennzeichen am Fahrzeug im Raum Kitzingen gestohlen worden waren.
Schon nach kurzer Zeit stand fest, dass dieser Überfall zu einer Serie gehörte, denn es ergaben sich entsprechende Parallelen. In allen Fällen suchten sich die Räuber kleine Ortschaften aus. Die nächste Polizeidienststelle war stets mehrere Kilometer entfernt. Der Fahrer wartete mit laufendem Motor vor der Bank. Der Täter untermauerte seine Forderungen durch Drohungen mit einer Pump-Gun und legte gelegentlich eine Bombenattrappe auf den Banktresen.
Das Geld mussten die Angestellten immer in eine mitgebrachte Leinentasche stecken. Das Fluchtfahrzeug war mit gestohlenen Kennzeichen ausgestattet, die überwiegend an Pendlerparkplätzen außerhalb von Ortschaften gestohlen worden waren. Durch mühevolle Kleinarbeit und unter Mithilfe des „Kommissars Zufall“ ergab sich ein erster realer Tatverdacht gegen eine Personengruppe aus dem Berliner Raum. Die Verdachtslage war allerdings sehr dünn.
Im Mai 2004, also fast vier Jahre nach dem Überfall in Dombühl, schlug die Bande erneut zu: im hessischen Ottrau. Der schnelle Informationsfluss unter Polizeidienststellen im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft ermöglichten die Auswertung von Daten. Bei der Abhörung der Telefonanschlüsse hörte man ein Gespräch mit, dessen Inhalt einen erneuten Überfall ankündigte. In den frühen Morgenstunden des 28. November 2004 griffen Spezialeinheiten der brandenburgischen Polizei zu und nahmen die beiden Hauptverdächtigen in ihren Wohnungen fest.
Auch der Dritte im Bunde konnte dingfest gemacht werden. Nach mehreren Stunden intensiver Befragung räumte einer der Täter die ihm gemachten Vorwürfe ein. Er war jedoch nur an wenigen der insgesamt 31 Überfälle beteiligt. Die beiden anderen Beschuldigten erwiesen sich als zäher. „Doch irgendwann kocht man sogar zähes Leder weich“, beschreibt Bert Rauenbusch die Situation. Der Fahrer des Fluchtfahrzeugs legte ein Geständnis ab und nannte auch die Verstecke von Beweismitteln, unter anderem der Pump-Gun. Sie fand man in einer Garage in Berlin, eingebaut in eine Autotürverkleidung. „Dieses Signal der Geständnisfreudigkeit“ erreichte auch den Hauptverdächtigen. Er entschloss sich nun auch, umfänglich zu gestehen. Eine bundesweit brutal agierende Verbrecherbande war ermittelt, überführt, geständig und inhaftiert.
Zeitgeschichte festgehalten
Das Motiv war, wie in den meisten Fällen verbrecherischen Handelns, Geldgier. In zehn Jahren ihrer Aktivitäten erbeuteten die Gangster eine Summe von umgerechnet 1,4 Millionen Euro. Bis auf den letzten Cent haben sie alles in teure Reisen und noch teurere Mädchen gesteckt. Entsprechend gestaltete sich auch ihre Lebensführung: Partys, Vergnügen und Freihalten von Freunden. An die seelischen Probleme, die sie ihren Opfern zugefügt haben, dachten sie zu keiner Sekunde – auch nicht in der Verhandlung. Die Bitte um Entschuldigung blieb bis heute aus.
Der Leser des Buches erhält Einblicke in Planung, Ausführung, Motiv von Straftaten und Persönlichkeiten von Opfern und Tätern. Darunter sind der Mittagsmörder, aber auch unbekanntere Fälle wie der „Vampir von Nürnberg“, die Dammbruchkatastrophe von Katzwang, der Großbrand des Nürnberger Ringkaufhauses mit fast zwei Dutzend Toten und die Gasexplosion in Lehrberg, bei der sechs Menschen starben.
Nach vielen Stunden des Aktenstudiums, langen Gesprächen mit Ermittlern und pensionierten Kollegen sowie Unterstützung von Behörden hat Bert Rauenbusch, der seit über vierzig Jahren im Polizeidienst tätig ist, einen Querschnitt der mittelfränkischen Kriminalgeschichte zusammengestellt. Wichtig ist ihm zu betonen, „dass es im beschaulichen Mittelfranken nicht schlimmer zugeht als anderswo.“
Das anpruchsvolle Buch regt zum Nachdenken an. „Große Kriminalfälle sind auch immer ein Spiegel ihrer Zeit“, schreibt Dr. Markus Ebner, Richter am Landgericht Nürnberg-Fürth in seinem Vorwort. „An ihnen lassen sich die Lebensumstände, vor allem die gesellschaftlichen Missstände in besonders drastischer Form nachempfinden.“ Das über 300-Seiten umfassende Werk ist im Buchhandel für €29,90 erhältlich. Die Erstausgabe mit 500 Exemplaren ist bereits ausverkauft. Die zweite Auflage geht gerade in den Druck. sis
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