Literarisches Paradies

Mit Beratung und Charme gegen die Konkurrenz aus dem Internet

ROTHENBURG – Ganz entgegen dem Trend kann Rothenburg mit vier Buchläden glänzen, während es in manch größerer Stadt nicht mal einen einzigen gibt. Wir wollten wissen wieso und wie das hier funktioniert und gehen im heutigen zweiten Themenbeitrag auf die jüngeren Buchhandlungen ein. Dabei zeigt sich: Ohne Tourismus wäre das Überleben kaum möglich.

Nach dem Besuch bei der ältesten und traditionsreichsten Rothenburger Buchhandlung in der Georgengasse geht es heute um die Buchläden am Markusturm (seit 1985) und das erst sieben Jahre alte Geschäft am Rödertor. Die Rödergasse scheint Rothenburgs „Buchgasse“ zu sein, denn mittendrin findet sich auch noch die zweitälteste Buchhandlung der Familie Robanus (die wir ebenfalls gerne vorgestellt hätten, was der Inhaber jedoch nicht wollte).

Alina Kett und Katharina Renz haben viel Freude in ihrem „Büchermarkt“ am Markusturm. Fotos: mes

Alina Kett und Katharina Renz haben viel Freude in ihrem „Büchermarkt“ am Markusturm. Fotos: mes

Schon der Eingang des Buchladens am Markusturm lädt zum Reingehen und Schmöckern ein, denn die Wände sind wie mit Büchern ausgekleidet, neben den Erwachsenen lassen sich Buben und Mädchen von den vielen bunten Jugendbuchtiteln weiter in den Laden locken. Farbenfrohe Bilder hängen dort zwischen den Regalen an den Wänden. Tischlampen werfen ein warmes Licht auf die Bücher. Ein gemütliches Ledersofa lädt zum Verweilen und Eintauchen in die kleine literarische Welt ein. „Die Leute sollen sich die Zeit nehmen in die Bücher reinzulesen und neue Autoren zu entdecken“, beschreibt Alina Kett das Konzept ihres Ladens. 2007 übernahm sie mit ihrer Schwester Katharina Renz den „Büchermarkt“ am Markusturm von den damaligen Besitzern Ulrich Frewel und Eva Altemöller.

Das erfolgreiche Konzept ihrer Vorgänger haben die Schwestern beibehalten. Viele Kunden kommen aus größeren Städten wegen des besonderen Charmes einer kleinen Buchhandlung. Große Buchhandelsketten haben vielerorts die kleinen inhabergeführten Buchläden verdrängt. Sie konnten mit der meist hervorragenden Geschäftslage und dem umfassenden Sortiment der großen Unternehmen nicht mithalten. Wo es viele Bücher gibt, muss auch viel eingeräumt werden. Die persönliche Beratung bleibt dabei aber oft auf der Strecke, beklagen die Kunden.

Für die Rothenburger Buchhändler ist die Beratung jedoch ein unverzichtbarer Teil ihres Berufes. Gerade Stammkunden schätzen dieses Angebot. Die Frage „Haben Sie denn wieder neuen Lesestoff für mich?“ kann man auch oft in der Buchhandlung von Grazyna Cebulla in der Rödergasse hören. Es ist bemerkenswert, dass sie 2006 den Entschluss fasste, sich selbstständig zu machen, obwohl es bereits drei Buchläden in Rothenburg gab. Sie wollte einen „Laden mit Literatur“, sagt sie. Sachbücher findet man bei ihr nur dann, wenn es ein spezielles Buch ist, zum Beispiel zum Thema Kochen oder Dekorieren.

Grazyna Cebulla in ihrem Laden am Rödertor

Grazyna Cebulla in ihrem Laden am Rödertor

Die Buchhändler richten ihr Sortiment vor allem an den Wünschen der Kunden aus. Es gibt aber auch Bücher, die sie nicht unbedingt im Laden stehen haben möchten und die erst auf Kundenwunsch hin bestellt werden, wie einige zugeben. Die Kettenläden geraten in letzter Zeit auch zunehmend unter Druck. Der Internethandel mit Büchern macht dem stationären Buchhandel das Leben schwer. Die Rothenburger Buchhändler spüren diesen Konkurrenzdruck ebenso. Viele kommen heutzutage mit einem Zettel in der Hand in den Laden, beschreibt Alina Kett das neue Kaufverhalten. Es ist der Ausdruck einer Buchempfehlung eines Internethändlers.

Man informiert sich im Internet und bestellt im Laden. Der Trend geht zwar seit Jahren hin zum Internet, aber es gibt neuerdings auch bemerkenswerte Stabilisierungstendenzen, was Buchläden anbelangt. Vielleicht schätzt der Kunde ja umso mehr wieder die persönliche Beratung und den Kontakt im Geschäft. Die Bequemlichkeit alles vom heimischen Computer aus mit einem Mausklick zu erledigen mag freilich ebenso verlockend sein wie schnell mal ein Buch auf das elektronische Lesegerät zu übertragen – in manchen Fällen praktisch und sinnvoll, aber das sinnliche Erlebnis, ein gedrucktes Werk in der Hand zu halten und damit auch ein Bücherregal zu schmücken wird es wohl nie ersetzen können.

Aber eigentlich hat der Internethandel gar nicht so viele Vorteile wie die Leute meinen, erklärt uns Grazyna Cebulla. Sollte das gewünschte Buch im Laden nicht vorrätig sein, wird es ohne Aufpreis bestellt und kann meistens schon am nächsten Tag abgeholt werden. Aufgrund der in Deutschland geltenden Buchpreisbindung kostet ein Buch im Internet allerdings dasselbe wie im Buchladen, was natürlich hilft.

Wenn es darum geht die Jugend für Bücher und Literatur zu interessieren, so erfüllt die örtliche Bücherei eine wichtige Aufgabe, die sie auch vorbildlich mit Angeboten und Veranstaltungen wahrnimmt. Und Kinder gehen gerne in einen Buchladen, um zu stöbern. Das Kinderbuchangebot lässt sich im Laden an der Ecke Rosen- zur Wenggasse schon durch das Schaufenster entdecken – auf einem Bucheinband sticht ein liebevoll gezeichneter Bär ins Auge: in blauer Latzhose mit Fuchs und Eichhörnchen an der Hand auf Weltreise. Grazyna Cebullas Augen strahlen, wenn sie von ihren Erlebnissen mit Kindern erzählt. Regelmäßig lädt sie Schulklassen in den Laden ein, um die Welt der Bücher zu zeigen.

„Die Kleinen sind ganz verblüfft, wenn sie die Nase in die Bücher stecken und feststellen, dass jedes Buch ein wenig anders riecht“, lacht sie. Viele von ihnen kommen danach wieder und schmökern in den Geschichten vom „Wolkendrachen“ und der „Weihnachtsmaus“. Dass es heutzutage Bücher auch in vielen anderen Geschäften gibt, vor allem in Verbrauchermärkten, und oft Mängelwareexemplare zu sehr niedrigen Preisen angeboten werden, erschwert das Händlergeschäft. Für die Inhaberinnen des „Büchermarkts“ führte dies dazu, dass sie den Mietvertrag für ihre Filiale im „Zentro“ nach den ersten zehn Jahren nicht mehr verlängerten. Um zu überleben erweitern Buchhandlungen ihr Warenangebot. Neben Büchern und Kalendern gibt es oft kleine Geschenkartikel, die auf die angebotenen Bücher abgestimmt sind: das können duftende Seifen oder handgearbeitete Lesebändchen ebenso sein wie Mal-Utensilien.

Elektronische Bücher als Konkurrenz für gedruckte Literatur ist aber noch kein großes Thema für den örtlichen Buchhandel. Bislang gab es nur wenige Nachfragen nach den sogenannten „E-Books“, berichten die Buchhändler. Unsere Recherchen bei den drei Buchhandlungen, die mitgemacht haben, ergaben auch, dass jeder sich ein eigenes Konzept zurecht geschneidert hat, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Die eigenen Personalkosten sind oft betriebswirtschaftlich viel zu niedrig angesetzt. Die Miete ist ein Hauptkostenfaktor. Aus der Befragung geht hervor, dass es ohne den Tourismus bestimmt keine vier Bücherläden gäbe, manche Städte mit doppelt soviel Einwohner haben keinen einzigen.

Jeder versucht auf seine Art die Zukunft zu sichern: Sei es der Laden, der anheimelnd wie eine Privatbibliothek aussieht oder das wie ein gemütliches Wohnzimmer anmutende Geschäft, das zu einer Pause mit Buch und Kaffee einlädt. Oder aber der modern übersichtlich strukturierte Laden mit einem Akzent auf Kinder- und Jugendbücher. Atmosphäre und persönliche Beratung durch kompetente Händler sind das Plus von kleinen, Inhabergeführten Buchhandlungen. Solche Fachgeschäfte bereichern die Altstadt. Zwar dürften es in absehbarer Zeit weniger werden, aber der Buchhandel wird Rothenburg auch künftig erhalten bleiben. mes

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