Kunst oder Krempel?

In Fernseh-Kultsendung präsentierter Dachbodenfund sorgt für Aufsehen

ROTHENBURG – Auf dem Dachboden oder im Keller schlummert so manche Rarität. Diese Erfahrung machte ein Ehepaar aus der tauberfränkischen Gemeinde Külsheim, als es ein beim Entrümpeln entdecktes mexikanisches Landschaftsbild ans Licht der Öffentlichkeit holte: für die im Wildbad Rothenburg aufgezeichnete und kürzlich ausgestrahlte Sendung „Kunst und Krempel“ des Bayerischen Rundfunks. Die spannende Frage, ob es sich um einen Sensationsfund oder doch nur um eine Kopie des Malers José Maria Velasco handelt, ist noch offen.

Sollten sich auch letzte Zweifel an der Authentizität des Gemäldes ausräumen lassen, so wäre das Motiv mit dem Titel „Das Tal von Mexiko, vom Hügel Santa Isabel aus gesehen“, eine Art Nationalheiligtum. Zwei Kenner der Kunstgeschichte, Professor Dr. Hans Ottomeyer und Dr. Herbert Giese, die als Experten in der Kultsendung „Kunst und Krempel“ mitwirken, gerieten beim Anblick des auf das Jahr 1884 datierten Landschaftsbildes ins Schwärmen.

Die deutlich zu erkennende Signatur sprachen sie dem in seiner Heimat Mexiko angesehenen Maler José Maria Velasco zu, der das Motiv einer weiten mexikanischen Landschaft im Laufe seiner künstlerischen Laufbahn immer wieder aufgriff. Das macht den zweifelsfreien Nachweis der Echtheit kompliziert, erläuterte Ronald Köhler, Re­daktionsleiter der Sendung. Bei der Malerei aus dem Mexiko des 19. Jahrhunderts hat der Künstler eine faszinierende Fernsicht inszeniert: mit Blick auf schneebedeckte Berge der Kordilleren. In der Mitte ruht ein See, über den sich, ein Wolkengebilde durchdringend, die Sonne ergießt. Im Vordergrund findet eine Frau mit zwei kleinen Kindern und zwei Hunden ihren Weg zwischen zerklüfteten Lavafelsen.

Experten schreiben das Gemälde dem mexikanischen Maler José Maria Velasco zu.Foto: Franke

Experten schreiben das Gemälde dem mexikanischen Maler José Maria Velasco zu. Foto: Franke

Die Arbeiten Velascos werden am Kunstmarkt hoch gehandelt. Sammler zahlen sechsstellige Beträge zwischen 350000 und 500000 Euro. Dieser Wert ist auch auf der Internetseite des Bayerischen Rundfunks zu der Sendung nachzulesen. Die beiden Experten kamen bei der Begutachtung des Dachbodenfundes zu dem Schluss, dass es sich bei dem Bild ­aller Wahrscheinlichkeit nach, um „Landschaftsmalerei erster Güte“ handelt und mit ziemlicher Sicherheit um ein Original des zu seiner Zeit anerkanntesten Malers Mexikos.

José Maria Velasco war Präsident der Akademie und 1889 Ausstatter des mexikanischen Pavillons bei der Pariser Weltausstellung, wofür er den ersten Preis gewann. Bis heute gelten seine Landschafsbilder als Sinnstifter mexikanischer Identität und hängen in bedeutenden Museen.

Die Eheleute aus einer Teilgemeinde der Brunnenstadt Külsheim haben das Bild bereits Anfang der 80er Jahre auf dem Dachboden entdeckt, wie sie in dem damals aufgezeichneten Beitrag erklärten. Wie das Bild in das Haus ihrer Angehörigen kam, konnten die Besitzer nicht sagen. Im November letzten Jahres brachten sie das Gemälde nach Rothenburg zur Veranstaltung des Bayerischen Rundfunks. Ohne zu ahnen, welchen Medienrummel sie mit ihrem Objekt lostreten um die Entscheidung: Kostbarkeit oder wertloser Tand? Kunst oder Nachahmung? Es ist wahrscheinlich, dass die Besitzer des Bildes in naher Zukunft mehr erfahren. Ein großes Auktionshaus hat seine Hilfe durch Anfertigung einer Expertise angeboten – nicht ganz uneigennützig, wie man sich denken kann.

Seit 25 Jahren gibt es die Sendung „Kunst und Krempel“, die im bayerischen Fernsehen ausgestrahlt und an verschiedenen Orten aufgezeichnet wird. Die Zuschauerzahlen steigen stetig. Mit einer Million Zuschauern deutschlandweit ist sie die BR-Sendung mit dem größten Marktanteil außerhalb Bayerns und erreicht damit ein Massenpublikum.

Mit geschultem Blick begutachten renommierte Fachleute (Kunsthistoriker, Volkskundler, Kunsthändler, Musikwissenschenschaftler, Restauratoren Auktionatoren) vor der Kamera alte Familienschätze – oder solche, die dafür gehalten werden. Für alle, die sich schon lange fragen, ob das Erbstück ein Original eines Künstlers ist, das Gemälde an der Wand von Wert oder Opas Taschenuhr ein Unikat, bietet die Sendung die Möglichkeit, sich kostenlos und unverbindlich beraten zu lassen.

Auch wenn keine hochexclusiven Stücke zur Begutachtung kommen, sind die Bewertungen von Schmuck, Silber, Porzellan, Gemälde, religiöse Volkskunst, Musikinstrumente, Spiel­zeug und Möbel unterhaltsam. Manchmal werden die Erwartungen der Besitzer enttäuscht, etwa wenn es sich um Nachahmungen handelt oder gar Fälschungen. Bei einem in der Sendung am 15. November 2008 vorgestellten Gemälde „Die Bergpredigt“ von Frans Francken stellte sich im Nachhinein heraus, dass es sich um vermeintlich verschollene Raubkunst handelte.

Bei der Rothenburg-Veranstaltung präsentierten Antiquitätenfans aus der Region ihre besonderen Gegenstände. Die bunte Sammlung beinhaltete eine Mondsichelmadonna, eine Offiziersreiseuhr, eine Blech-Eisenbahn und eine Rothenburg-Ansicht von Hans Prentzel aus dem späten 19. Jahrhundert. Es macht den Reiz der Sendereihe aus, dass man den Experten beim Denken zuschauen kann. Interessant sind auch die Erzählungen der Besitzer. Denn auch Dinge haben ihre Schicksale. Oft sind kuriose oder rührende Geschichten damit verknüpft. Dass buchstäblich ein Schatz gefunden wird, kommt eher selten vor. Das Velasco-Gemälde wäre eine Sensation und der wertvollste Kunstgegenstand, der jemals bei „Kunst und Krempel“ gezeigt wurde. Es bleibt spannend. sis

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