Der Rückkehrer
Kulturkritik: Erwin Pelzig nach acht Jahren wieder bei Korn
ROTHENBURG – Er war wieder da. Nach Jahren der Abstinenz ist Erwin Pelzig zurück auf der (Tournee-) Bühne. Dabei machte er auch in Rothenburg auf dem ihm vertrauten Kornschen Podium Station und wurde von einem ausverkauften Haus gefeiert.
Der Würzburger Frank-Markus Barwasser hat seine Kultfigur Erwin Pelzig, den Hellsichtigen in der bodenständigen Kluft, nicht neu erfunden. Es ist alles wie gehabt. Er bellt geistreich unterm braunen Cord-Hut hervor, lässt das Herrenhandtäschchen mit dem Weltlauf kreisen.
„Pelzig stellt sich“ ist Wiederkehr und Weiterung zu „Pelzig hält sich“, seinem reizvoll individuellen Fernseh-Talk-Format. Seine Zeit in der „Anstalt“, im Satire-Sanatorium an der Seite Urban Priols, hat ihn kaum verändert. Barwasser lebt nach wie vor fesselnd und großmeisterlich den scharfzüngigen Sonderling des Solo-Kabaretts, der die Politik und Renditegier geißelt und sich selbst dabei mit Zweieinviertelstunden reiner Spielzeit an den Rand zur Eigenausbeutung begibt.
Umgerechnet auf den Eintrittspreis sei das ein Minutentarif von 18 Cent, errechnet er gegen Ende. Als Schnäppchen jedoch sollte man Pelzig deswegen nicht begreifen. Dazu ist es zu kostbar, wie er das scheinbar Große und Hochtrabende simpel, gescheit und deftig herunterbricht. Die Prophetien der Ökonomen etwa, die ihren „Gehirnschiss“ so lange drückten, bis ein festes Fundament daraus würde, spottet Pelzig und hält sich lieber an die alten Griechen, die den Zufall als göttliche Entscheidung verstanden hätten. Warum also die Führenden im Staate nicht gleich auslosen? Er dreht die Trommel, greift grüne Kärtchen mit den Nummern der Eintrittskarte heraus und schon hat Deutschland einen Minister mit italienischen Wurzeln: den Chef einer örtlichen Traditions-Pizzeria.
Solche Zwischenspielchen sind nicht nur ein Riesenspaß fürs Publikum. Barwasser mokiert sich damit auch über eine Art von Politik und Parteien, für die er nur noch beißenden Spott übrig hat. Für die FDP sei der Wunsch nach Charakter so wie für den Bein-Amputierten der Phantomschmerz. Die SPD vergleicht er mit einem Lama in der Fußgängerzone: Von Mitleid ernährt stehe sie meistens im Weg. Die salbadernden Reden des Bundespräsidenten kommen ihm vor „wie der Underberg zu schlechtem, fettem Essen“.
Leider geht Pelzig nicht näher auf den derzeitigen Koalitionspoker oder den Ausspähskandal ein, und er nutzt auch keine Steilvorlage aus Limburg. Brennend aktuell sind seine Szenarien nicht, eher erschreckend haltbar. Brillant wirkt er dort, wo seine scharfe Zunge philosophische Töne anschlägt. Wenn die Wahrheit im Dunklen bleibe, entstehe Raum für Illusion. Transparenz sei das Ende. Auch solche Sätze entlässt er in die Wildnis der Wirklichkeit, während er hin und her denkt über „kognitive Dissonanzen“, Selbstbetrug oder den zerplatzten Traum von der Internet-Demokratie.
Klar, dass seine Freunde, der pomadig feingeistige Dr. Göbel und der fränkisch urgrobe Hartmut, da immer wieder hervorbrechen im fliegenden, betörend komischen Rollenwechsel. Erwin Pelzig ist und bleibt eben auch nach einem Daueraufenthalt in der Anstalt ein fesselnd multipler Charakter. hd
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