Stadtarchiv soll kein Stiefkind werden

Die Leiterin legt überzeugendes Arbeitskonzept vor

ROTHENBURG – Mit einem klaren Konzept, das sich am Not­wendigs­ten zur Bestandssicherung und Organisation orientiert, hat die Leiterin des Archivs den Stadtrat überzeugt und zusätzliche Mittel für ihre wichtige Arbeit bewilligt erhalten. Angelika Tarokic kann damit vor allem dem Schimmel den Kampf ansagen, der sich bereits bei etlichen Bänden eingenistet hat.

Städtische Archive fristen generell meist ein Dasein abseits des öffentlichkeitswirksamen Geschehens und stehen nicht gerade im Blickpunkt der Kommunalpolitiker oder Verwaltung. So gehörte schon unter Dr. Ludwig Schnurrer und Waldemar Parr die Forderung nach verbesserter Ausstattung und mehr Mitteln dazu. Vor Jahrzehnten hat ein Georg Wild noch Arbeiten erledigt, die heute angesichts der Digitalisierung so gar nicht mehr sinnvoll erscheinen würden, aber in den siebziger Jahren viel Zeit und Platz kosteten: so z.B. das Ausschneiden von Zeitungsartikeln, die man thematisch in Ablagefächern mit ergänzenden Verweisen zum Ereignis sammelte. Inzwischen passt ein ganzer Zeitungsjahrgang auf einen kleinen Speicherriegel, den sich jeder auf den Rechner laden kann. Gerade kleinere Archive hinkten freilich schon immer der Technik hinterher und auch in Rothenburg hat es gedauert, ehe beispielsweise ein Scanner in Dienst gestellt werden konnte.

Archivleiterin Angelika Tarokic in ihrer „Schatzkammer“. Fotos: diba

Archivleiterin Angelika Tarokic in ihrer „Schatzkammer“. Fotos: diba

Nach personellen Problemen und Interimslösungen ist in Angelika Tarokic (die ihre Tätigkeit lediglich in der Mutterschaft unterbrochen hatte) eine Fachfrau zuständig, die systematisch vorgeht und vor allem Priorität dort setzt, wo sie wirklich notwendig ist: beim Bewahren des wertvollsten Bestandes und beim Schutz noch gut erhaltener Sammlungen vor möglichen Schäden. Dies kostet Zeit, die bei nur einer einzigen Ganztagsstelle gut ausgefüllt ist. Anstatt zu jammern, macht die Leiterin das Beste aus der personell schwierigen Situation und bekam für alle Vorschläge jetzt grünes Licht in der letzten öffentlichen Stadtratssitzung.

Wesentlich ist die Einrichtung einer Haushaltsstelle für Restaurierungsarbeiten. „Das Hauptschadensbild der Archivalien und Bücher der Rats- und Konsistorialbibliothek umfasst den Befall von Schimmel“, stellt Angelika Tarokic fest. Ein Großteil der Bestände sei durch die frühere feuchte Lagerung oder Löschwasser bei der Bombardierung 1945 geschädigt. Schimmel und Materialabbau des Papiers sind die Folgen. Bis zu zehn Prozent der Bestände hält die Leiterin des Archivs für stark belastet.

Auch auf Vorschlag von Stadtrat Dr. Karl-Heinz Schneider (zugleich Vorsitzender von „Alt Rothenburg“) werden zunächst 10000 Euro für Restaurierung bereitgestellt; ein Betrag wie ihn auch das Reichsstadtmuseum in derselben Höhe für Restaurierungen zur Verfügung hat. In der Praxis heißt dies aber nicht mehr, als dass je nach Schweregrad der Schädigung jährlich gerade mal ein bis drei Werke von einem Papier-Restaurator behandelt werden können. Ein weiteres Übergreifen von Schimmelpilzen weiß Angelika Tarokic durch entsprechende Maßnahmen zu verhindern, dazu genügt häufig schon ein Folienschutz von Bänden.

Ferner muss das Archiv im Bestand und der Organisation auf Vordermann gebracht werden. Unnötig werden Platz und Zeit verbraucht, weil man Dinge vorhält, die wenig bis gar keinen Sinn für ein solches Archiv machen. Tarokic: „Über Ankauf, Schenkung und Tausch enthält die Dienst- und Benutzerbibliothek Fachliteratur, die keinen Bezug zu Rothenburg oder zu Franken besitzt“. Dieser „tote Bestand, den niemand nachfragt“, könne über Antiquariate verkauft werden. Rund ein Viertel dieses Archivteils sei auszusondern, wobei der Verein Alt-Rothenburg seine Bestände zurückerhalten soll. Man habe weder die Kapazität noch den Auftrag zur Unterhaltung einer umfangreichen historischen Fachbibliothek, machte die Archivleiterin im Stadtrat deutlich. Der Hauptbestand müsse sich auf die Stadtgeschichte, die Landwehr, Franken und Grundlagenwerke beschränken.

In den zwanziger Jahren wurde die Rats- und Konsistorialbibliothek mit ausgesonderten Buchbeständen der Realschule und des Progymnasiums sowie der privaten Buchsammlung des Arztes Klett und der Stadtbibliothek ergänzt. Hinzu kommt die Bibliothek des Heimatvereins. Wie Frau Tarokic sagt, stammen die Bücher aus der Mitte des 19. und 20. Jahrhunderts und gehören zu den Massendrucken wie sie in allen Landes- und Universitäts-Bibliotheken vorhanden sind. Durch Löschwasser und unzureichende Lagerung im Markusturm sei der Bestand mit Schimmel belastet.

Da die Besucher keinen Bezug zu Rothenburg haben und die Behandlung den Buchwert weit übersteigen würde, ist nun teils die Vernichtung der Bände, teils die Veräußerung vorgesehen. Nachfragen aus dem Stadt­rat nach den raumklimatischen Verhältnissen konnten positiv beantwortet werden. Etwa 16 Grad Celsius bei maximal 60 Grad Luftfeuchte seien in Ordnung. Um die Bestände nicht über Gebühr wieder anwachsen zu lassen, wird künftig rigoroser über die Aufnahme entschieden.

Um mehr Zeit für die notwendigs­ten Arbeiten zu haben, stimmte der Stadtrat auch der deutlichen Kürzung der Öffnungszeiten zu (siehe Kasten). Die Besucherbetreuung und Anfragen-Beantwortung habe bisher bis zu 90 Prozent der Arbeitszeit beansprucht, berichtete Angelika Tarokic. Lediglich bei Auswärtigen, die für Forschungsarbeiten anreisen müssen, kann künftig eine längere Nutzungsdauer nach Vereinbarung gewährt werden. Vom Stadtrat gab es durchweg Zustimmung und auch Anerkennung vom Archiv-Pfleger Stadtrat Peter Schaumann: Es werde „professionell vorgegangen“ betonte er. diba

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