Einzigartiges Kompendium

Sammelband zur Stadt- und Umlandgeschichte als wichtige Zwischenbilanz sehen

ROTHENBURG – Es ist eine sehr gelungene Reise durch mehr als tausend Jahre örtlicher Geschichte: das im Reichsstadtmuseum präsentierte 752-seitige Werk setzt einen Meilenstein in der Stadtliteratur, denn bislang fehlte solch eine fachlich fundierte Sammlung. Den Herausgebern Dr. Horst F. Rupp und Dr. Karl Borchardt sowie den Autoren gilt große Anerkennung.

Bei der feierlichen Buchpräsentation im Refektorium des ehem. Dominikanerinnenklosters.    Fotos: diba

Bei der feierlichen Buchpräsentation im Refektorium des ehem. Dominikanerinnenklosters. Fotos: diba

Der anspruchsvoll gestaltete illustrierte Leinenband (Theiss-Verlag) kommt in jeder Hinsicht schwergewichtig daher, denn zur Rothenburg-Forschung setzt er Maßstäbe und der Inhalt macht zugleich deutlich, dass sich weitere Fragen und offene Geschichtsfelder anschließen, die es für die Zukunft zu behandeln gilt. So spricht Dr. Borchardt auch hoffnungsvoll lediglich von „einer Zwischenbilanz, die zur weiteren wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Geschichte Rothenburgs und seines Umlandes anregt!” Hausherr Dr. Hellmuth Möhring begrüßte die geladenen Gäste letzten Freitagabend im voll besetzten Refektorium des Reichsstadtmuseums.

Er konnte dabei auf das Zusammentreffen mit zwei großen Jubiläen verweisen: Vor 750 Jahren kam der große christliche Gelehrte Albertus Magnus nach Rothenburg, um die Kirche des Dominikanerinnenklosters zu weihen. Und ebenfalls im Jahr 1265 war mit Rabi Meir ben Baruch einer der wichtigsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters in der Tauberstadt ansässig. Dabei sind sich die beiden allerdings nicht persönlich begegnet. Jedenfalls bekomme damit die Buchvorstellung einen besonderen „historischen Anstrich“ (so Dr. Möhring).

Honorarfreie Mitarbeit

Oberbürgermeister Walter Hartl würdigte die Arbeit aller Beteiligten und dankte den Sponsoren, wozu die Sparkasse und die Stadtwerke gehören. Hervorgehoben wurde die ehrenamtliche Mitarbeit der zahlreichen Autoren und der zeitaufwändige mehrjährige Einsatz der beiden Herausgeber. Nur so habe man den städtischen Zuschuss auf zehntausend Euro beschränken können.

Der Rothenburger Prof. Dr. Horst F. Rupp (Lehrstuhl für evangelische Theologie an der Maximilians-Universität in Würzburg, jetzt im Ruhestand) unterstrich wie wertvoll es sei so viele Experten zur Mitarbeit gewonnen zu haben. Seinem Herausgeberkollegen Prof. Dr. Karl Borchardt (früherer Rothenburger Stadtarchivar) galt ein besonderer Dank für die hervorragende Zusammenarbeit. Dr. Rupp machte deutlich, wieviel Kärnerarbeit hinter einer derartigen wissenschaftlich orientierten Buchproduktion steckt.

Buchübergabe (von links):  Stefan Brückner, Prof. Dr. Rupp, OB Hartl, Prof. Dr. Borchardt.

Buchübergabe (von links): Stefan Brückner, Prof. Dr. Rupp, OB Hartl, Prof. Dr. Borchardt.

Schon früher hatte sich Rothenburgs Stadtarchivar Dr. Borchardt mit dem Gedanken eines Historien-Sammelbandes befasst und mit dem Theiss-Verlag Kontakt – durch seinen Weggang nach München 2007 blieb das Projekt aber zunächst liegen.

Gegensätzliche Meinung

Wer den Band durchblättere erkenne auch unterschiedliche Perspektiven einzelner Autoren, ja sogar gegensätzliche Aussagen. So zum Beispiel beim Ortsnamen, den der Mitarbeiter von Reitzenstein von der Farbe „bei der roten Burg“ ableitet, während ein anderer Autor vom Verb „roden“ als Grundlage spricht. Prof. Borchardt machte kein Hehl in seiner Rede daraus, dass er auf Reitzensteins Seite steht und alles andere als „freie Phantasien von Historikern, Geographen und Archäologen“ betrachtet. Aufgabe der Herausgeber beim Korrekturlesen sei jedoch die Fehlerbeseitigung gewesen, nicht aber wissenschaftliche Meinungen zu zensieren.

Dr. Borchardt wollte auch dem denkbaren Missverständnis entgegentreten, mit diesem Sammelband sei nun die Geschichte der Stadt und ihres Umlandes zu Ende erforscht: „Das Gegenteil ist richtig!” Vielmehr werde mit diesem Werk verdeutlicht, wo überall weiterer Forschungsbedarf besteht. Das gelte für Perioden wie die Zeit nach 1945 ebenso wie für die Zeit zwischen dem Tode Heinrich Topplers 1408 und dem Bauernkrieg 1525. Ferner für die Periode zwischen dem 1648 zu Ende gegangenen Dreißigjährigen Krieg und der Mediatisierung 1803. Dazu, so Prof. Borchardt, werde zu prüfen sein, „ob man bei Rothenburg wirklich von selbstgenügsamem Stillstand sprechen müsse, wie es die deutschnationale Geschichtsschreibung im Hinblick auf machtlose Kleinterritorien gewöhnlich tat“.

Ferner seien etliche Themen unzureichend erforscht. Der Sammelband biete Überblicksdarstellungen zur Archäologie und Baugeschichte sowie insbesondere zur Kunstgeschichte. Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sieht Dr. Karl Borchardt noch Bedarf, so seien normale Handwerker ebenso wenig aufgearbeitet wie die ratsfähigen Geschlechter.

Noch viele Quellen

Im Stadtarchiv gebe es noch reichhaltige Quellen dazu. Wesentliches habe vor allem Dr. Schnurrer geleistet, dessen Urkundenbuch über das Jahr 1400 hinaus fortzuführen sei. Auch an die Rothenburger Gerichtsbücher, die 1274 einsetzen, sei zu denken. Deshalb, so der frühere Stadtarchivar, könne man auch eher von einer Zwischenbilanz sprechen.

Für den wissenschaftlichen Theiss-Verlag sagte Stefan Brückner das Engagement der Herausgeber habe bei diesem zeitaufwändigen Werk alle Erwartungen übertroffen. Unter den über 87000 Büchern, die jährlich auf dem deutschen Markt erscheinen, könne es sich durchaus sehen lassen. Es rage keineswegs nur durch seine Dicke aus den Publikationen heraus.

Im Refektorium folgte dann nicht nur die offizielle Übergabe des Bandes an den Oberbürgermeister, sondern auch noch eine besondere Ehrung für den anwesenden Dr. Ludwig Schnurrer. Er habe im letzten halben Jahrhundert „Grundlegendes und Wichtiges veröffentlicht” sagte Prof. Dr. Karl Borchardt und die jüngste Phase der örtlichen Geschichtsforschung maßgeblich geprägt. Ihm wurde als kleiner Dank ein besonders gezeichnetes Erstexemplar gewidmet.

Mit einem Vortrag von Dr. Markus Naser, dem Vorsitzenden des Vereins Alt-Rothenburg, über Heinrich Toppler (wir berichten noch dazu) endete der offizielle Teil, an den sich ein Empfang im Kreuzgang anschloss. Mit Oswin Voit und seinen Gitarrenklängen hatte man für eine stimmige Musikumrahmung gesorgt.

Die erste Auflage des 752-seitigen Werkes (mit 124 Abbildungen, 32 Farbtafeln) „Rothenburg ob der Tauber – Geschichte der Stadt und ihres Umlandes” (von der Vor- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart) soll schon in Kürze ausverkauft sein, wie es heißt. Derzeit gilt noch ein Subskripitionspreis von 31,95 Euro, ab April dann 39,95 Euro. diba

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