Für viele ging es ums Leben
Die 18-jährige Gertrud Stürnkorb und ihre Schwester löschten im „Greifen“
ROTHENBURG – Wenn gestern am 31. März der Toten des Bombenangriffs vom Ostersamstag 1945 im Friedhof gedacht wurde, dann ruft dies bei den noch lebenden Augenzeugen besonders schmerzliche Erinnerungen wach. Die Autorin Gertrud Schubart hatte schon früher dazu ihre Erinnerungen niedergeschrieben.
Für die 88-jährige Rothenburgerin ist das schreckliche Geschehen auch heute noch gedanklich gegenwärtig, war sie doch als junges Mädchen im elterlichen Anwesen, dem Gasthof „Greifen“, selbst beim Löschen der Stabbrandbomben im Dachstuhl beteiligt und erlebte das Elend in den umliegenden Gassen am eigenen Leib mit. Der Greifen-Keller war außerdem ein öffentlicher Schutzraum, der wegen seiner drei Ausgänge mit einem Durchgang zum Baumeisterhaus gefragt war.
„Das erschreckende Bild der zu hunderten fallenden Stabbrandbomben habe ich immer noch im Gedächtnis”, erzählt Gertrud Schubart, die damals beim Vorbereiten des Mittagessens in der Gasthausküche geholfen hat, als die US-Bomber ihre todbringende Fracht abluden. Dabei hatte man doch geglaubt, dass es die historische Tauberstadt so kurz vor dem absehbaren Kriegsende nicht mehr treffen würde!
Als es endlich draußen ruhig wurde, stiegen Gertrud Schubart und ihre Schwester die Treppe hinauf und blickten auf die Obere Schmiedgasse und den Marktplatz, wo schon mehrfach der Ruf „Es brennt” ertönte. Schnell ging es auf den Dachboden hinauf, wo das Teufelszeug Funken sprühte und teils den Bretterboden durchschlagen hatte. „Wie man es uns gelernt hatte, setzten wir die Handspritze und die Sandsäcke ein“, erinnert sich Gertrud Schubart.
Lager im Toppler-Kino
Allerdings hatte das Anwesen des Gasthofes mehrere Dachstühle, die man kontrollieren musste. „Wir eilten dann ins Hinterhaus zum damaligen Toppler-Kino” berichtet die Augenzeugin. Die Schwester holte einen bereitgestellten Pickel, mit dem man in eine Trennwand aufschlug, dank bereitstehender Eimer mit Wasser konnte man gerade noch das große Feuer verhüten. Die von einer Operation in der Beck’schen Privatklinik (die es am Klosterhof gab) gezeichnete Mutter war nach dem Luftangriff nach Hause gewankt und sah, dass der Greifen noch unversehrt war.
Bald zogen überall Rauchwolken auf, es knisterte und flackerte aus vielen Häusern und Dachstühlen bedrohlich. „Wir wollten anderswo helfen, aber ich kam nur bis in die Hafengasse, Ecke Jakobsgässchen, wo das Kaufhaus Haller bereits lichterloh brannte“, weiß Gertrud Schubart zu erzählen. Grüne Regalkästen mit Kurzwaren brachte man am Alten Keller im Kino in Sicherheit. Und auch das gab es: eine evakuierte Familie aus St. Ingbert, die im Greifen einquartiert war, ließ rote Strickwolle aus den Kisten mitgehen…
Das Textilhaus war nicht mehr zu retten und die 18-jährige Gertrud Stürnkorb (so ihr Mädchenname) rannte in die Goldene Ringgasse, wo sie zunächst eine umherirrende herrenlose Kuh an der Halskette packte und in den Greifenhof führte. Die zwei Schwestern wurden aufgefordert bei der Löwen-Apotheke am Markt mit beim Löschen zu helfen, aber das Betreten des Hauses war schon lebensgefählich und der Markt lag unter einem dichten Qualm.
Die Feuerwehrleute versuchten das brennende Rathaus zu retten. Die Geschäftsfrau Langenbuch bat um Unterstützung, denn ihr Haus war vom Feuer beim „Lamm“ und beim Uhren-Wagner bedroht. Das Eckhaus des Buchhändlers Schalk zur Georgengasse hin hat- te es erfasst und schließlich tauchten auch auswärtige Feuerwehrkräfte in der Altstadt auf. Immer mehr Leute hätten die Ausweglosigkeit ihres Einsatzes erkennen müssen, stellt Gertrud Schubart fest. Bei manchen ging es nur noch darum das Leben zu retten.
Trotzdem kamen am Ende 39 Menschen, darunter auch Kinder, beim Luftangriff um. Und es verloren 741 Familien ihr Zuhause, die Stadt wurde um einen wesentlichen Teil ihrer historischen Substanz ärmer – etwa 40 Prozent der Altstadtfläche war von dem verheerenden Feuer getroffen. Mit dem Gedenken am gestrigen Jahrestag 70 Jahre danach wird auch der jüngeren Generation vermittelt, wozu der nationalsozialistische Wahnsinn mit seinem Weltkrieg geführt hat. Dieser Kontext ist wichtig, auch wenn man sich fragt, warum die Amerikaner ohne jede militärische Notwendigkeit und mit dem Sieg bereits in der Tasche, noch das historische Kleinod neben anderen Städten von Würzburg bis Dresden (ebenso die Engländer) bombardieren mussten?
Nur noch zynisch wirkte schon damals für die junge Rothenburgerin Gertrud Stürnkorb der nach dem Luftangriff ertönende Durchhalteappell bis zum Endsieg, den der Kreisleiter weiter verkündete. diba
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