Essenz des Laufens

Die Menschen hinter den Startnummern beim Halbmarathon

ROTHENBURG – So viele gab es in den ganzen sieben Jahren noch nicht: 1148 Teilnehmer meldeten sich insgesamt für die unterschiedlichen Strecken beim diesjährigen Rothenburger Halbmarathon an. Sie alle eint die Freude am Laufen. Doch welche Bedeutung hat dieser Sport im Leben der Teilnehmer?

Unter dem Jubel der Zuschauer und bei strahlendem Sonnenschein fiel der Startschuss für den 7. Halbmarathon.Fotos: Scheuenstuhl

Unter dem Jubel der Zuschauer und bei strahlendem Sonnenschein fiel der Startschuss für den 7. Halbmarathon. Fotos: Scheuenstuhl

„Die letzte Steigung war schon eine kleine Herausforderung“, gibt Gün­ther Fluhrer im Schatten der Schrannenscheune zu. Der Oberdachstettener ist mit seinem Lauf durch Rothenburgs Gassen und Umland dennoch ganz zufrieden. In seiner Disziplin, den 5,5-Kilometer Walking, belegte er den dritten Platz bei den Herren. Als Jahrgang 1935 war er darüber hinaus der älteste Teilnehmer des gesamten Läuferfeldes.

Ältester Läufer mit 79 Jahren: Günther Fluhrer.

Ältester Läufer mit 79 Jahren: Günther Fluhrer.

Beim Laufen schaut Günther Fluhrer regelmäßig auf seinen Herzfrequenzmesser, um eine Überforderung zu vermeiden. Für ihn ist der gesundheitliche Aspekt des Laufens wichtiger, als der sportliche Wettkampf. Die am Schluss gemessene Zeit ist deshalb eher zweitrangig. Ihm gehe es vielmehr darum, seine Kondition zu erhalten, denn ein aufbauen sei nicht mehr möglich, erklärt er augenzwinkernd mit Verweis auf sein Alter.

Deshalb lässt er es auch entspannt angehen, wenn er mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter vom TSV Ansbach im Laufschritt unterwegs ist. Ansons­ten hält sich der pensionierte Berufsschullehrer, der auch 25 Jahre lang in Rothenburg unterrichtete, mit Golf und Bogenschießen fit. Im Jahr 2000 war er Mitbegründer der Walking-Gruppe im Rahmen des Ansbacher Kneipp-Vereins, als diese neue Sportart in Bayern noch nicht sehr bekannt war.

Einen Monat vor seinem 80. Geburtstag bestritt er nun am Sonntag in Rothenburg sein letztes Straßenrennen. Er habe das Alter erreicht, in dem er nicht mehr die öffentliche Aufmerksamkeit beim Laufen suche, begründet er offen seine Entscheidung. Um weiterhin in Bewegung zu bleiben, könne er sich auch vorstellen mit seinem Kollegen auf Weitwanderungen umzusteigen.

Einen besonderen Einstand bei ihrem ersten Halbmarathon in Rothenburg legte Kelly Knapp hin. Die 37-jährige gebürtige Australierin lief als erste Frau nach 21,1 Kilometern über die Ziellinie. Der Kopf sei dabei ganz wichtig, erklärt sie. Bei der Zeit kommt es ihr nicht auf den Vergleich mit den anderen an, sondern sie ist ganz auf sich fokussiert. Sie schaut vielmehr, wie sie ihre eigene Leistung immer weiter steigern kann. Sie sucht immer die Herausforderung, ergänzt ihr Ehemann lachend. Über den Sieg freut sie sich aber dennoch.

Vorsatz fürs neue Jahr

Rothenburg, das sie schon öfters mit ihren Eltern besucht hat, gefällt ihr sehr. Als sie zum Jahreswechsel den Vorsatz fasste, heuer drei bis fünf Halbmarathons zu laufen, war es fast unumgänglich, dass einer davon in der Tauberstadt sein wird. Dabei hat sie vor acht Monaten eigentlich erst mit dem Laufen angefangen. Seitdem sie nämlich ihre beiden Kinder hat, die fast vierjährige Matilda und den zweieinhalbjährigen Raphael, hat sie eine läuferische Pause eingelegt. Dass sie dennoch praktisch auf Anhieb ganz nach oben aufs Siegertreppchen lief, liegt daran, dass sie schon durch ihre tägliche Arbeit sehr gut trainiert ist, da sie als Fitness­trainerin ihren Lebensunterhalt verdient.

Sport als Arbeit und in Freizeit

Unter dem Namen „Fit Mamas – Get Fit Würzburg“ bietet sie unterschiedliche Sportprogramme für jedermann, aber auch speziell für frischgebackene Mütter an. So sieht man seit einiger Zeit Mütter mit ihren Kinderwägen durch Würzburg laufen und dabei verschiedene Gymnastikübungen machen. Neben dem Sport als Arbeit nimmt sie sich einmal in der Woche Zeit für einen längeren Lauf. Für sie sei dies eine Art „Bewegungsme­ditation“, bei der sie ganz Zeit für sich allein hat und so über Gott und die Welt nachdenken kann.

Die studierte Wirtschaftslehrerin hat bereits eine erste Sportlerkarriere hinter sich in der Mehrkampfsportart „Ironman“, einer Kombination aus Surfdisziplinen und jenen für Rettungsschwimmer in Australien. Im Alter von 16 bis 22 Jahren trainierte sie hierfür an die fünf Stunden täglich Schwimmen, Laufen, Paddeln, Surfen und Kajaken.

Ganz am Anfang einer möglichen Profi-Läuferkarriere stehen hingegen Esseyas Hadush, Filimon Habtmicael und Membratom Gebrehiwet. Die drei minderjährigen Flüchtlinge aus Eritrea leben zurzeit in Würzburg und sind erst vor drei Monaten mit dem Laufen in Berührung gekommen. Ihre Deutsch-Lehrerin, Sabine Treutlein, nimmt selbst an Extremläufen und Ultramarathons teil. Sie weiß deshalb um die positive Wirkung von Sport und Herausforderungen: „Sport ist immer Integration“. Die Jungen lernen dabei fürs Leben, dass sich ihr Einsatz lohnen kann.

Freud und Leid lagen beim Team Ostafrika nah beieinander.

Freud und Leid lagen beim Team Ostafrika nah beieinander.

Sabine Treutlein schlug deshalb ihren Schützlingen, die auch sehr gut Fußball spielen, vor, mit dem Laufen anzufangen. Sofort war sichtbar, dass sie ein besonderes Talent dafür haben. Wichtiger noch: Sie fanden Spaß daran. „Beim Laufen können sie abschalten“, erklärt Sabine Treutlein. Die ganze Last, die sie tragen, sei in dieser Zeit vergessen.

Schon bei ihren ersten Wettbewerben ließen die drei jungen Laufwunder die Konkurrenz hinter sich. So ein Sieg hebe natürlich das Selbstbewusstsein der Jungen, ist die Deutschlehrerin sich sicher. Darüber hinaus wird auch die Integrationsbereitschaft der Anderen gefördert, wenn sie sehen, was die drei Eritreer leisten können.

Hohe Erwartungen

Demenstprechend hoch waren ihre eigenen Erwartungen am Start in Rothenburg. Der ers­te Rückschlag kam aber schon vor der Anreise. Aufgrund einer Verletzung am Bein konnte Filimon Habtmicael nicht antreten. Und auch der Halbmarathon verlief dann alles andere als reibungslos, obwohl sie von Zuschauern und ihren mitangereisten Freunden lautstark unterstützt wurden.

Zwar konnten sich Mebratom und Esseyas sehr schnell von ihren Mitläufern absetzen. Doch das Glück blieb ihnen nicht hold. Etwa bei Kilometer 9 ging es Mebratom plötzlich nicht mehr gut. Er klagte über Bauschmerzen. Sabine Treutlein vermutet, dass er wahrscheinlich eher Seitenstechen hatte, dies aber aufgrund seiner Deutschkenntnisse nicht als solche ausdrücken konnte. Im Ziel mit etwas Abstand bezeichnete er den Lauf als gut, obwohl es „sehr heiß und schwierig“ war.

Kein Beinbruch

Esseyas traf es umso schlimmer. Sechs Kilometer vor der Ziellinie fing er plötzlich an vor Schmerzen zu schreien, erzählt Sabine Treutlein. Die Mitarbeiter des Rothenburger Krankenhauses, darunter besonders Schwester Nicole, kümmerten sich mit viel Hingabe um ihn. Gebrochen sei nichts, so die erste Diagnose. „Vielleicht ist ihre Muskulatur einfach noch nicht auf derartige Rennen vorbereitet“, mutmaßt die erfahrene Läuferin. Zudem sei das Kopfsteinpflaster gerade für sehr schnelle Läufer eine Herausforderung.

Dass sie an dem Lauf überhaupt teilnehmen konnten, ist dem Veranstalter Sebastian Vorherr zu verdanken, der ihnen die Startplätze in seinem Team kostenlos überlassen hat. Mit den Helfern, die unterhaltsam durch die Veranstaltung führten und die Läufer auf den Strecken begleiteten, konnte er sich über eine gelungene 7. Auflage des Halbmarathons mit Rekordbeteiligung freuen. mes

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