Zurück von der Alm
Trotz fehlenden Gebirges viel Spaß beim Viehabtrieb
GAILROTH – Nachdem man sich in der 18-jährigen Historie des Gailrother Almabtriebs im vergangenen Jahr erstmals mit Schnee, Kälte und Eis auseinanderzusetzen hatte, konnte man am letzten Samstag wieder auf das bewährt gute Almabtriebswetter zurückgreifen.
Strahlender Sonnenschein und Temperaturen über 20 Grad begleiteten die zahlreichen Kühe und unzähligen Besucher bei dem alpenländischen Spektakel unweit der Landesgrenze zu Baden-Württemberg. Wenn die Gailrother Bürger am letzten Samstag im Oktober das Morgenlicht erblicken, dann ist ihnen bewusst, es ist heute ein besonderer Tag: Es herrscht Almabtrieb. Nahezu das gesamte Dorf mit seinen rund 165 Seelen ist dann auf den Beinen, um den zahlreichen Gästen und nicht zuletzt auch sich selbst einen unvergesslichen Tag zu bescheren. Ansonsten ist ja nicht allzu viel los. Ein paar Vereine prägen das Dorfleben, welches überwiegend im schmucken Dorfgemeinschaftshaus stattfindet; die typische ländliche Idylle eben.
Doch am Tag des Almabtriebs ist alles ein wenig anders: Schon in den frühen Morgenstunden geht es geschäftig zu. Man will ja mit den täglich zu verrichtenden Arbeiten fertig sein, wenn vor elf Uhr die Kühe von der so genannten „Rapsalm“ bei Theuerbronn geholt, mit Blumenkränzen geschmückt und dann in einem bunten Festzug über die Straße nach Gailroth in die dortigen Stallungen getrieben werden.

In farbenprächtigem Schmuck zieht das Gespann mit den kräftigen Rössern durch das Dorf und wird bewundert. Fotos: Meyer
Das rege Treiben beginnt aber vorher schon in und an der Gailrother Gemeinschaftshalle, wo letzte Hand angelegt werden muss, um alles vorzubereiten für das eintägige Spektakel mit alpenländischer Note am Rande von Westmittelfranken. Die zahlreichen Programmpunkte machen eine perfekte Organisation notwendig, um neben den kulinarischen Genüssen mit Rindfleisch in Meerrettichsoße sowie Kaffee und selbstgebackenem Kuchen auch eine reibungslose Veranstaltung auf der Bühne zu gewährleisten.
Vor der Halle nimmt dann eine kleine Ausstellungs- und Verkaufsveranstaltung langsam Form an, gilt es doch, einen passenden Platz für die Buden und Stände zu finden und die Auslagen in Vielfalt und Optik bestens zu platzieren. Auch im nahen Theuerbronn wird der Auflauf an Menschen, Tieren und Maschinen immer größer. Im Mittelpunkt stehen dabei natürlich die von der Weide genommenen Kühe, die es ruhig zu halten gilt.
Busse bringen Musiker und Zuschauer in den Ort, dessen einzige Hauptstraße sich immer mehr füllt. Immer mehr Teilnehmer des Umzuges treffen ein und die Zahl der Schaulustigen nimmt zu. Jeder Teilnehmer hat seinen bestimmten Platz in dem „Gaudiwurm“ und will sich bestens präsentieren, wenn die Musikkapelle aus Görisried im Allgäu mit den ersten Klängen das Zeichen zum Aufbruch gibt. So langsam setzt sich das Ganze in Bewegung und zieht in Richtung Gailroth davon. An vorderster Stelle ein alter Bauernwagen, dann kommen schon die Blasmusiker mit ihren bunten Trachten. Viele Teilnehmer und Zuschauer haben ihre Trachten aus dem Schrank geholt, um der ganzen Veranstaltung den passenden Rahmen zu geben. In loser Folge ziehen die Festzugsteilnehmer vom Brauchtumsverein Erzberg, von der Volkstanzgruppe Haundorf-Unterampfrach, den Westernreitern und sogar mit den Oldtimerfreunden an den unzähligen froh gestimmten Augenpaaren vorbei.
Die Heimatgruppen aus Gammesfeld und Schrozberg geben der illustren Gesellschaft eine baden-württembergische Note und selbst ein Wagen mit „alten Waschweibern“ hat sich in diesem Jahr angeschlossen. Für die Stimmung im Festzug fühlen sich die Mitglieder des „Bauwagens Gailroth“ zuständig, die dies mit aufgerockter Volksmusik bewerkstelligen. Kurzum: In diesem Jahr ist der Festzug etwas länger als sonst, wie es scheint.
In Gailroth angekommen, bildet sich am Ortseingang ein erstes Stimmungsnest mit dichten Besucherreihen beidseits der Straße. Mit verteilten Schmalzbroten, Süßigkeiten, Most und Hochprozentigem werden diese nicht nur bei Laune gehalten, sondern auch in das Spektakel mit einbezogen. Für Momente fühlt man sich wie in einem oberbayerischen Ort, bevor der Umzug sich den Weg zur Gemeinschaftshalle bahnt, wo er sich allmählich auflöst.
Sind dann die Geräte und die Tiere zu ihren angestammten Plätzen verbracht, wird die festlich geschmückte Maschinenhalle zum Mittelpunkt des Veranstaltungsreigens. Viele Besucher haben es sich bei dem herrlichem Wetter draußen auf Bänken und an Tischen in der Sonne gemütlich gemacht. Einige Zeit später nimmt dann die oberbayerische Note noch zu, wenn Schuhplattler und Goisslschnalzer die Regentschaft auf der Bühne übernehmen.
Zur Tradition der Veranstaltung, welche vor 18 Jahren aus einer Bierlaune heraus entstanden war, gehört es aber auch, verschiedene Volkstänze aufzuführen. Bei fetziger Unterhaltungsmusik bis weit in die Nacht und den nächsten Morgen hinein erreicht die Gaudi dann erst spät ihren Höhepunkt. Am Ende ist man müde, aber in der Gewissheit, wieder einen schönen Almabtrieb erlebt zu haben, freut man sich schon auf das nächste Jahr – zum nächsten Almabtrieb. hm
Schreibe einen Kommentar