Große Werbewirkung
Rothenburg als Teilschauplatz für Reformations-Film
ROTHENBURG – Hinter jeder alltäglichen Begegnung könnte sich eine große Chance verbergen. Diese Erfahrung machte auch Tourismusdirektor Jörg Christöphler, als er im vergangenen Jahr den bekannten amerikanischen Reiseautor Rick Steves kennenlernte. Das lohnende Ergebnis: Rothenburg wird in dessen Fernsehdokumentation über Luther und die Reformation auftauchen.

Menschenauflauf in der Unteren Schmiedgasse: Für Filmaufnahmen traten Spielmannszug und Junge Schar auf. Fotos: Scheuenstuhl
Was mit einer Anfrage für eine Übersetzung begann, findet seinen vorläufigen Höhepunkt in einer laut Tourismuschef „wahnsinnigen Werbung“ für die Stadt. Rick Steves ist in seiner Heimat Amerika eine feste Größe, wenn es um Urlaub im Allgemeinen und in Europa im Speziellen geht. 1969 reiste er als Schüler zum ersten Mal nach Rothenburg. Damals übernachtete er in der Jugendherberge. Mittlerweile kommt er als erfolgreicher Reiseunternehmer, Autor, Radiomoderator und Filmemacher mit einem vierköpfigen Team zu Besuch.
„500 Jahre Reformation“ lautet der Titel seines geplanten einstündigen Fernsehfilms, der Ende 2016 landesweit in den USA ausgestrahlt werden soll. Auch wenn der große Reformator Martin Luther zuallererst mit der Wartburg, Wittenberg und Erfurt in Verbindung gebracht wird, so hat doch Rothenburg auch eine Berechtigung in dem Film aufzutauchen, sind die Beteiligten überzeugt.
Denn als sich Rick Steves für die drei Tage dauernden Filmaufnahmen auf den Weg in die Tauberstadt machte, hatte er bereits eine lange, umfassende Liste mit möglichen Motiven aus Rothenburg zugeschickt bekommen. Die Verantwortlichen der Museen und der Kirchen sowie Jörg Christöphler haben einiges zusammengetragen, was sich vor Ort mit Bezug auf Luther und die Reformation im Bild festhalten ließe.
Fachlich auf Augenhöhe
Der Amerikaner gilt als ein besonders akribischer Arbeiter, ist selbst Lutheraner und bringt für die historische Filmdokumentation die beste Grundlage mit: Wie Jörg Christöphler hat er Geschichte studiert. Zwischen den beiden, die sich gleich bei ihrem ersten Treffen im vergangenen Jahr auf Anhieb gut verstanden haben, entwickelte sich deshalb so mancher fachliche Austausch über den Inhalt des von Rick Steves ausgearbeiteten Drehbuchs.
Er kennt die Stadt mittlerweile so gut wie seine Westentasche. Taubertal, Burggarten und Plönlein wurden deshalb ebenso filmisch eingefangen, wie Kirchen und Exponate in Reichsstadtmuseum und Kriminalmuseum. Als eines der Motive stand der Riemenschneider-Altar in St. Jakob fest. Genauso wichtig für den Filmemacher war, dass Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr das Kirchenlied „Eine feste Burg ist unser Gott“ auf der Orgel für den Film vorspielt. Es wurde von Martin Luther geschrieben und komponiert. Protestanten sangen es in Zeiten äußerer Bedrängnis zum Bekenntnis des eigenen Glaubens.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reformation war Luthers Reduzierung der vormals sieben Glaubenssätze der Katholischen Kirche auf zwei: das Abendmahl und die Taufe. Letzteres wurde für den Film mit dem Taufbecken in der Franziskanerkirche versinnbildlicht. Im Kriminalmuseum hat Rick Steves Team zwei Kupferstiche des 19. Jahrhunderts aus illustrierten Wochenschriften abgefilmt. Sie zeigen Luthers Einzug in Worms sowie den Ablassverkauf von Dominikanermönch Johann Tetzel.
Wertvoller Holzschnitt
Ebenfalls auf Film gebannt wurde ein äußerst wertvoller nachkolorierter Holzschnitt aus dem Jahre 1507. Dabei handelt es sich um eine Abbildung der Leibes- und Lebensstrafen aus dem Tenglerschen Layenspiegel. Besonders von diesem Exponat war das Drehteam sehr begeistert, wie Dr. Markus Hirte, geschäftsführender Direktor des Kriminalmuseusm, erklärt.
Schließlich hat Rick Steves dort noch eine Szene gedreht, in der er am Tisch sitzt und in der Zweitauflage der Lutherschen Tischreden von 1567 des Museums blättert. Diese Sammlung von Aufzeichnungen über Gespräche an Luthers Tafel ist eine sehr wichtige sekundäre Lutherquelle und auch zentral für die Lutherausstellung im nächsten Jahr.
Während die meisten Dreharbeiten in der Stadt von den Touristen wohl ohne größere Beachtung registriert wurden, sorgte eine Szene für einen Menschenauflauf in der Unteren Schmiedgasse. Eng mit der Reformation ist auch der 30-jährige Krieg verbunden. Und wer könnte dieses Ereignis in Rothenburg besser darstellen, als eine der zahlreichen Historiengruppen? Harald Krasser, Vorsitzender des Festspiels, organisierte hierfür eine etwa 30 Mann starke Truppe aus Spielmannszug und Junge Schar.
Jegliche Zweifel, dass aufgrund der etwas reduzierten Besetzung die Musik nicht das altbekannte Volumen habe, wischte Rick Steves lapidar beiseite: „So ist das nun mal im Krieg.“ Viel wichtiger als der Klang der Musik war sowieso, dass die Nachwuchsfilmstars auf keinen Fall in die Kamera schauen und auch den kriegerischen Umständen entsprechend dreinblicken.

Auf der Suche nach der besten Einstellung: An der Stöberleinsbühne mussten die angehenden „Filmstars“ mehrmals auf und ab laufen.
Auf und ab marschieren, das Schwert ziehen und natürlich Musik spielen: Rick Steves war vollauf zufrieden mit der Leistung der Rothenburger Laiendarsteller. Tourismusdirektor Jörg Christöphler und Stadtführerin Karin Bierstedt standen Filmteam und Historiengruppe als Übersetzer und als eine Art „Regieassistenten“ tatkräftig zur Seite.
Statisten sind die Ausnahme bei diesem Film, der unter anderem auch in Wittenberg, Erfurt, Dresden, Florenz, Rom und der Wartburg gedreht wurde. Hauptsächlich wird Rick Steves durch die Dokumentation führen. Er ist aufgrund seiner langjährigen Beschäftigung mit Europa und seiner Präsenz in den amerikanischen Medien sowieso das beste Zugpferd für seinen Film. So bewirbt er ihn auch schon indirekt bevor die letzte Klappe überhaupt im Kasten ist. Etwas zeitversetzt zu den Dreharbeiten teilt er seine Eindrücke vom Filmen mit seinen zahlreichen Anhängern auf den sozialen Netzwerken, zur großen Freude von Jörg Christöphler.
Ehrung für Verdienste
Seitens der Stadt gebührt ihm unter anderem dehalb sowieso schon Dank. Auch wenn die Ausstrahlung des Films noch etwas auf sich warten lässt. Walter Hartl empfing ihn im Rathaus, um seine Verdienste für die deutsch-amerikanische Freundschaft und den örtlichen Tourismus zu würdigen. Rothenburg zählt zu Rick Steves Lieblingsplätzen auf dem alten Kontinent und nimmt deshalb in seinen Reiseführern immer einen prominenten Platz ein. Ihm sei es zu danken, so der Tourismuschef, dass Rothenburg bei US-Amerikanern und Kanadiern zu den beliebtesten Reisezielen in Deutschland zählt. mes
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