Feuer und Farbe

Kulturkritik: Starkes „Konzert zum Neuen Jahr“

ROTHENBURG – Es ist mittlerweile zur lieben Tradition geworden, dass das Ansbacher Kammerorchester die Zweitvorstellung seines „Konzertes zum Neuen Jahr“ in Rothenburg gibt. Mit dem jüngsten Gastspiel knüpfte das hochleistungsfähige Liebhaber-Orchester aus der Kreis-Kapitale an seine erstklassigen Konzerte der letzten Jahre an.

Einziger kleiner Wermutstropfen: Auch diesmal war die Reichsstadthalle nicht ausverkauft. Mit einem tut sich das Kind des hiesigen Kulturforums offenbar schwer: nämlich als Gesellschaftsereignis wahrgenommen zu werden. Was indes die künstlerische Güte angeht, steht das „Konzert zum Neuen Jahr“ den örtlichen Meisterkonzerten in nichts nach. Das Ansbacher Kammerorchester ist kein voll-, aber immerhin doch ein dreiviertelprofessionelles Ensemble aus gestandenen, erfahrenen Instrumentalisten. Die meisten haben eine akademische Ausbildung. Großes Potenzial an Charisma und Ausdruckskraft steckt in seinen Reihen. Andreas Weiss, ein renommierter Dirigent mit Professur in Karlsruhe versteht es zu wecken.

Das Ansbacher Kammerorchester unter Leitung von Andreas Weiss in der ReichsstadthalleFoto: Düll

Das Ansbacher Kammerorchester unter Leitung von Andreas Weiss in der Reichsstadthalle Foto: Düll

Dabei verschmelzen Orchester und Maestro dank jahrelanger Zusammenarbeit zu einer Wirkungs- und Gestaltungseinheit. Es ist so wie bei wahrhaften Liedinterpreten oder hochklassigen Streichquartetten. Alle scheinen aus einer hohen Bewusstheit heraus zu musizieren. Schon der Auftakt geriet zum leuchtend-lebendigen Szenenspiel. Da hörte man sogleich die Kastagnetten klappern.

Der Auszug aus Manuel de Fallas selten aufgeführtem 1. Teil seiner „Dreispitz“-Ballettsuiten zeigte sich als große Musik im Gewande einer kleinen, aber sprühend ereignisreichen Form, die durch ihre novellistische Spannung, ihre Bildlichkeit und die Feinheit des folkloristischen Kolorits besticht. Großartig auch das Solo des Abends. Pjotr Tschaikowskis einziges Violinkonzert gilt nicht umsonst als Prüfstein für Virtuosen, was sich wohl auch dem Umstand verdankt, dass der Russe selbst kein Geiger war und schon deswegen unverbildet kühner zu Werke gegangen sein dürfte.

Das Solo ist vom Start weg gespickt mit Kniffligkeiten, mit einer Rasanz, mit Synkopen, Triolen und mit Mehrstimmigkeiten, bei denen man sich fragt, wie sich solches überhaupt auf einer Violine spielen lässt. Sabine Lehr zeigte es, und zwar so souverän und ausdrucksvoll, dass schnell klar wurde, wie visionär dieses fegende Geigenfeuer zu seiner Zeit war. Sie interpretierte alle Sätze beeindruckend tadellos, überlegen und robust. Sie brillierte bei den (zwei) Kadenzen und verstand auch, die rätselhaft schöne Canzonetta funkeln zu lassen.

Das Ansbacher Kammerorchester war der 24-Jährigen dabei ein Partner auf Augenhöhe. Das begeisterte Publikum entließ die junge Supergeigerin nicht ohne Zugabe. Auch hier demonstrierte Lehr mit einer atemberaubenden Paganini-Caprice, wie himmlisch teuflisch gut sein kann.

Klug gewählt, aber keinesfalls leicht zu schultern war das große Werk nach der Pause. Felix Mendelssohn Bartholdys „Schottische Sinfonie“ ist keine geistige Sinfonik wie die großen Werke Beethovens. Es liegt ihr keine konkrete Idee zugrunde, sondern das romantische Lebensgefühl einer Seele, die sich in der Natur und der Landschaft spiegelt – so wie Maler wie William Turner oder Caspar David Friedrich dies mit Pinsel und Farbe verbildlichten. Schon deswegen ist Mendelssohns immer wieder liedhafte Musik keinesfalls nur Außenansicht und Oberfläche, sondern ein Stück echter Romantik. Das Ansbacher Kammerorchester unter Andreas Weiss investierte beherzt viel Feinarbeit – was sich auszahlte. Seine Liebe zum Detail machte nicht blind, sondern sehend. hd

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