Themen sind gesetzt

Wirren der Reformationszeit touristisch vermarkten

ROTHENBURG – Auch Rothenburg setzt auf die Lutherdekade. In puncto Marketing ist die Stadt ihrer Zeit voraus. Schon heuer – und damit ein Jahr vor dem 500. Reformationsjubiläum 2017 – be­schäf­tigen sich Ausstellungen und Veranstaltungen mit den Themen Reformation und Stadtgeschichte.

Einen Schritt schneller zu sein, bevor der Luther-Tourismus überall in Deutschland in Gang kommt: Dieses Vorgehen nahm der Ausschuss für Kultur und Tourismus in seiner jüngs­ten Sitzung anerkennend zur Kenntnis. Neben dem Internet-Auftritt wurde bereits ein neuer Pros­pekt in Deutsch und in Englisch aufgelegt, um das Angebot zu präsentieren. Dr. Markus Hirte vom Kriminalmuseum und Dr. Hellmuth Möhring vom Reichsstadtmuseum arbeiten an einer fundierten Ausstellungskonzeption und erläuterten ihren Plan in der Sitzung.

Ein Hingucker: Dieser erste Grobentwurf für die Sonderausstellung „Kampf der Konfessionen“ im Reichsstadtmuseum fand Anklang.

Ein Hingucker: Dieser erste Grobentwurf für die Sonderausstellung „Kampf der Konfessionen“ im Reichsstadtmuseum fand Anklang.

Vom Mai 2016 bis Ende 2018 wird sich das Kriminalmuseum der Geschichte des Hexenglaubens und des Hexen-Delikts widmen – von den Anfängen bis zum Ende der großen Hexenverfolgungen. „Mit der Anzahl und der Qualität der Exponate bewegen wir uns auf Landesausstellungs-Niveau“, sagt Dr. Markus Hirte. Ein besonderer Fokus liegt auf der Person Martin Luther und den Stellungnahmen des Reformators für und wider den Hexenglauben. Überdies beleuchtet die Ausstellung auch Reformation und Hexenverfolgung in Franken und Rothenburg. Im Gegensatz zu den Fürstbistümern in Würzburg und Bamberg, wo die Scheiterhaufen zu Tausenden brannten, stellte Rothenburg ein leuchtendes Beispiel dar. Es gab wenig Hexenverfolgung. Warum war Rothenburg anders? Diesen und anderen Fragen geht die Erlebnisschau nach. Anhand von mehr als hundert wertvollen Exponaten, moderner Museumstechnik und ausführlichen zweisprachigen Erläuterungen erhält der Besucher eine greifbare Vorstellung von Martin Luther, dessen Epoche und den Ängsten und Hoffnungen der Menschen des 14. bis 17. Jahrhunderts.

Die Investitionskosten im fünf- bis sechsstelligen Bereich für die Sonderausstellung will der Museumsleiter durch einen Aufschlag auf den Eintrittspreis kompensieren. Wobei man immer noch günstig liegt. Das Kombiticket für Sonderausstellung und Haupthaus kostet sieben Euro. Das Programm und längere Öffnungszeiten sollen sich positiv auf die Besucherzahlen auswirken. Dafür ist aber zusätzlicher Personaleinsatz erforderlich. Der Museumsleiter streckt seine Fühler auch auf die Wartburg aus, in der Burg hoch über Eisenach hielt sich Luther versteckt und übersetzte die Bibel ins Deutsche. Auch das Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg will er einbinden, um überregional auf Rothenburg aufmerksam zu machen.

Der Kampf der Konfessionen ist zentraler Punkt der Reformationsausstellung im Reichsstadtmuseum vom 2. Oktober 2016 bis 30. September 2017. Der vorgelegte Entwurf fand Gefallen. Dr. Hellmuth Möhring will die Krise des Papsttums und die Konflikte der lutheranischen Bewegung, die sich stark in den Medien der Neuzeit niederschlugen, plakativ ge­genüberstellen. Den Auswirkungen kann man heute noch nachspüren und dabei aktuelle Parallelen finden: Bildersturm, zerstörte Gebäude – Hassprediger sind keine Phänomene der Ge­genwart, sondern waren bereits damals Realität. Eine umfangreiche Sammlung reformatorischer Flugschriften, darunter hochwertige Grafiken von Schäufelein, Dürer, Cranach, die der Ansbacher Kanzler Georg Vogler der Stadt Rothenburg nach seinem Tod 1550 hinterließ, machen den erbittert geführten Glaubens- und Kulturkampf, der während der Reformation tobte, auf dramatische Art deutlich. In die Sonderschau bindet der Museumsleiter auch Waffen aus der Sammlung Baumann ein, um die militärische Macht von Seiten des Kaisers und des Papstes zu zeigen.

Tourismus beleben: Neue Themensetzungen mit innovativem Format sollen Anreiz auf Rothenburg-Besuch erhöhen.     Fotos: sis/priv

Tourismus beleben: Neue Themensetzungen mit innovativem Format sollen Anreiz auf Rothenburg-Besuch erhöhen. Fotos: sis/priv

Bereits früh war die Stadt der reformatorischen Bewegung zugetan, doch der Bauernkrieg von 1525 verzögerte die Einführung der Lehre Martin Luthers. Kurzzeitig wirkten der Bilderstürmer Andreas Karlstadt und der Begründer der slowenischen Schriftsprache, Primus Truber, in Rothenburg. Fast zwanzig Jahre später schien die Zeit endgültig reif zu sein, das Kirchenwesen der Stadt grundlegend zu reformieren; eine neue Kirchenordnung wurde eingeführt. Kulturelle Eliten sorgten für einen Modernisierungsschub. Als Zeichen dieses neuen Bewusstseins entstanden in der Stadt große Bauten im Renaissancestil wie der neue Rathausvorbau. Die prächtige neue Lateinschule zeigt die Bedeutung der humanistischen Bildung in Rothenburg. In der ehemaligen Wallfahrtskirche St. Jakob zeigen sich Spuren der Reformation. Zwei Kirchenfenster stellen Luther und Melanchthon nebeneinander.

Für die Präsentation muss das Reichsstadtmuseum technisch aufrüsten. Ein spezieller Projektor (Beamer), der Bilder aus einem anderen Gerät auf eine Leinwand bringt, soll angeschafft werden, ebenso ein berührungsempfindlicher Bildschirm (Touchscreen). Auch Schreiner- und Konfektionierungsarbeiten sind erforderlich. Mit einem dringenden Appell wandte sich Tourismusdirektor Dr. Jörg Christöphler an die Stadträte, die notwendigen Mittel in Höhe von 15 000 Euro im Haushalt bereitzustellen. Bei der SPD stieß er damit gleich auf Rückhalt. „Wenn etwas Ordentliches geleistet wird, muss dies auch unterstützt werden“, meinte der Fraktionsvorsitzende Dr. Günther Strobl.

Der christlichen Kunst widmet sich Touristen- und Pilgerpfarrer Dr. Oliver Gußmann bei einer Fachtagung vom 21. bis 23. Juni 2017. Am Beispiel Riemenschneiders schildert er ein Schicksal in den Wirren des Bauernkrieges. Der Würzburger Bildschnitzer Tilman Riemenschneider schuf auch in Rothenburg bedeutende Altarwerke wie den Heiligblutaltar in der Jakobskirche. Einer der wichtigsten Auftraggeber Riemenschneiders war der Würzburger Bischof, zugleich aber unterstützte der Künstler die Bauern im Aufstand gegen den geistlichen Landesherrn. In seinen Figuren und Formen ganz Traditionalist und dem Spätmittelalter verhaftet, schuf er innovative Altarformen und bezog Licht und den umgebenden Raum in seine Konzeptionen mit ein.

Im Rahmen der Reichsstadt-Festtage 2016 und 2017 gibt es auch eine Aufführung von Reiyk Bergemann auf dem Marktplatz. Mit den Methoden des Theaters greift er die Geschichte „Rothenburg in den Wirren des Bauernkriegs und der Reformation“ auf. Auch Kirchen- und Stadtführungen laden ein, die Spuren der Reformation zu entdecken. sis

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