Die Flugangst ist überwunden
Pfarrer Gisbertz stieg für vierte Reise nach Siebenbürgen mit der Gruppe in Düsen-Jet
OHRENBACH – Nach Reisen in den Jahren 2004, 2007 und 2010 ist es Pfarrer Karl-Heinz Gisbertz zum vierten Mal gelungen eine größere Reisegruppe für eine Studienfahrt nach Siebenbürgen zu gewinnen. Zu den vorangegangenen Reisen gab es allerdings einen großen Unterschied: Die zwanzigstündige Busreise wurde durch einen etwa zweistündigen Flug von Stuttgart über Wien nach Hermannstadt ersetzt.
Außer den Teilnehmern aus der Pfarrei Ohrenbach-Steinach gab es weitere Interessenten für die Reise aus den Gemeinden Diebach, Buch am Wald, Marktbergel, Dombühl, Rothenburg, Burgbernheim, Adelshofen, Steinsfeld und Eichstatt. Bei der Ankunft auf dem Flughafen in Hermannstadt wurden die Gäste aus Deutschland von einem einheimischen Reisebegleiter freundlich empfangen. Ebenso stand ein moderner Reisebus bereit, der die Gruppe zunächst ins Stadtzentrum der siebenbürgischen Hauptstadt brachte. Eine Begegnung mit Pfarrer Kilian Dörr von der evangelischen Kirchengemeinde stand am Beginn des sechstägigen Programms.
Der Hermannstädter Seelsorger schilderte die Situation seiner Gemeinde, in der die diakonische Arbeit sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Senioren einen besonderen Schwerpunkt darstellt. Bei einem Altstadtrundgang am folgenden Tag standen die Sehenswürdigkeiten der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 im Mittelpunkt. Nach der Besichtigung der bedeutendsten Wahrzeichen der Stadt endete der Vormittag mit einem Gespräch beim „Demokratischen Forum“. Dieses vertritt die politischen und kulturellen Interessen der sächsischen Gemeinschaft und ist um die Bewahrung der Identität der Siebenbürger in Hermannstadt bemüht. Nach dem Besuch eines Glasikonenmuseums im nahegelegenen Bauerndorf Budenbach und einer zünftigen Einkehr auf einem Bauernhof ging es weiter Richtung Norden. Der mittelalterliche Teil der Stadt Schäßburg, die auch „Rothenburg Siebenbürgens“ genannt wird, steht unter Denkmalschutz der Unesco.

Abstecher im Denkmalort der Unesco: die Reisegruppe in Schäßburg bei der Stadtführung. Fotos: privat
Der dritte Reisetag war ein Höhepunkt der Rundfahrt durch Siebenbürgen. Die Reisegruppe wurde in Sächsisch-Regen vom Pfarrersehepaar Johann und Martina Zey empfangen. Bei einem Rundgang durch die Kirche und das benachbarte Schulhaus konnte Pfarrer Karl-Heinz Gisbertz Martina Zey, die dort die Vorschulklasse unterrichtet, eine Spende überreichen. Dass es im Schulhaus, das im Besitz der Kirchengemeinde ist, noch viel zu tun gibt, wurde beim Blick in die Klassenzimmer jedem klar. Bis nach Deutsch-Zepling sind es von Sächsisch-Regen nur wenige Kilometer. Schon von weitem glänzte das Dach des Gotteshauses den Besuchern entgegen. Die örtliche Kirchengemeinde hat das Schulhaus an die Kommune verkauft und mit dem Erlös das Kirchendach renovieren können. Auch im Inneren macht die Kirche der „Zeplinger“ einen guten Eindruck, wenn auch die Orgel schon seit 30 Jahren schweigen muss.
52 Gemeindeglieder hat Pfarrer Zey dort zu betreuen, den 53. hat er erst kürzlich auf dem alten Friedhof der Sachsen beerdigt. „Der Friedhof ist ein Spiegelbild für den Zustand unserer Gemeinde“, meinte der Ortspfarrer beim Rundgang über den verwaisten und ungepflegten Gottesacker. Im ehemaligen Pfarrhaus wurden die Gäste aus Deutschland von alten Bekannten herzlich und gastfreundlich empfangen. Die Zufriedenheit und der unerschütterliche Glaube derer, die von einem einstmals stolzen sächsischen Dorf geblieben sind, hat für große Nachdenklichkeit gesorgt. Und wieder gehörten Teilnehmer dazu, die sich auf Spurensuche längst verstorbener Verwandter in Deutsch-Zepling machten.
Nicht wenige hat der Abschied emotional sehr berührt, vor allem als sie von den Vertretern der Kirchengemeinde den Wunsch hörten „Kommt wieder und vergesst uns nicht!“ Im nahegelegenen Lechnitz waren menschliche Begegnungen mit Siebenbürger Sachsen nicht möglich, weil es dort keine Gemeindeglieder mehr gibt. Beim Besuch des alten Friedhofs bot sich jenes trostlose Bild, das etliche Mitfahrer bereits von früheren Visiten kannten. Im Eingangsbereich verrät ein beschrifteter Gedenkstein, dass an diesem traurigen Ort einmal über Jahrhunderte die Deutschen ihre letzte Ruhe fanden.
Viele bekannte Namen, so sie denn noch zu entziffern waren, ließen wehmütige Erinnerungen zurück. Ein freundlicher Beauftragter der ungarisch-reformierten Gemeinde öffnete die mit einer Kette verschlossene Kirche, wo am Sonntag mit einer Handvoll Christen wieder Gottesdienste stattfinden. Übers Handy erhielten die Besucher von Thomas Emmerling aus Klausenburg nähere Auskünfte über die Anstrengungen und Pläne zum Erhalt dieses Gotteshauses. Für diejenigen, die nach dem vierten Besuch der Kirche in einem Zeitraum von zehn Jahren wieder in den Bus stiegen, klang aus diesen Worten ein Optimismus, der kritische Fragen zurückließ.
Auf der Rückfahrt nach Sächsisch-Regen reichte die Zeit noch für einen Abstecher zu der mit ungeheurem finanziellen Aufwand restaurierten Kirche von Mönchsdorf. Die alte Handelsstadt Bistritz mit der gotischen evangelischen Kirche stand am vierten Tag auf dem Programm. Hier gab es nicht nur den nach einem verheerenden Brand neu aufgebauten und höchsten Kirchturm Rumäniens zu bewundern, sondern viele mittelalterliche Bauten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Auf dem Weg in die Maramuresch konnten die Holzkirchen bei Bogdan Voda und Rozavlea bewundert werden. Die UNESCO definierte die insgesamt acht Holzkirchen in der Region 1999 als herausragende Beispiele einer für Nordrumänien typischen Sakralkultur.
Auf einem Bauernhof im Dorf Oncesti konnte dem ursprünglichen Leben und der Tradition einer altansässigen Bauernfamilie nachgespürt werden. Am vorletzten Reisetag ging es ganz in den Norden Rumäniens bis an die Grenze zur Ukraine. In der wohl bekanntesten Ortschaft der Maramuresch gibt es eine einmalige Sehenswürdigkeit zu bewundern. Der „fröhliche Friedhof“ in Sapanta erhielt seinen Namen aufgrund der lebendigen Farben und hintersinnigen Beschriftungen der Grabkreuze. Biographische Szenen und humorvolle Verse über das Leben der Verstorbenen sorgen dafür, dass auf diesem Gottesacker besonders viel gelacht wird.
In Sighet gibt es in einem ehemaligen Gefängnis eine Gedenkstätte für alle Opfer des Kommunismus. Die Betroffenheit angesichts des unvorstellbaren Leids der dort umgekommenen Regime-Kritiker war deutlich zu spüren. In Klausenburg angekommen, führte der aus Mediasch stammende Reisebegleiter Sebastian die Reisegruppe durch die Innenstadt und das Studentenviertel. Dass dieser Rundgang in ein gemütliches Kellergewölbe zum Abendessen führte, wurde am Ende eines anstrengenden Tages dankend angenommen. Am letzten Tag in Siebenbürgen musste die 180 Kilometer lange Strecke von Klausenburg zurück nach Hermannstadt bewältigt werden. Ein letzter Höhepunkt war der Besuch des ältesten Salzbergwerks in Torenburg. Dort wird heute zwar kein Salz mehr abgebaut, aber das Bergwerk fasziniert durch die Größe seiner unterirdischen Räume und deren eindrucksvolle Beleuchtung.
Am Nachmittag hieß es dann endgültig Abschied nehmen von Siebenbürgen. Der Flieger von Austrian Airlines landete pünktlich in Stuttgart und der Transfer mit dem Bus in die Heimat klappte reibungslos. Dort angekommen, konnte nicht jeder gleich drauflos erzählen, denn die vielen Erlebnisse und Eindrücke mussten sich erst einmal setzen. Schließlich hatte die Reise nach Siebenbürgen von den Teilnehmern auch viel abverlangt. Mit Vergnügen hatte sie nur wenig zu tun, denn die Erfahrungen und menschlichen Begegnungen wirken nach. Ob sie eines Tages dazu führen, dass der Wunsch der Deutsch-Zeplinger nach einem Wiedersehen eines Tages in Erfüllung gehen wird, bleibt abzuwarten. „Die Chancen stehen gut“, meinte ein Reiseteilnehmer augenzwinkernd, „denn unser Reiseleiter scheint seine Flugangst endlich überwunden zu haben.“ kg
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