Drei Väter für Erfolg

Schweinsdorfer Chronik erblickt endlich Licht der Welt

SCHWEINSDORF – Was kann sich in einem kleinen Ortsteil schon groß verändern? – Einiges: Am überzeugendsten lässt sich dies darlegen, indem man die Geschehnisse der letzten Jahrhunderte niederschreibt. Anton Müller, Werner Heckel und zuletzt Fritz Vorlaufer haben sich die Mühe gemacht und eine Chronik von Schweinsdorf erstellt. Heuer, mehr als 20 Jahre nach den ersten Recherchen, ist sie endlich erschienen.

Jeden Tag wird ein Stück Geschichte geschrieben, denn Schweinsdorf verändert sich ständig – auch das Neubaugebiet.  Fotos: Scheuenstuhl

Jeden Tag wird ein Stück Geschichte geschrieben, denn Schweinsdorf verändert sich ständig – auch das Neubaugebiet. Fotos: Scheuenstuhl

Mit dem fertigen Werk in den Händen zeigt sich Fritz Vorlaufer damit „zufrieden, so wie es ist“. Und das, obwohl die Chronik von Schweinsdorf für ihn nur so etwas wie eine Liebe auf den zweiten Blick war. Als Anton Müller, der eigentlich nach der Chronik von Neusitz auch das Geschichtswerk über Schweinsdorf schreiben wollte, plötzlich verstarb, gingen dessen bisherige Rechercheergebnisse an den damaligen Bürgermeister Werner Heckel.

Dieser konnte sich aber aus Zeitgründen irgendwann nicht mehr darum kümmern und sprach deshalb Fritz Vorlaufer darauf an. Was die technische Umsetzung betrifft, war er prädestiniert für diese Arbeit. Er ist gelernter Schriftsetzer und betreute seit einiger Zeit auch den kirchlichen Gemeindebrief. Doch als er die vielen einzelnen Zettel mit der für ihn unleserlichen Handschrift Müllers sah, lehnte er dankend ab.

Erst als ihn Bürgermeister Rudolf Glas Anfang dieses Jahres erneut fragte, willigte er ein. Zum einen hatte er als Rentner nun mehr Zeit und zum anderen stellte sich bei näherer Betrachtung heraus, dass Anton Müller zum Glück auch einige Aufzeichnungen auf der Schreibmaschine geschrieben und in Reinschrift hinterlassen hatte.

Angst vor Windstoß

So fand sich Fritz Vorlaufer kurz danach in fast der gleichen Lage wieder, in der er Anton Müller etliche Jahre zuvor in dessen „Refugium“ in Bockenfeld antraf: Die einzelnen Zettel auf dem Boden ausgelegt, um sie chronologisch zu ordnen; immer mit der Befürchtung im Hinterkopf, dass ein plötzlicher Windstoß all diese Mühen zunichte machen kann.

Geburtshelfer: Fritz Vorlaufer brachte sein gestalterisches Wissen ein.

Geburtshelfer: Fritz Vorlaufer brachte sein gestalterisches Wissen ein.

Inhaltlich war die meiste Arbeit für Fritz Vorlaufer Neuland, schließlich ist er weder ein Haus-, noch Geschichtsforscher. Daher überwog am Anfang auch die Skepsis. Aber wenn man sich länger damit beschäftigt, erklärt er, „kann man süchtig danach werden“. Zum Glück sei der Großteil der (vor-)geschichtlichen Angaben schon vorhanden gewesen, sonst hätte er es wohl „nicht geschafft“, räumt er ein. Anton Müllers Recherche endete etwa in den 50er Jahren und war so gründlich, dass es keinen blinden Fleck in der Chronik geben sollte.

Unterhält man sich heute mit Fritz Vorlaufer über die Historie des Dorfes, so meint man einem Schweinsdorfer der mindestens vierten Generation gegenüberzusitzen. Seine Hauptaufgabe bei der Chronik war es die vorhandenen Angaben einzuscannen, das Layout zu erstellen, die passenden Fotos zu machen oder zu besorgen und die jüngere Geschichte des Dorfes akribisch zusammenzutragen.

Es gab Wochen, da arbeitete er den ganzen Tag daran. Es kam aber auch vor, dass er sich gezwungenermaßen mal drei oder vier Monate überhaupt nicht damit befasste. In dieser Zeit wartete er darauf, dass die Eigentümer ihm die Einverständniserklärungen und ausgefüllten Fragebögen für die Hausgeschichten zusendeten. Während er grünes Licht bekam, alle Häuser fotografieren und abdrucken zu dürfen, ließ der Rücklauf der dazugehörigen Angaben gerade aus dem Neubaugebiet aber leider zu wünschen übrig.

Ab Mai, bevor die Bäume ihr volles Blätterkleid bekamen, war Fritz Vorlaufer mit der Fotokamera bewaffnet tagelang in Schweinsdorf unterwegs. Straßenweise lichtete er die Häuser ab. Und war der passionierte Fotograf mit einer Aufnahme einmal nicht zufrieden, zog er erneut los.

Digital Hand angelegt

Dank der gut bestückten Fotoalben der Schweinsdorfer ist die Chronik darüber hinaus gespickt mit historischen Momentaufnahmen, angefangen beim Kanalbau in den 50er Jahren über den Baufortschritt der Autobahn bis hin zur kürzlich abgeschlossenen Dorferneuerung. Besonders bei den älteren Lichtbildern musste Fritz Vorlaufer digital Hand anlegen.

In der Chronik gibt es aber nicht nur viel zu sehen, sondern auch viel zu lernen: Wer weiß heute noch, dass es von 1906 bis 1953 einen Verein namens „Heiterkeit Schweinsdorf“ gab, oder dass einst das Chausseehaus am Lindleinsee zum Dorf gehörte? Auch manche Anekdote findet man auf den 400 Seiten Dorfgeschichte: So hielt es ein Pfarrer in grauer Vorzeit nur vier Wochen in Schweinsdorf aus, weil das Pfarrhaus in einem fürchterlichen Zustand gewesen sein soll.

Anton Müller verbrachte zu Recherchezwecken viel Zeit im Nürnberger Staatsarchiv, im Rothenburger Stadtarchiv fand sich allerdings wenig über Schweinsdorf. Sein chronistischer Nachfolger hatte aber dennoch Glück. Gerade für die Historie von Vereinen oder den jüngeren Entwicklungen, wie der Dorferneuerung, konnte Fritz Vorlaufer neben dem umfassenden Wissen der Einheimischen auf Festschriften, staatliche Dokumente und auch eine Bachelorarbeit zurückgreifen.

Um die geschichtsinteressierten Freunde des Dörfchens nicht länger auf die Folter zu spannen, hat man sich entschieden nicht darauf zu warten, bis die Neugestaltung des Kirchenumfelds in Schweinsdorf abgeschlossen ist. Somit konnte die Chronik heuer passend zum Jahresende erscheinen, um den einen oder anderen noch unter dem Weihnachtsbaum erfreuen zu können.

Bei der offiziellen Vorstellung des Werkes sicherten sich manche sogar mehrere der insgesamt 300 Exemplare, die für 20 Euro direkt bei Fritz Vorlaufer und in der Neusitzer Gemeindekanzlei zu erwerben sind. Und wenn man schon einmal die Gelegenheit hat, die Autoren eines Buches zu treffen, wurde die Gunst der Stunde auch genutzt: Altbürgermeister Werner Heckel und Fritz Vorlaufer waren schwer damit beschäftigt, ihr Erstlingswerk auf Wunsch zu signieren.

Für Fritz Vorlaufer sind die Tage literarischer Projekte in dieser Größenordnung wohl erst einmal vorbei. Nun muss er sich – so zumindest die Anweisung seiner Frau – verstärkt der Gartenarbeit widmen oder wenn es nach ihm ginge, der Digitalisierung seiner unzähligen Dias. Obwohl er eigentlich schon wieder eine An­schluss­arbeit entdeckt hat: Die Neusitzer Chronik von 1992 müsste mal wieder auf den neuesten Stand gebracht werden. Dies wird aber ein ebenso zeitintensives Unterfangen sein, denn sie liegt bislang nicht in digitaler Form vor. mes

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