Mordsspaß mit Blaubart

Kulturkritik: Fulminant-komischer Start des Märchenzaubers

ROTHENBURG – Volles Haus, pralle Komik: Mit einem großartigen Solo brillierte Michael Quast zum Auftakt des Rothenburger „Märchenzaubers“ aufs Amü­santeste. Ein erfreulich großes Publikum erlebte im Theatersaal des Wildbades eine Version der Märchen-Operette vom Ritter Blaubart, die womöglich noch lustiger wirkte, als es sich ihr Schöpfer, Jacques Offenbach, selbst hätte ausmalen können.

Michael Quast ist auf der Bühne ein Tausendsassa. Der in Heidelberg geborene Schauspieler und Theatermann braucht bis auf ein Manuskript, einen Tisch, und verschwindend wenige Verschnaufpausen nur sich selbst und freilich seinen vorzüglichen Begleiter am Klavier, Theo­dore Ganger. Zusammen gewinnen die beiden dem im Ursprung durchaus ernsten Märchen vom ehefrauenmordenden Ritter (Barockdichter Charles Perrault, Gebrüder Grimm) eine klanglich duftende, verschärft komische Variante ab: locker, leicht und prickelnd parodistisch. Schon bald kam sie richtig in Schwung, die Zwei-Man-Inszenierung, die trotz purer Piano-Begleitung auch vom „Orchestergraben“ her so gar nicht korrepetitorisch, sondern farbig und sinnlich ans Ohr drang.

Michael Quast brachte solo eine Oper auf die Bühne. Am Klavier: Theodore Ganger. Foto: Düll

Michael Quast brachte solo eine Oper auf die Bühne. Am Klavier: Theodore Ganger. Foto: Düll

Schäferstündchen, prunkvolle Palastszenen, ein krachend komisches Kellergeheimnis: Alles dringt vor Augen, als würden tatsächlich ein Dutzend Vollblutmimen über die Bühne wirbeln und noch mehr fleißige Hände die Kulissen schieben. Michael Quast fesselt mit fliegendem Rollenwechsel.

Er schmettert Arien, dreht grob gedrechselte Pirouetten, beschwört fast pantomimisch Requisiten. Er schlüpft mal sächselnd, mal „mannhemerisch“, mal schwyzernld in die Haut von bisweilen ungenierten Jungfrauen, von Potentaten, die gerne blutrünstig wären, und Staatsdienern, die anstatt ihrem Herrn zu gehorchen, allen Opfern den Hals retten.

Dass die Zwerchfelle der Dauerkitzel befiel und Szenenapplaus aufbrauste, dazu tat neben der glänzenden Darbietung auch die selbst kreierte Textfassung zu Offenbachs schlawinerndem Opern-Plot das ihre. Aus der Feder von Rainer Dachselt und Michael Quast birgt sie neben manch süffigem Bonmot auch einen so köstlich aufmüpfigen Kehr­reim, wie ihn die Höflinge im Chor singen: „Flei­ßig in die Ärsche kriechen, um den Duft der Macht zu riechen“. Zumindest die beiden staatstragenden Adlaten verzichten couragiert auf diese Geruchsnote der Untertänigkeit. Ein Mordsspaß wird’s deshalb erst recht, nicht zuletzt weil sich herausstellt, dass keine einzige der fünf früheren Frauen Blaubarts, von dessen Hof-Alchemist Popolani tatsächlich um die Ecke gebracht wurde

Sie alle sind genauso quicklebendig wie die jungen Herren, die König Bobèche aus Eifersucht töten zu lassen geglaubt hat. Am Ende gähnt in der Gruft die Leere und vor dem Traualter droht Überfüllung. Für den Rothenburger „Märchenzauber“ war die von Sparkasse und Kulturforum gesponserte Auftakt-Vorstellung im Wildbad ein vielversprechender Start in ereignisreiche zehn Tage. Noch bis 10. November stehen zahlreiche Veranstaltungen, darunter Märchenführungen, Lesungen und ein Schattenthea­ter (am Sonntag) auf dem Programm. hd

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