Mehr Freiheit und Raum für Pfarrer
Veranstaltung im Wildbad nahm die beruflichen Rahmenbedingungen unter die Lupe
ROTHENBURG – Wie sieht die Zukunft des Pfarrberufes aus? In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern läuft seit mehreren Jahren ein Prozess, in dem die Rahmenbedingungen unter die Lupe genommen werden, in denen Pfarrer arbeiten.
Es sei wichtig, ein Bild davon zu bekommen, so Oberkirchenrat Stefan Ark Nitsche, der federführend an dem Prozess arbeitet, was konkret in der Kirche geschieht. „Es war ein Beteiligungsprozess von nie da gewesener Breite. Im Laufe des Prozesses haben sich die Themen erst herauskristallisiert und wurden dann geschärft“, erläuterte der promovierte Theologe. 60 Pfarrkapitel aller 67 Dekanate in Bayern waren in den Prozess einbezogen worden. Mehr als 1500 Pfarrer, 230 Ruhestandspfarrer und 600 Ehrenamtliche waren am Prozess beteiligt. Im Herbst werden die Ergebnisse einer breiten Pfarrerschaft vorgestellt werden.
Kürzlich fand im Wildbad eine wissenschaftliche Konsultation statt. Dazu waren Theologielehrende in Bayern von fünf praktisch-theologischen und systematischen Lehrstühlen aufgefordert sich zu beteiligen. Ebenso war ein Kirchenrechtler einbezogen worden. Es wurde klarer, so Oberkirchenrat Nitsche, „dass es zu unterscheiden gilt zwischen Herausforderungen, die in den Strukturen liegen und Rahmenbedingungen, die den Pfarrberuf schwer machen. Die müsse man ändern.“
Christian Albrecht, Professor mit Lehrstuhl für Praktische Theologie in München, wies darauf hin, dass im Spannungsfeld zwischen Beruf, Person und Amt die Gegensätze sich nicht einfach auflösen lassen. Die Anforderung lautet in der Praxis, wenn die Person kräftig genug ist, dann ist alles in Ordnung. Was aber, wenn nicht? Genauso sind die Sichtweise, der Pfarrberuf sei eben Beruf und genauso auszuüben, oder man müsse nur die Amtsfrage klären, nicht immer hilfreich. Die Pfarrer bewegen sich immer zwischen diesen drei Polen hin und her.
Reiner Anselm, Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie und Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, überschrieb seinen Vortrag mit „Zwischen Professionalisierung und Demokratisierung“ zwei Aspekte der modernen Gesellschaft zwischen die der Pfarrberuf eingespannt ist. Als Pfarrer ist man in demokratische Strukturen wie Kirchenvorstand, Gremien und die Synodalstruktur eingebunden, und auf der anderen Seite steht die Professionalisierung.“ In den Gesprächen ging es darum, was heißt „Leiten“ in der Kirche. Leitung sei ein wichtiger Dienst und werde benötigt.
Für Corinna Hektor, Vorsitzende des Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins in Bayern, war eine Erkenntnis der Konsultation, wie grundlegend das Thema Bildung und Ausbildung ist. „Theologie ist unverzichtbar. Nicht nur im Pfarramt, sondern auch in den Funktionen in der Gemeinde, als Leitungsaufgabe.“ Weiter meinte die Augsburger Pfarrerin: Wenn die Theologie für den Beruf so wichtig ist, braucht es in der Ausbildung, der Studienphase und dem Beruf Freiheit und Raum dafür. Um sein geistliches Leben zu pflegen im Pfarramt und Theologie zu durchdenken, braucht es Freiraum.
„Das hat Auswirkungen auf die Dienstordnungen. Genauso wie die Frage, wie man mit dem Gefüge von Verantwortlichkeiten und Hierarchien in der Kirche umgeht“, sagt Hektor. „Ich habe die Hoffnung, dass man mit diesen Erkenntnissen im Studium und im Examen etwas verändern wird und den Aspekt von Freiheit und selbstverantworteten Lernen stärkt.“ Sie erhofft sich einen Gegentrend zu der derzeitigen Praxis in den Dienstordnungen, „sich die Zeit schön zu rechnen und alles mit Aufgaben voll zupacken. Es muss Zeit dazu da sein! Es sollte in den Dienstordnungen der Zukunft Luft sein, dass das, was notwendig ist, auch getan werden kann.“ mbb
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