Lernen mit allen Sinnen
Die Montessori-Schule öffnete ihre Türen für Besucher
NEUSITZ – Konkrete Einblicke in die pädagogische Philosophie: Auf einer Filzunterlage mit verschiedenfarbigen Quadraten, die jeweils für den Einser-, den Zehner-, den Hunderterraum und so weiter stehen, legen zwei Mädchen Zahlenplättchen und Perlenstränge aus. Sie lösen so Schritt für Schritt die Rechenaufgabe „3516 mal sieben“. Das Ergebnis: 24612. Schnell mit dem Taschenrechner kontrollieren – es stimmt.
Diese und ähnliche Vorführungen mit den typischen Montessori-Lern- und Sinnesmaterialien gab es beim „Tag der offenen Tür“ der Montessorischule in Neusitz zu sehen. Schüler der ersten bis zur zehnten Jahrgangsstufe zeigten interessierten Besuchern, wie nach der Montessori-Pädagogik gelernt wird. Das pädagogische Team, Vertreter des Vorstands des Montessori-Förderkreises Rothenburg e.V., in dessen Trägerschaft die Montessori-Schule steht, sowie der Elternbeirat standen dabei für Fragen zu Verfügung. Seit über 20 Jahren werden in Neusitz, die Jahrgangsstufen eins bis vier und in Rothenburg im ehemaligen Franziskanerkloster die Jahrgangsstufen fünf bis zehn nach der Pädagogik von Maria Montessori unterrichtet: „Jede Gruppe besteht in der Regel aus weniger als 20 Kindern und wird von jeweils einer Lehrkraft und einer pädagogischen Assistenz betreut“, erklärt Schulleiterin Brigitte Wagner beim Rundgang von Gruppenraum zu Gruppenraum. „Wir sprechen nicht von Klassen, denn unsere Schüler werden jahrgangsübergreifend unterrichtet. Das fördert das soziale Miteinander und die Teamfähigkeit, stärkt das Selbstbewusstsein und regt auch die Neugier an, sich an Aufgaben heranzuwagen, wie die älteren Schüler bereits vormachen“, so Brigitte Wagner. In der Freien Arbeit, dem Herzstück der Montessori-Pädagogik, organisieren die Schüler ihre Arbeit selbst. Sie entscheiden – gefördert und angeregt durch die Pädagogen – womit sie sich im Unterricht beschäftigen. „Im Zentrum steht dabei die individuelle Entwicklung und das persönliche Lerntempo des einzelnen Schülers“, betont die Schulleiterin. Im Foyer haben Schüler der Sekundarstufe einen Stand aufgebaut. Sie verkaufen Holundersirup, Apfelsaft und Quittengelee, aber auch Zwiebeln und Kartoffeln – alles selbst angebaut, geerntet und verarbeitet. „In der 7. und 8. Jahrgangsstufe nehmen die Jugendlichen am Erdkinderplan teil“, erläutert Brigitte Wagner.
Dabei gehe es nicht darum, aus den Kindern Landwirte zu machen, sondern darum, den Kreislauf der Natur und des Lebens kennenzulernen, zu verstehen, wo die Nahrung herkommt, und sich als Teil des gesamten Kosmos zu begreifen. Für die Umsetzung des Erdkinderplans kooperiert die Schule mit einem Hof in Rothenburg und hat ein eigenes Feld gepachtet. „In der 5. und 6. Jahrgangsstufe begleiten die Kinder für vier Tage Verwandte oder Bekannte zur Arbeit, um sinnlich zu erfahren, was Arbeit bedeutet“, berichtet Brigitte Wagner. In der 7. und 8. Jahrgangsstufe absolvieren sie Betriebspraktika. Am Ende der Schulzeit können die Jugendlichen die Schule mit dem extern abgelegten Qualifizierenden Mittelschulabschluss oder dem Mittleren Bildungsabschluss verlassen. Der eigentliche Montessoriabschluss aber ist die „Große Arbeit“ (wir berichten noch darüber). Begleitet von einem externen Mentor bearbeiten die Schüler ein selbst gewähltes Projekt mit einem handwerklichen, künstlerischen oder technischen Schwerpunkt. Einige der schriftlich ausgearbeiteten Arbeiten konnten beim „Tag der offenen Tür“ eingesehen werden. So hat eine Schülerin eine „Camera obscura“, ein besonderes optisches Gerät, gebaut und sich intensiv mit deren Entwicklung und Funktionsweise auseinandergesetzt. Sabine Knappe, Erste Vorsitzende des Fördervereins-Montessori Rothenburg e.V., ist sehr zufrieden mit der Resonanz auf das Angebot am „Tag der offenen Tür“: „Wir haben viele Gespräche mit interessierten Eltern geführt, die auf der Suche nach der richtigen Schule für ihr Kind sind – entweder zur Einschulung oder auch als Quereinsteiger.“ sb
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