Familienglück statt Labor

Beagle aus Forschungsinstituten meistern den Alltag in Freiheit

BOCKENFELD – Über Wiesen toben, mit Artgenossen spielen, in einem Bach abkühlen, die unbekannte Umgebung erkunden: Für rund 25 Beagle wurde die Natur rund um den „Alten Bahnhof“ in Bockenfeld einen Tag lang zu ihrem Spielplatz. Den meisten dieser Vierbeiner war ein derartig freies und abwechslungsreiches Hundeleben teilweise jahrelang verwehrt. Ihr Zuhause war stattdessen eine Forschungseinrichtung, denn sie waren Laborbeagle.

Roxy, Seven und Yogi haben sich nach dem Spaziergang ihre Verschnaufpause im Schatten redlich verdient.  Fotos: Scheuenstuhl

Roxy, Seven und Yogi haben sich nach dem Spaziergang ihre Verschnaufpause im Schatten redlich verdient. Fotos: Scheuenstuhl

Ein kurzes Beschnuppern, einmal um den anderen herumgelaufen und schon hat sich das Wiedersehen der Beagle-Brüder Anton und Rowdy für die beiden wieder erledigt. Zugegebenermaßen gab es aber auch viel Ablenkung durch zahlreiche andere Artgenossen, die sich zum regionalen Beagle-Treffen in Bockenfeld einfanden. Organisiert wurde der Tag von Diana Kuntz aus Bad Windsheim vom „Laborbeagleverein“ e.V. Mit ansteckender Freude begrüßte sie die Hunde. Die meisten kennt sie mit Namen. Sie weiß noch, wie sie sich verhielten, als sie sie von ihrem bisherigen Zuhause, einem Labor, abholte und mit ihren neuen Besitzern zusammenbrachte.

Zweite Chance bekommen

Auch Anton hat nach seiner Zeit als Versuchstier eine zweite Chance bekommen. Seit Dezember lebt er bei Familie Schatek in Ludwigshafen am Rhein. Er ist 15 Monate alt und damit mitten in der Pupertät. Deshalb ist er noch recht lebhaft, was sich – so die Prognose der Familie – aber noch legen wird. Als sehr intelligenten Hund, mit dem man richtig arbeiten muss beschreibt ihn sein Frauchen Franziska Schatek. Also ganz entgegen dem Vorurteil, das viele gegenüber Laborhunden haben. Natürlich habe Anton seine Zeit gebraucht, um sich einzuleben, erklärt Franziska Schatek. Aber er sei ein äußerst lieber Rüde, der auch gut sozialisiert sei. Denn auch im Labor lebte er von Anfang an im Rudel. Sein zweiter Bruder Pinsel bekommt demnächst vielleicht bei ihm in der Nähe ein neues Zuhause.

Große Verpackung

Laborbeagle, so Franzika Schateks Erfahrung, seien wenn sie zu den Familien kommen meist wie „Welpen, nur halt eben in einer großen Verpackung“. Und bei Anton ist das sogar eine ziemlich große Verpackung. Denn der Riesenbeagle auf hohen Beinen ist ein sogenannter „FBI“. Dahinter verbirgt sich eine Hunderasse, die es so nur in Labors gibt. Sie ist eine Mischung aus Foxhound, Boxer und „Ingelheim-Labrador“. Letzteres ist ein eigener Stamm des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim. „FBIs“ sind wahre Liebhaberhunde. Manche Interessenten warten mitunter fünf Jahre darauf, dass einer aus einem Labor entlassen wird.

Trotz dieser Nachfrage nach ganz konkreten Hunden aus dem Labor, sei es nicht gerechtfertigt, den Besitzern oder der Vermittlungsorganisation vorzuwerfen, sie würden dadurch die Tierversuche unterstützen. Zum einen fließe dabei kein Geld, wie Diana Kuntz betont. Zum anderen gäbe es für die Labors aus rechtlichen Gründen keine andere Wahl, als Tiere zu Versuchszwecken einzusetzen, obwohl bekannt ist, dass es in bestimmten Bereichen nicht notwendig wäre. Selbst eine Ärztin aus einem Institut hat Diana Kuntz gegenüber geäußert, dass sie gerne darauf verzichten würden. Zumal der Unterhalt für die Hunde auch entsprechende Kosten für die Labore mit sich bringt. Für die Bad Windsheimerin steht deshalb klar die EU als Gesetzgeber in der Pflicht, eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen.

Seit insgesamt acht Jahren engagiert sich Diana Kuntz für Laborbeagle, seit einem Jahr nun im neu gegründetetn Laborbeagleverein. In den vergangenen zwölf Monaten vermittelte der Verein etwa 35 Hunde, meist Beagle und Beaglemixe aus dem Labor, in Aus­nahmefällen auch jene von Züchtern. Demnächst nimmt sich der Verein beispielsweise zweier Zuchthündinnen an, die aufgrund ihres „hohen Alters“ von sieben Jahren schwieriger zu vermitteln sind als Welpen. Nicht die Quantität, sondern die Qualität der Vermittlung hat oberste Priorität. Einen großen Teil der Arbeit stecken die Ehrenamtlichen deshalb in die Vor- und Nachkontrollen. Mit regionalen Beagle-Treffen wie in Bockenfeld soll ein gegenseitiger Austausch von Erfahrungen und Hilfestellungen gefördert werden.

Interessenten für Laborhunde sollten sich – wie übrigens bei allen anderen Hunden auch – im Vorfeld darüber gründlich informieren, was auf sie zukommen kann. Zwar haben die ehemaligen Versuchshunde keinen „Batscher“, wie landläufig meist angenommen wird, und es ist auch genau dokumentiert an welchen Erkrankungen sie gegebenenfalls leiden und wogegen sie geimpft sind, aber nicht, welche Versuche wofür an ihnen durchgeführt wurden. Dennoch kann es Zeit, Geduld und Nerven erfordern (muss es aber nicht zwangsläufig), bis aus einem frisch entlassenen Laborhund ein „alltags­tauglicher Begleiter“ wird.

Pfleger bauen Beziehung auf

Im Grunde sind Beagle aufgeschlossene, robuste, familienfreundliche und verschmuste Zeitgenossen. Da sie gut im Rudel gehalten werden können, sind sie für Labore die erste Wahl. Ihrem Charme erliegen auch die dortigen Tierpfleger. Sie kümmern sich gut um die Tiere und bauen mitunter enge Beziehungen zu ihnen auf. Teilweise nehmen sie sie auch nach der Entlassung zu sich nach Hause, erzählt Diana Kuntz. Viele erkundigen sich auch bei ihr, wie es „ihren“ ehemaligen Vierbeinern in ihren neuen Familien geht.

Es war reiner Zufall in Form eines Aushangs in einem Geschäft für Tierbedarf, durch den ein Laborbeagle vermittelt werden sollte, der Diana Kuntz 2006 zur Aktivistin für die Versuchshunde werden ließ. Mit Emma fing es damals an und dank ihres Mottos „Ein Beagle ist kein Beagle“ hat die Bad Windsheimerin heute vier Exemplare der fidelen Jagdhunde zuhause, zwei davon auch aus einem Labor.

Ein Traum-Trio: Marcus und Jennifer mit ihrer Beagle-Hündin Holly.

Ein Traum-Trio: Marcus und Jennifer mit ihrer Beagle-Hündin Holly.

Ins Schwärmen über Beagle und ganz besonders ihren eigenen kommen auch Marcus Preuß und Jennifer Löblein aus Bad Windsheim. Seit einem Monat komplettiert Holly die kleine Familie. Ihre ersten sechs Lebensjahre verbrachte auch sie zu Versuchszwecken in einem Labor. In der neuen Umgebung musste sie sich mit allem erst vertraut machen. Sie war damals wie ein Baby, erzählt Jennifer Löblein. Zwar war sie innerhalb weniger Tage stubenrein. Doch weder mit einer hundetypische Mimik noch durch Laute kommunizierte sie mit ihrer Umwelt. An die verschiedenen Bodenbeläge wie Fließen, Stein und Teppich musste sie sich, die zu Beginn noch ganz rosa Füße hatte, auch erst einmal gewöhnen.

Ebenso hielt Holly zu ihren neuen Herrchen Abstand. Es durfte niemand in der Küche sein, wenn sie fraß und im Wohnzimmer zog sie sich immer auf einen Sicherheitsplatz vor dem Sofa zurück, erzählt Markus Preuß. Mittlerweile hat sie aber Zutrauen gefasst und fordert nun Zuwendung und Liebe von ihren beiden Zweibeinern ein. Man braucht jetzt bei ihr schon eine große „Schmuseausdauer“, freut sich Jennifer Löblein über diese positive Entwicklung ihres Schützlings, die angesichts ihrer bisherigen Erfahrungen mit Menschen bemerkenswert ist. „Laborbeagle können verzeihen. Sie haben ein viel größeres Herz als Menschen“, schwärmt die Bad Windsheimerin.

Liebe auf den ersten Blick

Für Jennifer Löblein, die eine sehr ausgeprägte Ader hat, Tieren zu helfen und auch schon ein Pony vor dem Schlachthof rettete, war es eine bewusste Entscheidung, einen ehemaligen Versuchshund aufzunehmen. Allerdings, so gibt sie zu, war ihr nicht bewusst wie „extrem“ es werden würde, sie an den Alltag mit Menschen zu gewöhnen. Eine Trennung stand aber nie zur Debatte. Schließlich war es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick, als sie Holly im Hof eines Münchener Instituts zum ersten Mal sah und in Freudentränen ausbrach, erinnert sie sich. mes

Weitere Informationen über Laborbeagle und die Arbeit des Vereins erhalten Interessierte von Diana Kuntz unter Telefon (09841) 6825910 oder auf der Netz­seite www.laborbeagleverein.com.

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