Wechsel bei den Stadtwerken

Stadtrat hat sich für die Heidenheim AG entschieden – Vertrag mit Crailsheim nicht verlängert

ROTHENBURG – Es wird nicht mehr unbedingt als notwendig erachtet, dass bestehende feste Geschäftsbeziehungen auf Dauer sind, wenn sich neue Entwicklungsmöglichkeiten ergeben. Die Stadtwerke Rothenburg, zu hundert Prozent im Eigentum der Stadt, gehen neue Wege. Bei dem künftigen Partner handelt es sich um die Stadtwerke Heidenheim – ein bundesweit agierendes Energieversorgungsunternehmen, das in alleiniger kommunaler Verantwortung betrieben wird und eine lange Tradition hat.

In den vergangenen acht Jahren waren die Stadtwerke Crailsheim im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages für die Leitung der Stadtwerke Rothenburg verantwortlich. „Die Trennung fiel nicht leicht, wir gehen nicht im Streit auseinander“, sagt Oberbürgermeister Walter Hartl, der auch Vorsitzender des zehnköpfgen Aufsichtsrates bei den Rothenburger Stadtwerken ist, in dem ebenfalls die Stadt­ratsfraktionen mit Sitz und Stimme vertreten sind.

Der Wechsel hat seine Ursache nicht in der Insolvenz der von den Stadtwerken Crailsheim gegründeten Klär­schlamm­verwer­tungs­an­lage. Das Desaster mit seinen Folgen für die 24 beteiligten Kommunen, darunter Rothenburg, liegt drei Jahre zurück. Empfindlich „bluten“ mussten die Stadtwerke Crailsheim mit fast der Hälfte ihres Eigenkapitals als größte Gesellschafterin der 2005 in Betrieb gegangenen Pilotanlage zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm. Die Technik war seinerzeit nicht ausgereift und funktionierte dementsprechend nicht fehlerfrei. Der finanzielle Aderlass beschränkte investitionsfördernde Re­s­sourcen der haftungsbeschränkten Kapitalgesellschaft (GmbH). Als mit den Stadtwerken Heidenheim (über 180 Mitarbeiter) ein potenzieller Geschäftspartner die Stadt Rothenburg als Eigentümerin der Stadtwerke umwarb, begann im Stadt­rat die Abwägung aller Für und Wider zum Verbleib oder Wechsel der Geschäftsführung. Bei der Entscheidung war das Ziel, die Stadtwerke Rothenburg (53 Mitarbeiter) als eigenständiges Un­ter­nehmen zu erhalten und im Wettbewerb zu behaupten. Zur Strategie für die Zukunft gehört, „die Ertragskraft zu stabilisieren und auszubauen“, so Oberbürgermeister Walter Hartl. „Dazu brauchen wir neue Geschäftsfelder“.

Stadtwerke Rothenburg: Die Belegschaft wurde gestern unterrichtet. Fotos: priv/sis

Stadtwerke Rothenburg: Die Belegschaft wurde gestern unterrichtet. Fotos: priv/sis

Bei der Brautschau spielte die Stadt angeblich mit offenen Karten. Die Entscheidung musste spätestens bis Ende Juni fallen, sonst verlängert sich die bestehende Geschäftsbeziehung automatisch um ein weiteres Jahr. Der Stadtrat unternahm Betriebsbesichtigungen in Crailsheim und Heidenheim, führte Gespräche und ließ vor seiner Entscheidung am vergangenen Donnerstag in nichtöffentlicher Sitzung noch einmal die beiden Vertreter der Energie­ver­sor­gungs­un­ternehmen zu Wort kommen. Mit klarer Mehrheit fiel die Wahl auf die Stadtwerke Heidenheim. Drei Mitglieder einer Fraktion sprachen sich aus moralischen Gründen für einen Fortbestand der Beziehung mit Crailsheim aus, wie zu erfahren war. Die Übertragung der Geschäftsführung an die Stadtwerke Heidenheim soll eventuell bereits zum 1. April 2015 erfolgen. Die neuen Geschäftspartner haben der Stadt eine kostenfreie Übergangslösung signalisiert. Die Heidenheimer übernehmen die Betriebsführung zunächst für fünf Jahre. Die Geschäftsführung wird aus dem Vorsitzenden und Sprecher der Geschäftsführung Dieter Brünner (52), der die Kaufmännische Ge­schäfts­führung übernehmen wird, dem Ge­schäfts­führer für den Bereich Vertrieb und Marketing Erich Weber (39) und dem Technischen Ges­chäftsführer Thomas Dürr (44), bestehen.

Dieter Brünner hat in Nürnberg Betriebswirtschaft studiert und ist gebürtiger Ansbacher. Seit 2001 ist er Vorstand der Stadtwerke Heidenheim und leitet als Obmann seit 1998 den Berufsverband ARGEnergie mit 121 Stadtwerken als Mitgliedsunternehmen. „Zusammen mit unserem Team freue ich mich, dass wir das Vertrauen des Rothenburger Stadtrats und des Aufsichtsrats erhielten. Das energiewirtschaftliche Netzwerk wird durch die Kooperation weiter ge­stärkt und so können wir im Sinne unserer Kunden noch besser auf deren Wünsche eingehen“, erklärt Vorstand Dieter Brünner. Bereits von den Stadtwerken Heidenheim erfolgreich am bundesweiten Markt erprobte Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen, sollen Wertschöpfung und Nutzen für die Bürger in Rothenburg bringen. Angedacht ist eventuell sogar ein eigener Rothenburg-Tarif, der werbemäßig vermarktet werden soll. Mit einem eigenen Börsenhandels-System ist man am internationalen Großhandelsmarkt aktiv. Die Energie wird bundesweit vertrieben. Zudem investiert die Unternehmensgruppe seit Jahrzehnten in eine umweltschonende, dezentrale Energieversorgung. Bereits zwei Kommunen profitieren von der Betriebsführung durch die Stadtwerke Heidenheim im Bereich der Trinkwasserversorgung. Mit Umsatzerlösen von über 320 Millionen Euro erzielt das Energieversorgungsunternehmen heute mehr als zwei Drittel der Wert­schöpfung außerhalb der eigenen Region Ostwürttemberg. Man werde in Rothenburg präsent sein und mit eigenen Mitarbeitern Ansprechpartner für die Belegschaft zur Verfügung stellen, heißt es. Bei einer gestrigen Personalversammlung wurden die Mitarbeiter der Stadtwerke Rothenburg offiziell von der Entscheidung unterrichtet.

Der Heidenheimer Energieversorger kann auf eine lange Firmengeschichte zurückblicken. 1865 lieferten die Stadtwerke Heidenheim aus Kohle erzeugtes Gas. Im Jahr 1885 begannen sie mit dem Aufbau der Trinkwasserversorgung und seit dem Jahr 1905 erzeugen und verkaufen sie elektrischen Strom. 1973 wurden sie zur Aktiengesellschaft umgebaut. Die Aktien befinden sich zu hundert Prozent im Eigentum der Stadt Heidenheim. Auch außerhalb der eigenen Netze werden Strom und Gas bundesweit vertrieben – mit erheblichen Absatzzuwächsen in den letzten Jahren. In drei eigenen Blockheizkraftwerken wird Strom und Wärme direkt vor Ort erzeugt. Neu hinzu kamen Photovoltaikanlagen und ein großer Solarpark. Über 200 Millionen Euro wollen die Stadtwerke Heidenheim für ihr Energiekonzept bis zum Jahr 2020 ausgeben. Um trotz schwierigem Markt gutes Geld zu verdienen, ist der Energieversorger auch Anteils­eigner von Gebäuden und betreibt sogar Parkplätze. sis

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