Bücher zum Blättern als Erlebnis
Stadtbücherei sieht zwar rückläufige Entleihungszahlen, behauptet sich aber mit breitem Angebot
ROTHENBURG – Sie strebt ihrem fünfzigsten Bestehen entgegen, das im Jahr 2021 gefeiert werden kann – und es gibt sie immer noch als erfolgreiche Kultureinrichtung, was bei der Online-Konkurrenz in unserer digitalisierten Welt nicht selbstverständlich ist. Allerdings dürfte bei der Ausleihe der Trend zu sinkenden Entleihungen nur schwer zu stoppen sein. „Damit haben viele öffentliche Bibliotheken zu kämpfen” stellt Büchereileiterin Hannelore Hochbauer fest, die ihren detaillierten Jahresbericht erläutert.

Büchereileiterin Hannelore Hochbauer und Mitarbeiterin Andrea Burger. Foto: diba
Als das Haus in der Klingengasse 6, in dem früher einmal das Jugendzentrum untergebracht war (ein Erfolg des um 1970 aktiven Politischen Jugendforums) im Jahr 1971 eröffnet wurde, gab es vereinzelte kritische Stimmen, die bis hin zur „Aufwärmstube für Wermutsbrüder” reichten. Doch statt dessen gehörte Rothenburgs Bücherei sehr schnell zur bayerischen Spitze bei den Ausleihzahlen im Vergleich mit anderen Städten.
Auch wenn der Bestand von über 30 000 auf jetzt noch 25 000 Bücher in den letzten Jahren gesunken ist und die Gesamtausleihzahlen rückläufig sind, bleibt es eine zentrale und wichtige kulturelle Einrichtung. Insgesamt wurden fast 82.000 Medien entliehen (davon rund 7800 in der Online-Ausleihe). Der Rückgang um 7,2 Prozent oder 5781 Entleihungen macht natürlich auch der Leiterin Kummer: „Wir versuchen mit verschiedensten Angeboten dem entgegenzuwirken” sagt sie und verweist auf etliche Veranstaltungen, die dieses Jahr wieder stattfinden, vom Lyrikabend im Innenhof oder dem Literarischen Gartenspaziergang bis zu speziellen Angeboten, die Kinder und Jugendliche ansprechen. So lesen zum Beispiel jeden Dienstag um 17 Uhr ehrenamtliche Unterstützer Geschichten vor.
Im Jahr 2018 wurden 1852 aktive Leser registriert, wobei es tatsächlich aber deutlich mehr sind, denn pro Familie existiert oft nur ein Ausweis. Über 33.000 Personen haben die Bücherei besucht, was zeigt, dass es sich auch um eine Art Begegnungsstätte für Jung und Alt handelt. Hochbauer: „Für viele ist das ein Ort geworden, wo man sich neben dem Zuhause oder der Schule regelmäßig aufhält und wohlfühlt”. Es wird aber nicht nur gelesen, geplaudert und gespielt, sondern auch an den Rechnerplätzen im Internet gesurft, denn die digitalen Angebote sind längst Bestand.
Deutliche Steigerung bei den Jugend-Sachbüchern
Schaut man genauer auf die Zahlen, so ergeben sich Zuwächse bei Bilderbüchern und Spielen sowie DVDs. Besonders aber sticht die Zunahme bei Jugend-Sachbüchern mit 16,4 Prozent heraus. Um fast elf Prozent haben die Ausleihungen online zugelegt, die damit bald zehn Prozent unter den Gesamtentleihungen ausmachen. Sehr gefragt ist außerdem die große Auswahl von fünfzig Zeitschriften aller Art. Manche Zeitschrift ist heutzutage beim Kauf so teuer wie es zu DM-Zeiten ein dickes Buch war, und nicht jeder kann sich den regelmäßigen Bezug leisten. Oft möchte man ja nur ein spezielles Thema studieren und hier ist die Bücherei die richtige Adresse. Gegen eine geringe Gebühr darf auch kopiert und gedruckt werden, wovon immer mehr Leute Gebrauch machen.
Dank einer Spende der Kultur- und Jugendstiftung konnten mehr zweisprachige Jugendbücher gekauft werden. Die jetzt über 130 Titel helfen Kindern mit fremdsprachigem Hintergrund als Brücke zur deutschen Sprache. Fast 3000 zerlesene und veraltete Medien wurden entfernt. Am Zugang zur „Onleihe e-Medien Franken” mit rund 40.000 E-Büchern, Audio- und Zeitungszugängen scheiden sich die Geister, wie Hannelore Hochbauer sagt, denn die einen sind von Online-Lektüre begeistert, die andern halten dagegen mehr vom Buch als klassisches Medium. Wenn Themen wie z.B. 2018 Gesundheit und Fitness stärker gefragt sind, so reagiert man darauf gerne bei Neuanschaffungen.
Immerhin haben sich 282 Personen letztes Jahr als neue Nutzer der Bücherei angemeldet. Wie die Leiterin sagt will man die Öffnungszeiten aktualisieren und die Bücherei als Lernort intensivieren. Kindergärten und Schulen seien dabei wichtig. Mit Experimentierkästen, die gut ankommen bietet man Kindern Anreize zur Beschäftigung mit technischen, mathematischen und naturwissenschaftlichen Themen. Kurse der Volkshochschule und die Smartphone-Sprechstunde des Seniorenbeirats sind Beiträge zu lebenslangem Lernen.
Viele Partner für hauseigene Veranstaltungen
„Wir wollen bald Klassenführungen mit Tablets anbieten und hoffen auf eine Grundausstattung mit nötigen Geräten”, betont Hannelore Hochbauer. Die bewährte Zusammenarbeit mit vielen Vereinen und Einrichtungen u.a. vom Kulturforum bis zur Erwachsenenbildung oder dem Wildbad sei auch künftig wichtig. Neue Veranstaltungsformate sind geplant, wozu elektronische Bastelei zusammen mit dem „FabLab” (der innovativen Technik-Werkstatt im Jugendzentrum) gleich in der Nähe gehört. Weitere Veranstaltungspartner sollen 2019 dazukommen.
Die ständig variierenden Buchpräsentationen und Ausstellungen schaffen Anreize zum Besuch. Manche Idee aber scheitere an der Räumlichkeit, so die Leiterin. Dringend seien kleine Renovierungen nötig (Teppich, Schallschutz, variable Möblierung), wobei 2018 einiges getan wurde: es gab eine neue Theke, bessere Beleuchtung und einige Möbel. Für die Zukunft seien sich die Fachleute einig, dass eine öffentliche Bücherei ein „nichtkommerzieller Ort der Begegnung sein müsse, der ein vielseitiges Angebot aufweist“.
Niemand weiß sicher wie sich das Leseverhalten in der Zukunft letztlich entwickelt, manche hoffen sogar auf eine „Renaissance des gedruckten Buches” und selbst Jugendliche, die wir in der Bücherei darauf ansprechen meinen, sie wollten lieber ein Buch zum Blättern in die Hand nehmen als nur auf einem Smartphone „zu wischen”. Ebenso wie Museum und Stadtarchiv gehört die Bücherei zum kulturellen Grundbestand der ehemaligen Reichsstadt Rothenburg – und das seit Jahrhunderten. Ein Gesamtetat von 506 000 Euro ist für die Stadtbücherei im Haushalt eingeplant, der reine Anschaffungsbetrag lag bei 27000 Euro. Mit der beantragten Aufnahme der Schrannenscheune in ein Förderprogramm strebt die Stadt die Verlagerung der Bücherei in das historische Bauwerk an (wir berichten dazu noch näher). Die im Stadtrat zu Jahresbeginn abgesegnete Idee kam auch für Hannelore Hochbauer überraschend und eröffnet ganz neue Perspektiven. diba
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