Vergnüglicher Punsch

Kulturkritik: Landestheater Dinkelsbühl mit TV-Kult-Serie

ROTHENBURG – Wie bringt man Menschen, die abends lieber vor dem Fernseher sitzen, dazu, ins The­­ater zu gehen? Man bietet ihnen eine TV-Kult-Serie auf der Bühne. Dieser Trick, an einigen deutschen Bühnen mit Erfolg probiert, funktionierte jüngst auch im Städtischen Musiksaal beim Gastspiel des Landestheaters Dinkelsbühl. Gut 80 Menschen sahen „Ekel Alfred“ und erfreuten sich nostalgisch daran, wie er Ehefrau Else als „dusselige Kuh“ beschimpft.

„Ein Herz und eine Seele“ als Einblick in eine deutsche Durch­schnitts­familie war in den 70-er Jahren als eine vom Autor Wolfgang Menge aus dem Britischen für Deutschland adaptierte Fernsehunterhaltung ein kleiner „Blockbus­ter“ – mit Politkabarett inklusive. Reaktionäre Gemüter fanden sich in der kammerspiel- bzw. „sitcom“-artigen Serie ebenso abgebildet wie anarchis­tisch orientierte 68-er. Heinz Schubert alias Familien­ober­haupt Alfred Tetzlaff, wurde zur Legende – schwierig, neben dieser darstellerisch zu bestehen. Intendant Peter Cahn, zuständig für die Regie und das überzeugende Bühnenbild samt röhrendem Hirsch über dem Sofa, umschifft Heikles in der Personenregie deshalb mit Bedacht. Ausgewählt wurden die beiden Folgen „Der Sittenstrolch“ und „Der Silvesterpunsch“ von 1973.

Statt Gulasch Hundefutter gekauft: K. Felling, A. Peteratzinger (v.l.).Foto: Hirschberg

Statt Gulasch Hundefutter gekauft: K. Felling, A. Peteratzinger (v.l.). Foto: Hirschberg

Cahns „Alfred“ (wacker, wenngleich etwas zu sym­pathisch gespielt von Andreas Peteratzinger) berlinert nicht, sondern spricht baye­risch. So wird aus dem reaktio­nären Untertan mit eher kaiserzeitlich-preu­ßischer als natio­nalsozia­lis­tischer Prägung mit scharfsaurer Diktion ein polternder, „sedlmayrischer“ Haus­tyrann, dem man beim besten Willen nichts wirklich verdenken kann, weil seine Macho-Attitüde bereits durch das gau­mig-gemütliche, biergesättigte Idiom ihre spitzen Zacken verliert.

Die Figur Else mit ihrem zwerchfellerschütternden Hang zum sto­isch verteidigten Bildungsschnitzer, gibt Katharina Felling mit plakativem Augenrollen und staunenswerter Nachahmung der klagenden Arti­ku­la­tion des Originals, der Schauspielerin Elisabeth Wiedemann. Sie verwechselt „Kiesinger“ mit „Kissinger“ und wundert sich, dass die Deutschen einen Juden als Kanzler hatten. Sohn Michael (lässig aufgeräumt gespielt von Julian Nie­dermeier) wird nicht müde, ihr die wirklichen Zusammenhänge der Welt zu erklären. Seine junge Frau Rita gibt Stefanie Steffen mit patentem Girlie-Charme. In Nebenrollen flankieren Thomas Tucht als Nachrichtensprecher und Polizist sowie Julia Kempf als von Alfred geschmähte „Jungsozialistin“ Ruth das Bühnengeschehen.

Insgesamt ein Volkstheaterabend mit vergnüglichem Wiedererkennungswert bis in die Schlager der 70-er Jahre und Kostüme (Ursula Blüml). Für diese Leistung gab es vom Publikum ein Bravo. bhi

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