Süß ist Trumpf

Bonbonmanufaktur lässt Herzen der Naschkatzen höher schlagen

ROTHENBURG – Strippen ziehen und Zucker ziehen sind eigentlich fast das gleiche, sagt Franz Weber. Und er muss es ja wissen. Vor gut sechs Jahren entdeckte der gelernte Elektriker seine Leidenschaft für Naschereien und machte sie zu seinem Beruf. Nun möchte er mit seiner Bonbonmanufaktur auch den Alltag der Rothenburger versüßen.

Franz Weber und seine Mitarbeiterin Michaela Fischer wollten den Rothenburgern mit ihren Bonbons und Lollies den Alltag versüßen.

Dafür wagte er den Schritt vom Franchisenehmer in die komplette Selbstständigkeit – und von Oldenburg in die Tauberstadt. Es war schon immer der Wunsch des gebürtigen Rheinländers, sich einmal in Süddeutschland niederzulassen. Vor drei Jahren besuchte er Rothenburg zum ersten Mal. Jetzt hat es endlich mit einem passenden Ladengeschäft in der Unteren Schmiedgasse geklappt. Wobei: „Eigentlich ist der Laden zu klein, aber wir haben uns damit arrangiert“, sagt der 45-Jährige.

Denn im selben Raum den Zucker zu kochen und die Bonbons zu produzieren kann aufgrund der dabei entstehenen Luftfeuchtigkeit eine He-rausforderung sein. Für Franz Weber und seine Mitarbeiterin Michaela Fischer ist dies aber kein Problem. Die junge Rothenburgerin ist seine „rechte und linke Hand, Augen und Ohren“ – „ohne sie geht es nicht“, sagt er.

Dies zeigte sich mehr als deutlich in der Vorbereitungszeit auf die Eröffnung Mitte April. Da jeder Bonbon und jeder Lollie von Anfang bis Ende per Hand hergestellt wird kann man nicht schnell mal einen Lieferanten anrufen, der die nötige Warenmenge vorbeibringt. Und so standen die beiden teilweise bis zu 21 Stunden am Tag in dem Laden und produzierten Bonbon um Bonbon.

Dass dies alles andere als ein „Zuckerschlecken“ ist kann man als Besucher auch hautnah durch eine Glasscheibe hindurch mitverfolgen. Denn Franz Weber war es ein Anliegen nicht nur die Naschereien zu verkaufen, sondern vielmehr dieses alte Handwerk den Leuten näherzubringen.

Denn der Beruf des Handwerklichen Bonbonmachers und Zuckerbäckers war nämlich in Zeiten, als Zucker ein rares Gut und dementsprechend teuer war, ein hochangesehener und lukrativer Beruf. Dies änderte sich als die Zuckerrübe ihren Siegeszug in der industriellen Süßwarenherstellung antrat. Seit 1973 ist es deshalb auch kein Ausbildungsberuf mehr. Franz Weber lernte die Fertigkeiten mit dem „weißen Gold“ umzugehen von einem früheren Schulkameraden.

Nicht nur bei einer Außentemperatur von 30 Grad ist die Bonbonherstellung eine schweißtreibende Angelegenheit. Zuerst muss der Zucker mit Wasser aufgekocht werden. In dieses Gemisch kommt auch noch Glukose, damit später das Bonbon nicht wieder kristallisiert. Die Schweden verwenden hierfür traditionell übrigens Essig. Ab einer Temperatur von 150 Grad ist das Wasser vollständig verdampft. Dies ist wichtig, damit die Masse nicht klebt.

Anschließend wird das Ganze auf Granitplatten aufgetragen, wodurch die Masse auf eine Arbeitstemperatur von 70 bis 80 Grad heruntergekühlt wird. Nun kommen Aromen und Farbe hinzu. Franz Weber hat sich auf die Fahnen geschrieben, „ursprüngliche Bonbons“ herzustellen, deshalb verwendet er „so gut wie keine chemischen Zusatzstoffe“, erklärt er. Danach kommt das, laut Franz Weber, wichtigste Utensil in der Bonbonherstellung zum Einsatz: der „Fleischerhaken“. Durch das Durchschleudern, in der Fachsprache „den Zucker strecken“, wird Luft in die Masse eingearbeitet, wodurch die Bonbons später knackig werden. Zudem erhält die Masse dadurch einen milchigen Perlglanz.

Alles reine Handarbeit: Rhabarber-Bonbons mit Herz in der Mitte. Fotos: Scheuenstuhl

Anschließend wird sie auf Wärmeplatten modelliert, das heißt die verschiedenen Farben, Motive, Buchstaben und dergleichen werden an und ineinander gefügt. Der dadurch enstandene mehrere Kilo-schwere Zuckerberg wird hin- und hergerollt, damit er sich an einem Ende verjüngt. Dort werden dann letztlich die Zuckerstangen gezogen. Sind diese vollständig ausgekühlt können sie gehackt werden – bei dem eingespielten Team Weber/Fischer kommt das Auge gar nicht mit so schnell trennen sie mit einem Spachtel ohne großen Kraftaufwand die einzelnen Bonbons von den Stangen.

Möglichkeiten, zu sehen wie aus Zucker Bonbons werden, bieten sich mehrmals. An die fünf Produktionen wuppt das Zweierteam täglich – je nachdem wie aufwändig die Naschereien ausfallen sollen. Denn da gibt es fast keine Grenzen. Neben Herzen und anderen Formen, die die Mitte der Bonbons zieren, lassen sich auch Motive (etwa die Rothenburger Burg) oder Buchstaben integrieren. An die 50 Kilogramm Zucker werden pro Tag verarbeitet; im Monat kommt man da gut und gerne durchaus auf eine Tonne.

Da mehr produziert wird als auf einmal auf die Ladenregale passt werden die Bonbons zwischengelagert. Und hier kommt Franz Webers Geschäftspartner Ralf Spiesshofer ins Spiel. Er ist zuständig für das Backoffice und kommt regelmäßig vorbei um Eimer voller Süßigkeiten abzuholen und zum Lager zu bringen, wo sie auch verpackt werden. Neben Plastiktütchen kann man die Bonbons auch in Gläsern erstehen, die dann auch im Sinne der Nachhaltigkeit wieder aufgefüllt werden.

An die 40 Grundaromen stehen Franz Weber und Michaela Fischer zur Verfügung, um ihrer Kreativität bei der Herstellung von Bonbons und Lollis freien Lauf lassen zu können. Und die Ideen gehen den Beiden noch lange nicht aus. „Es ist wichtig, als Firma nicht stehenzubleiben“, sagt Franz Weber. Wenn der Laden nun richtig angelaufen ist möchte man sich deshalb unter anderem auch an zuckerfreien und gefüllten Bonbons versuchen.

Bevor auch nur ein Gramm Zucker  in der neuen Manufaktur verarbeitet werden konnte, hieß es für Franz Weber erst einmal den Laden komplett umzubauen. Als Reminiszenz an die lange Tradition dieses Handwerksberufes wollte er das Ambiente eigentlich eher historisch halten. „Doch da hätte ich auch einen Baum in den Wald stellen können“, verweist er auf die allgegenwärtige mittelalterliche Stadtkulisse. Und so erstrahlt der Laden nun in pastelligem Blau und Rosa.

Auch hinsichtlich seiner potenziellen Kunden teilt er nicht den Hintergedanken der meisten Neueröffnungen in Rothenburg. Natürlich sind auch Touristen in der Manufaktur gern gesehen. Doch Franz Weber möchte vor allem für die Rothenburger Naschkatzen erste Anlaufstelle sein.

Die wirtschaftliche Basis seines Unternehmens sollen deshalb vor allem Veranstaltungen wie Kindergeburtstage, Firmenfeiern und dergleichen sein, auf denen man selbst einmal in die Rolle des Bonbonmachers schlüpfen darf und die Herstellung von Bonbons nach den individuellen Wünschen von Kunden probieren kann. mes

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*