Dem Jenischen Raum geben
Ein Konzept mit Hand und Fuß – Grünes Licht für Jenisch-Museum in Schillingsfürst
SCHILLINGSFÜRST – Der Schillingsfürster Stadtrat staunte nicht schlecht: Markus Löschel und Johannes Munique haben aus starker Eigenmotivation heraus ihre Idee von einem Jenisch-Museum im „Haus der Heimat“ in ein handfestes Konzept verwandelt. Mit der klaren Ausrichtung, das kulturelle Wissen um die Geheimsprache des Schillingsfürster Jenischen systematisch aufzuarbeiten und für die Nachwelt zu manifestieren.
Es gibt sogar schon einen konkreten Zeitplan für das ehrgeizige Projekt. Zum Heimatfest im Sommer 2020, das im 5-Jahres-Rhythmus stattfindet und bei dem man sich an das kulturelle Erbe der Stadt erinnert, soll das neue Jenisch-Tempelchen im ehemaligen Hoftheater der heutigen Ludwig-Doerfler-Galerie öffnen. Ein passender stilvoller Rahmen für Wissenswertes rund um die Schillingsfürster „Sondersprache“, die einst eine Geheimhaltungsfunktion hatte.
Sie diente Gruppen, die ursprünglich nicht sesshaft waren, zum Beispiel Hausierer, Korbflechter, Scherenschleifer, „fahrendes Volk“ einerseits zur Abschottung nach außen und andererseits zur Festigung nach innen, Denn die Gruppenidentität definierte sich stark über die Sprache. Die von Markus Löschel und Johannes Munique ausgearbeitete Konzeption hat Bildungskraft, und zwar nicht nur bloß formal, sondern steckt voll inhaltlichem Potenzial, um die Chance zur Darstellung der regionalen Besonderheit zu nutzen, solange es noch Menschen gibt, die diese Sprache sprechen beziehungsweise diesen alten Wortschatz pflegen. Die Wörter verraten viel darüber, die die fahrenden Leute im 18. Jahrhundert mit nach Franken und ins Hohenloher Land brachten, wie sie damals gelebt, wovon sie sich ernährt haben und wie sie an Geld gekommen sind. Der damals liberal-konservative Reichskanzler Fürst Chlodwig von Hohenlohe-Schillingsfürst hatte neben allen möglichen Handwerkern, auch Händler und Obdachlose von der Straße geholt. Viele von ihnen waren bettelarm. Der Igel bildete die wesentliche Fleischnahrung – ein Leckerbissen für die Ärmsten der Armen. Mit allerlei Tätigkeiten verdienten sie ihr tägliches Brot. Und wenn es nicht reichte, musste halt „gezupft“, also gestohlen werden. Dabei half das Jenische den Ertappten, sich unterei-nander zu verständigen, ohne dass Polizei oder sonstige Behörden etwas mitbekamen, daher auch der Begriff Geheimsprache.
Noch 1950 hatte man der Kriminalpolizei Ansbach ein Wörterbuch an die Hand gegeben, das zur Aufklärung von Delikten „Jenischer“ dienen sollte. Die Sprache ist schwer erfassbar, denn sie ist verfremdet und stark von anderen Dialekten beeinflusst. Markus Löschel und Johannes Munique beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit dem Jenischen. Sie haben Artikel, Texte und Dialoge gesammelt und gehen intensiv der Frage nach, wie sich das nisch eigentlich zusammensetzt, mit ihrer Herkunft und Zugehörigkeit – auch im Vergleich mit anderen „Abarten des Jenisch“. Wer fundierte Kenntnisse oder Material beisteuern kann, soll sich an die beiden Ini-tiatoren wenden.
Der Rothenburger Zeichner und Karikaturist Robert Hellenschmidt wird Beispiele für die Verwendung der Sprache in Bildern darstellen und ein eigenes Stupfllogo für das Jenisch-Museum entwerfen. Vorhandene Spuren des Jenisch sollen gesichert und ausgestellt werden. Da-runter eine Videoinstallation mit Ludwig Doerfler, der im Bayerischen Rundfunk mit Jenisch zu hören war. Dem Jenischen soll nicht nur im „Haus der Heimat“ Raum gegeben werden mit Ausstellungen, Vorträgen mit Gastrednern und Liedern durch die „Lachepatscher“ und „Stupfler“, sondern auch in der Albert-Zietz-Halle.
Es gibt bereits Sketche und sogar ein Theaterstück zum Thema Jenisch zur Ausarbeitung. Mit Kreuzworträtsel und Jenisch-Quiz sollen auch Kinder und Jugendliche über Wortbildungen dafür interessiert werden, dass in der Geheimsprache viel Potenzial steckt, das Projektunterricht interessant macht. Johannes Munique hat schon vor einiger Zeit einen Comic gezeichnet, um das Wörterlernen zu erleichtern. Der Stadtrat gab grünes Licht für das fundierte Programm, das ihm kürzlich im Rahmen einer öffentlichen Sitzung als Geschenk auf dem Silbertablett serviert wurde. Lediglich Ratsmitglied Elisabeth Emmert-Löblein hatte Bedenken wegen möglicher Kosten für die Stadt. Die Initiatoren haben im Wissen um die angespannte Haushaltslage der Kommune neben ihrem persönlichen Einsatz den Ehrgeiz, Sponsoren und Partner zur Unterstützung zu gewinnen. Erste Gespräche haben gezeigt, die Jenisch-Aktivitäten wecken Interesse und Aufmerksamkeit. Auch Hai Yan Waldmann-Wang, Leiterin der Doerfler-Galerie spricht von einer kulturellen Bereicherung.
Die beiden Initiatoren und langjährigen Freunde sind dafür bekannt, dass sie ganze Arbeit leisten, auch wenn ihre Auslastung hoch ist. Johannes Munique, ehemaliger Realschullehrer und Informatiker, ist umtriebig im Unruhestand. Er betreut in Schillingsfürst das Museum der französischen Fremdenlegion, das er auch mit aufgebaut hat, macht Führungen und ist als Geschichtskenner ein gefragter Mann.
Markus Löschel meistert freiwillig den schwierigen Spagat als Klassenlehrer an der Berufsschule und Theologie-Studium. Als Textschreiber, Regisseur und Akteur auf der Bühne prägt er den Stupfl-Fasching. Mit dem Politiker-Derblecken am Schlossberg hat er eine weitere Veranstaltungsreihe etabliert, mit Strahlkraft über die Region hinaus. Mit dem Jenisch-Museum wollen sie neue Impulse setzen, von denen Einheimische sowie Gäste gleichermaßen profitieren.
Seine Mutter hat ihm noch ein Igel-Rezept mit Familientradition und alte Geschichten überliefert, die auf wahren Tatsachen beruhen. Noch in den 1970er Jahren ließ sich der damalige Chefarzt des Schillingsfürster Krankenhauses in der Nachbarschaft die traditionelle Delikatesse mit dem besonderen Aroma schmecken. sis
Schreibe einen Kommentar